Sexualmoral "entwickelter" und "primitiver" Völker/Homophobie in Afrika

Das ist richtig, jedoch erheben die Autoren des o. g. Artikel den Anspruch, sie heute beantworten zu können. Und zwar in dem Sinne, dass bei den vorkolonialen Afrikanern die Homophilie "ursprünglicherweise" toleriert/ respektiert/ akzeptiert wurde und sie erst durch die Europäischen Kolonialherren auf den gegenteiligen Trip gebracht wurden, was aus Sicht der heutigen, wieder zur Ursprünglichkeit zurückgekehrten Europäer zu geißeln sei.

Genau das ist zumindest nach dem Abstract in keiner Weise der Fall - es wird *gar keine* Aussage darüber getroffen, ob bzw inwieweit vorkolonial Homosexualität toleriert war:

Colonialism has also had an impact on gender roles in Africa, which has contributedto homophobia among the general population. African gender roles have increasingly become a mixture of traditional and Western values, and especially African men have had a hard time adjusting to the new roles by which they have experienced emasculation. A part of the animosity towards homosexuality can be found in this development. The more you distance yourself from homosexuality the more masculine you appear, which is a way of regaining lost masculinity. It is furthermore a tangible way of showing ones resistance towards Western values.
Vielmehr wird auf die psychischen und sozialen Folgen der Kolonisierung hingewiesen, die *teilweise* (part of the animosity) die Grundlage bilden. Über Ursprünglichkeit in Afrika und erst recht in Europa sehe ich dort nix - und soweit meine rudimentären Sprachkenntnisse reichen sowie nach flüchtiger Durchsicht auch in der verlinkten Arbeit nicht.

Ich wollte nur die Möglichkeit zu bedenken geben, dass vielleicht auch im damaligen Afrika die Homophilie gesellschaftlich negativ besetzt war und bis heute ist, während sich dies in Europa in den letzten hundert Jahren gewandelt hat.

Letzteres hieße, dass die heutigen Europäer ihre heutigen Moralvorstellungen retrospektiv auf die heutigen Afrikaner projizieren und ihnen dabei möglicherweise ungeheuer auf die Nerven gehen.
Wer wem auf den Wecker geht, lassen wir mal dahingestellt. Daß Europa nun mittlerweile als "Hort der Toleranz" gegenüber Homosexuellen gelten solle, wäre die Neuigkeit mindestens des Jahrzehnts - wobei diese Thematik allerdings ua die Tagespolitik berührt, so daß ich mir weitere Ausführungen verkneife. Trotzdem muß man noch lange nicht die alten Stereotypen bemühen (=Afrika als Domäne des Aberglaubens und der Rückständigkeit, an denen die Afrikaner verbissen & fehlgeleitet festhalten - versus Europa als Hüter, ja Motor der Fortschrittlichkeit...) und erneut aufwärmen.
 
Ist "Afrika" überhaupt eine sinnvolle Referenzgröße? Wir reden hier immerhin über einene Kontinent. Wer kann spontan und ohne Hilfsmittel 15 subsaharauische Staaten nennen? Oder sagen, welche Staaten an den Kongo grenzen? Warum also nehmen wir es uns heraus über Homophobie in Afrika ein Pauschalurteil zu fällen?
 
...doch ich habe mich schlussendlich für einen ganz anderen Winkel entschieden. Und zwar: "Die Ursache von Homophobie in Afrika". Da muss ich mich noch für ein bestimmtes Land entscheiden, evtl. Uganda. Meiner bescheidenen Meinung und Halbwissen sind zwei der Hauptgründe im Kolonialismus und im Christentum zu finden, von daher passt das ganz gut rein.
Der Threadstarter zumindest hat den Titel seiner Arbeit so gewählt, dass man annehmen kann, für ihn sei die Homophobie - und nicht ihr Gegenstück - das erklärungsbedürftige Phänomen, und dass er die Ursache ihres Entstehens im Kolonianismus und im Christentum vermutet.
 
Interessante Diskussion über das Wort :D ... Wie es richtig heissen sollte, weiss ich nicht, nur dass ich meine Idee von diesem Artikel habe http://lup.lub.lu.se/luur/download?func=downloadFile&recordOId=2152958&fileOId=2155371 ;)

"The causes of homophobia are numerous and interconnected, but the main causes can be found in Africa’s colonial history"

Ich würde den Artikel an deiner Stelle sehr sorgfältig prüfen. Der Abstract riecht nach Rassismus. Der Autor unterstellt den Afrikanern, dass sie noch nach einem halben Jahrhundert nicht zu eigenständigem Verhalten in der Lage seien. Sondern sich immer noch an kolonialen Ideen abarbeiten. Der "dumme Neger" in nur oberflächlich neuem patriarchalischen Gewand.

