Sinn und Unsinn der Nation

Wer definiert, was eine Region ist?

Na, sämtliche Gemeinden, deren Bürger sich (2/3-)mehrheitlich zu einer regionalen Identität bekennen werden nominell zu Regionen zusammengefasst. Das könnte ja bei jeder Bundestagswahl erhoben werden, sodass die Regionszugehörigkeit immer aktuell bleibt.

Man könnte per Unterschriftensammlung auch zulassen, neue Regionen auszuweisen, sollte es Verschiebungen geben.
 
...Nationen erkennen nur widerwillig ethnische Minderheiten an und geben nur ungerne an diese Autonomierecht ab. Zudem verfolgen sie eine Politik der staatlichen (nationalen) Einheit um jeden Preis. Gute Beipiele dafür sind die Türkei und China....
Ich glaube diese Staaten sind eben keine guten Beispiele, denn auch in diesen Fällen ist nicht das Nationalgefühl schuld, daß Minderheiten unterdrückt werden, sondern die jeweiligen Regierungen, die auf undemokratische Weise regieren. Oder werden in Deutschland nationale Minderheiten unterdrückt? Z. B. die Dänen, die Sorben, die Türken...
 
Ein Nationalgefühl bzw. Nationalstolz (was für mich ein und dasselbe ist),

Veto: ich fühle mich als Deutscher, da das aber keine Leistung ist, sondern Zufall, bin ich nicht stolz darauf. Um auf etwas stolz sein zu können, muss man zuvor etwas geleistet haben! Und zwar man selbst und nicht ein ominöses, abstraktes Gebilde, welches sich "Nation" nennt.
 
Ich glaube diese Staaten sind eben keine guten Beispiele, denn auch in diesen Fällen ist nicht das Nationalgefühl schuld, daß Minderheiten unterdrückt werden, sondern die jeweiligen Regierungen, die auf undemokratische Weise regieren. Oder werden in Deutschland nationale Minderheiten unterdrückt? Z. B. die Dänen, die Sorben, die Türken...

1. Und Du meinst eine andere Regierung würde der Teilung Chinas oder der vollen Autonomie der Kurden zustimmen? Ich weiss nicht. Die Nation setzt ein homogenes Staatsvolk voraus. Gibt es mehrere, wird's kompliziert ...

2. Nationen sind nicht per se demokratisch.

3. Wenn wir die Migranten mal weglassen, dann hat Deutschland einen Minderheitenanteil an Bevölkerung und Fläche von wenigen Promille. In China oder in der Türkei sind die Dimensionen schon etwas anders:

http://en.wikipedia.org/wiki/Image:China_ethnolinguistic_83.jpg
http://images.derstandard.at/20060421/a(8).jpg
 
Na, sämtliche Gemeinden, deren Bürger sich (2/3-)mehrheitlich zu einer regionalen Identität bekennen werden nominell zu Regionen zusammengefasst. Das könnte ja bei jeder Bundestagswahl erhoben werden, sodass die Regionszugehörigkeit immer aktuell bleibt.
Warum sollte es zwischen Nationalität und einem Territorium überhaupt eine zwangsläufige Verbindung geben? Für solche Fälle ist auch reine Kulturautonomie denkbar und möglich ...
 
Veto: ich fühle mich als Deutscher, da das aber keine Leistung ist, sondern Zufall, bin ich nicht stolz darauf. Um auf etwas stolz sein zu können, muss man zuvor etwas geleistet haben! Und zwar man selbst und nicht ein ominöses, abstraktes Gebilde, welches sich "Nation" nennt.

Einspruch! Wieso kann man nicht stolz auf einen Freund sein, der im 100m einen Rekord aufgestellt hat? Dein Einwand gilt insofern, dass es keine Verpflichtung gibt, sein Land zu lieben oder darauf stolz zu sein.
 
Warum sollte es zwischen Nationalität und einem Territorium überhaupt eine zwangsläufige Verbindung geben? Für solche Fälle ist auch reine Kulturautonomie denkbar und möglich ...

Eben, daher ist Deutschland ja auch ein Bundesstaat und damit ein etwas seltener Typ von Nation.
 