Allein schon die Vorstellung, dass ein homophober kenianischer Trucker, homophob sei, weil er sich damit gegen den Kolonialismus wehrt, ist eurozentristisch in der peinlichsten Weise. It is furthermore a tangible way of showing ones resistance towards Western values.

Die afrikanische Homophilophobo-dingsda hat sicher auch Wurzeln außerhalb Afrikas. Aber die würde ich an deiner Stelle eher in schlechten Holly- und Bollywood-Produktionen suchen als in britischem Kolonialerbe.
 
Die zentrale Ausage ist, dass durch die Erziehung christlicher Missionare ein Wertesystem nach Afrika gebracht wurde, dem sich die einheimischen politischen Eliten, die in den Missionen nicht selten erzogen worden sind, nicht entziehen konnten.

Das umfaßt, neben der allgemeinen Sozialisation, auch die politische Sozialisation und die christlichen Werte haben einen - positiven - Einfluß auf die ideologische Aufladung der jeweiligen nationalistischen Befreiungsbewegungen gehabt (vgl. beispielsweise Adogame, Gerloff und Hock bes. S. 55 ff)

Andererseits wurde natürlich auch die christliche Sexualmoral mit sozialisiert und ist zumindest in der "Sub-Sahara"-Zone, mit der starken Bedeutung der katholischen Kirche, ein nach wie vor wichtiger Faktor, der die Sexualmoral steuert. Natürlich neben und in Koexistenz bzw. auch in Konflikten zu traditionellen Vorstellungen.

Vor diesem Hintergrund ist das koloniale Erbe auch das Erbe gesellschaftlicher Wertvorstellungen und ist weiterhin für diese Region relevant. Es ist nicht zuletzt auch deswegen relevant, da die westlichen religiösen Vorstellungen eine integrative Rolle für multiethnische Gesellschaften haben können.

Diese Sicht beinhaltet eine ambivalente Beurteilung der christlichen Ethik, da sie in der Adaption längst über den Status einer "hegemonialen Dominanz" - im Sinne von Gramsci - hinausgewachsen ist und zu einer eigenständigen Weiterentwicklung gefunden hat.

Dennoch ist die These durchaus nachvollziehbar, bestimmte homophobe Einstellungen in dieser Region als spätes Erbe des Kolonialismus zu interpretieren.


https://books.google.de/books?id=wWwRI2cef6oC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false
 
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Bei dieser ganzen Diskussion hier, finde ich es fast schade, dass nur eine oberflächliche Untersuchung des Themas drinliegt (wir haben lediglich 2 Schreibtage dafür).

Ihr sprecht ein paar sehr interessante Aspekte an, auf die ich gerne näher eingehen möchte, sobald ich den Artikel (und evtl. auch anderes Material) gelesen habe. Thanepower hat meine Überlegungen auf alle Fälle recht gut getroffen. :)
 
Die zentrale Ausage ist, dass durch die Erziehung christlicher Missionare ein Wertesystem nach Afrika gebracht wurde, dem sich die einheimischen politischen Eliten, die in den Missionen nicht selten erzogen worden sind, nicht entziehen konnten. (...)
Dennoch ist die These durchaus nachvollziehbar, bestimmte homophobe Einstellungen in dieser Region als spätes Erbe des Kolonialismus zu interpretieren.
das legt nahe, homophobe Einstellungen stammten primär aus der christlichen Mission bzw. dem christl. geprägten Kolonialismus - weite Teile Afrikas sind allerdings jahrhundertelang von islamischen Gesellschaften beherrscht, kontrolliert, ausgebeutet und quasi "missioniert" worden; weder viele heutige noch etliche der historischen islamischen Gesellschaften zeichnen sich durch sonderliche Toleranz gegenüber Homosexualität aus...
da ist es nicht unwahrscheinlich, dass homophobe Einstellungen auch auf diesem Weg in den schwarzen Kontinent gekommen sind.

und zuletzt: weiß man denn sonderlich viel von den Einstellungen der indigenen Bevölkerungen vor Ankunft der diversen "Kolonisatoren"?
 
Auch nachkoloniale Einflüsse könnten ihren Beitrag zur homophoben Einstellung in Afrika beigetragen haben. Jedenfalls lässt sich feststellen, dass der Einfluss von evangelikalen Gruppen in den "englischsprachigen" Regionen (z. B. Uganda) teilweise recht stark ist.