Na, sämtliche Gemeinden, deren Bürger sich (2/3-)mehrheitlich zu einer regionalen Identität bekennen werden nominell zu Regionen zusammengefasst.
Ich finde das einen interessanten Gedankengang. Wird die regionale Identität vorgegeben, zu der man sich bekennen darf, oder lassen wir jeden Bürger bestimmen, wie er die Region nennen würde, zu der er sich bekennen würde?
 
Veto: ich fühle mich als Deutscher, da das aber keine Leistung ist, sondern Zufall, bin ich nicht stolz darauf. Um auf etwas stolz sein zu können, muss man zuvor etwas geleistet haben! Und zwar man selbst und nicht ein ominöses, abstraktes Gebilde, welches sich "Nation" nennt.
Das sehe ich genau so, wie Pope. Man kann auch auf etwas stolz sein, was andere geleistet haben, zu denen man sich irgendwie verbunden fühlt. Oder man liebt einfach nur sein Land und seine Sprache und ist darauf stolz, was eigentlich gar keine Leistung darstellt.
 
Ich finde das einen interessanten Gedankengang. Wird die regionale Identität vorgegeben, zu der man sich bekennen darf, oder lassen wir jeden Bürger bestimmen, wie er die Region nennen würde, zu der er sich bekennen würde?

(Bin ja froh, dass sich ein Mod für utopistische Politik interessiert. Der Strang hat ja mehrfach seine geschichtliche Dimension verlassen.)

Das könnte man ja z.B. Ethno- und Soziologen überlassen, diese Eigennamen herauszukitzeln. Wäre aber wohl etwas teuer. Da müsste man sich ein Nominierungsverfahren überlegen, dem eine unabhängige Fachkommission vorsteht.

Aber man muss schon eine Vorauswahl treffen, sonst ruft man skurile "Ethnien" der Marke "Biertrinker" und "Autofahrer" ins Leben....

:D
 
Eben, daher ist Deutschland ja auch ein Bundesstaat und damit ein etwas seltener Typ von Nation.

Und was für ein seltener Typ ist dann die Schweizerische Eidgenossenschaft, mit 26 Kantonen, vier Landessprachen und ebenfalls ein Bundesstaat?
 
Zuletzt bearbeitet:
Und was für ein seltener Typ ist dann die Schweizerische Eidgenossenschaft, mit 26 Kantonen, vier Landessprachen und ebenfalls ein Bundesstaat?
Auch die USA sind ein Bundesstaat und sogar beim traditionell zentralistischen Großbritannien kann man einen Trend erkennen. Außerdem könnte ich wohl noch eine Menge mehr an Bsps.für Bundesstaaten bringen
 
Und was für ein seltener Typ ist dann die Schweizerische Eidgenossenschaft, mit 26 Kantonen, vier Landessprachen und ebenfalls ein Bundesstaat?

Eben Typ Bundesstaat. Von einer Schweizer Nation hört man ja nur selten etwas. Die Volksgruppen haben sich zur Gemeinschaft verbündet, die wir Schweiz nennen. Die Eidgenossenschaft ist damit eigentlich der Gegenpol zur Nation.

Oder wie siehst Du das?
 
Ein ganz ein seltsamer!
Und am seltsamsten, es gab seit Napoleon niemals Bestrebungen, dass ein Tessiner zu Italien, ein Genfer zu Frankreich oder ein Schaffhausener zu Deutschland wollte.

Umgekehrt ja, siehe Vorarlberg 1919. Und auch im deutschen Südwesten steht immer mal wieder einer an der Friedrichshafener Seepromende und schaut sehnsüchtig über den Bodensee. Oder Kreuzlingen, satte 50% der Bevölkerung sind Ausländer!

wo liegen da die Gründe? Aus deutscher Sicht wüsste ich welche, aber aus schweizer?

Grüße Repo
 
Die Staatsbildungen im 19. Jahrhundert zeigten sich als politische Bewegung nationaler Einigung. Dem entsprechend vereinigte der Nationalstaat ein Volk gleicher Ethnie, Kultur oder Sprache. Dies gilt für die Schweiz nicht. 1848 vereinigte der Bundesstaat die Völker von 25 Kantonen (Jura war da noch bei Bern) die sich durch unterschiedliche Geschichte und Kultur auszeichneten und in vier Sprachgruppen zerfielen. Der schweizerische Bundesstaat ist darum der politische Akt einer multikulturellen Staatsgründung, und deren Resultat keine Kulturnation, sondern eine politische Staatsnation.

Dies verlangte eine besondere Integrationsleistung und zwar über die Bewältigung jener wirtschaftlich-sozialen Konflikte hinaus, die sich in allen Staaten im Zuge der Industrialisierung, der Urbanisierung und Modernisierung anzutreffen sind. Die konfessionelle Spaltung nach der Reformation hatte zu vier Bürgerkriegen geführt, und der Staatsgründung ging der Sonderbundskrieg voraus. Trotz der politischen Neutralität kam es in der kritischen Zeit des ersten und zweiten Weltkrieges zu gefährlichen Spannungen in der Schweiz. Die politischen Eliten der Deutschschweiz sympathisierten mit Deutschland und die Elite der Romands mit Frankreich. Hier muss man aber ganz klar anmerken, dass dies ein Problem der Politischen Elite und ihrer Presse war und nicht das der Bevölkerung.

Die Schweiz zerbrach nicht an diesen Konflikten, sondern wuchs dadurch noch näher Zusammen, dies verdankt sie ihren politischen Institutionen. Nationale Identität musste man zuerst suchen oder schaffen, dies begann mit der Figur der Helvetia, ging über Tell und seine Armbrust auf Briefmarken bis zu den Wirtshausschildern „Weisses Kreuz, oder die Drei Eidgenossen hinaus. Das waren und sind Symbole und nicht real. Aber das eidgenössische Stimm- und Wahlrecht, das Recht auf Niederlassung in jedem Kanton waren etwas reales, das hatten die Appenzeller und die Genfer gemeinsam. Die geeigneten politischen Institutionen waren eine Voraussetzung dafür, dass die historischen Konflikte zwischen den Konfessionen in der Folge auskühlten, dass die sprachlichen und kulturellen Minderheiten ihre Identität erhalten konnten. Deren Beteiligung an den politischen Institutionen und deren Stimme in der Politik des Bundes waren bedeutsam. Dies geschah nicht auf allen Ebenen, so gab es einen Klassenkonflikt zwischen Lohnarbeit und Kapital, Gewerkschaften hatten lange keinen Einfluss auf die Bundespolitik.

Noch was zur Verfassung von 1848:

Die Grundzüge waren:

1. Der Übergang vom Staatenbund zu einem schweizerischen Bundesstaat, an welchen die 25 Kantone einen Teil ihrer Hoheitsreche abtraten.

2. Eine Aufgabenteilung zwischen den Kantonen und dem Bund

3. Das Prinzip des Föderalismus, das in den Angelegenheiten des Bundes jedem Gleidstaat eine gleiche Stimme unabhängig seiner Grösse einräumte.

4. Die Einrichtung einer demokratischen Grundordnung.

Und man findet in der Bundesverfassung den Begriff Staatsvolk nicht, sonder es sind die Kantone als Gliedstaaten, die den Bund konstituieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erlaube mir (g'schamser Diener) Hot Dog - Senf bei die Fische zu geben:

Die Schweiz hat sich also, wie es scheint, vom Begriff "Nation" klugerweise ferngehalten - aus logischen inneren, multinationalen Gründen einerseits (no na) - aber wohl auch aus der Reflektion der bis 1848 geschehenen, absehbaren - und eingetretenen - ungesunden Entwicklungen für die nächsten 100 Jahre rundherum in Europa. Jedenfalls steht fest: die Schweizer haben nicht den "Antinationalismus", sondern im Inneren ein ausgewogenes System der Ab- und Unabhängigkeiten und nach außen hin die Neutralität erfunden. (Fazit: sie müssen sich nicht lieben, aber sie können einander schätzen!)