Im Zusammenhang mit diesem Thema wäre es zudem interessant, zu untersuchen, ob homophobe Einstellungen gleichermassen in Ost- und Westafrika verbreitet sind, und wenn nicht, ob dies vielleicht auf die gegensätzliche (englische vs. französiche) Kolonialisierungsgeschichte zurückzuführen ist. Vorkoloniale Einstellungen dürften sich kaum eruieren lassen, und schon gar nicht allgemein gültige, wenn man die zahlreichen und sehr unterschiedlichen Ethnien Afrikas berücksichtigt.
 
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@dekumatland Ich sprach von der "Sub-Sahara-Zone", ähnlich wie ElQ, da Aussagen über Afrika wenig hilfreich sind. Wie Du historisch zu Recht es ja auch ausführst.

Insofern ist ja auch alchilwen gut beraten, diese These spezifisch für ein Land zu untersuchen. Und eventuell, wenn er Glück hat, wurden Einstellungen zur Sexualität bereits durch exilierte Wissenschaftler kritisch für das Land untersucht.

Was ja durchaus möglich ist, wenn man sich die repressive Haltung in Teilen von "Schwarz-Afrika" ansieht in Bezug auf Homosexialität.
 
Vielleicht könnte man auch einmal Südafrika als Beispiel anführen - gehört ja so gesehen auch zum subsaharischen Afrika. Wie es dort mit Homophobie konkret aussieht, weiß ich zwar nicht, aber immerhin gibt es dort schon die gleichgeschlechtliche Ehe (in fast allen anderen Staaten Afrikas ist Homosexualität strafbar). Dabei war ja Südafrika einer der Staaten in der die schwarze Bevölkerung bzw. die sogenannte Homelands am längsten den Status einer "Kolonie" hatten.

Nun nehme ich mal nicht an dass das Apartheidregime in Sachen Homosexualität besonders fortschrittlich war. Aber Südafrika ist eines der wirtschaftlich stärksten Länder Afrikas - und andere Beispiele auf der Welt scheinen zu bestätigen, dass Homosexualität tendenziell dort einfacher akzeptiert wird, in dem eine breite gebildete Mittelschicht existiert.
 
Insofern ist ja auch alchilwen gut beraten, diese These spezifisch für ein Land zu untersuchen. Und eventuell, wenn er Glück hat, wurden Einstellungen zur Sexualität bereits durch exilierte Wissenschaftler kritisch für das Land untersucht.

Sie :D ;)

Werde mich auf alle Fälle auf ein Land beschränken, das wird es einfacher machen denke ich.
 
So, nun ist es soweit. Ich komme endlich dazu mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Dienstag und Mittwoch sind die offiziellen Schreibtage dafür und ich fürchte mein Kopf raucht jetzt schon.

Könnt ihr mir einen Tipp geben, wo man auf die Schnelle primäre Quellen finden kann, also z.B. Tagebuchauszüge von Missionaren? Bin schon am googlen, aber ich fürchte ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht . Am liebsten primäre Quellen zu den Märtyrern von Uganda (https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4rtyrer_von_Uganda)

Mein vorläufiger Entwurf meiner Fragen und Problemformulierung lauten in etwa so:

Was sind die Ursachen zu Homophobie in Uganda?

Geschichtsfrage:
1. Was kennzeichnet die religiöse Entwicklung in Uganda vor/während/nach dem Kolonialsmus?

Religionsfragen:
2. Wie kann die Kirche rechtfertigen, dass homosexualitet "unnormal" ist? / Wie wird die Religion missbraucht um Homosexualität zu dämonisieren?
(Hermeneutische Analyse - Bibelzitat + Predigt)

3. Mit was für Methoden arbeiten die amerikanischen evangelischen Missionare heutzutage und aus welchen Beweggründen tun sie dies?

Bitte nicht auf die ungeschickte Formulierung der Fragen achten - ist nur mal ein Entwurf und ich hab grad Watte im Kopf, da ich natürlich ausgerechnet jetzt am kränkeln bin -.-

Wahrscheinlich muss ich die Geschichtsfrage sowieso umformulieren, so dass es zu "den Märtyrer von Uganda" passt.

Bei diesem Projekt geht es mehr um die Methoden, die ich verwende und die Argumentation dafür warum ich das ausgewählte Material verwendet habe, als um die Beantwortung der Fragen. Habe lediglich 10 Minuten um das ganze zu präsentieren - was ich eigentlich schade finde, denn ich würde mich gerne in das Thema vertiefen. :)

Und mir ist bewusst, dass ich sehr spät dran bin, aber das liegt nicht daran, dass ich es vor mir hergeschoben habe, sondern, dass schlichtweg keine Zeit dazu war, da dies leider nicht das einzige Schulprojekt ist und ich nebenbei noch täglich arbeiten muss.


 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Schau dir auch noch einmal die Duerr-Elias-Kontroverse an (die eigentlich keine war, da Elias längst tot war, als Duerr ihn widerlegte(?)).
 
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