Im Selbstverständnis der Bewohner der skandinavischen Länder u.a. lese und sehe und hörte ich noch viel weniger eine dauerhafte Strapazierung, ein ständiges Herbeten, Singen oder gar Brüllen, ergo ein geistiges Gerüst ihres jeweiligen Nationsbegriffes. Die Genannten besingen lieber (und das ist halt besser) die Schönheit ihrer Landschaften. Denn die bleiben soweit schön (hoffentlich).* (Sicher, es verarschen in Wort und Bild und Witzen die Norweger die Schweden und die Schweden die Finnen und die Finnen die Balten und die wiederum die Russen, die sich wiederum an den Polen gütlich tun ... usw. usf. - was eben vordergründig missverstanden wird und eigentlich dieses bedeutet: sie schätzen einander (mehr oder weniger). Nachtrag: allfällige Beispiele der weltweiten Witzkulturen über Nachbarn sind Legion, ich weiß)

Bei den genannten Staaten (Schweiz und Skandinavische Länder) war es natürlich der Blick aus glücklichem Abstand, man kann auch sagen: ein Blick her aus "uninteressanten und abgesicherten Gegenden", der den gewalttätigen Zug der Nationalstaatengeschichte an ihnen vorbeidonnern sehen konnte. Im Falle der Schweiz allerdings ein besonderes Glück, einerseits der Berge und andererseits des Verhandlungs- und Handelsgeschickes.
Die ersten "Ur-neutralen Staaten Europas" wollten sich alles in allem ersparen, was anno 1789 mit der Demontage bzw. dem umgehenden Versuch der kriegerischen Wiederherstellung von Untertanentum, Königsheil, kurz "Kronenherrschaften" sich entwickeln konnte: die "Nation" im Sinne moderner Volksherrschaften mit der ungesunden Eigenart, sich über andere Sprach- und Kulturgemeinschaften erhoben zu fühlen (weil ach-so-modern-und-wagemutig) bzw., weil bedrängt oder gar elementar bedroht, sich über diese erheben zu MÜSSEN.

Dieses "sich Bedrängtfühlen" und die rasch entstehenwollende Hysterie, dass dieses Bedrängtsein gleich elementar gefährlich wird und, wie hier gern geschreiben wird, die "vitalen Interessen" des jungen Staates angreift, die aggressive Verteidigungshaltung, ergo Angst der jungen Republik von 1789 ist das Urbild aller folgenden jungen Nationalstaaten - und diese "Verteidigungsideologie" hat auch erst mit den Nationalstaaten und der entsprechend entfesselbaren Dynamik ihres "freien Bürgertums" zu ungeahnten Gewaltpotentialen geführt.
Was wurden da vor 1789 doch noch für nette, lustige und bunte Kriege geführt, pardon für diese unpassende Ironie, werden wir Kinder dieser Revolutionen in den heutigen Staaten Europas ja als grundsätzliche Pazifisten wiedergeboren. No na. (Aber da muss ich noch eins draufgeben: "Bella gerant alii.. bzw. "Bella gereant ami" ;) )

Die "Nation" als geistiges Gerüst, und wie wir sie heute verstehen, ist also 1789 revolutionär neu definiert worden - als Ideologie - und sie hat sich sofort, umgehend mit seinem Entstehen, als allergrößtes Unsicherheitsprinzip entpuppt, was schlichtweg wiederum auf seine Feinde basiert: auf die Kriegserklärung einer Koalition aller Königreiche.

Und da muss, trotz allem Verständnis für Königreichs-; Wappenschild- und Hermelinromantik, auch das gesagt sein:
Die Geburt des eigentlich wunderschönen Kindes "Nation" aus dem alten Leib von Ständestaat und/oder Feudalasistokratie hat erst durch die prügelnde Umerziehung seitens des althergebrachten und krankentwickelten nachbarlichen Königtums-bzw. Imperialgebilde das moderne Monster "Nation" mit all seinen teufelsschwänzigen "-ismen" geformt. Will sagen: zu einer Sache gehören immer zwei, die daran teil- und in diesem Falle schuld haben.**


* Sing it: Nationalhymnen ODER Landeshymnen ist hier die Frage - auf die Staatsmelodeien insgesamt, weltweit also, möchte ich, weil sie so schön "selbsterklärend" sind, noch für diese Diskussion hinweisen:
http://www.worldstatesmen.org/#A

** Wer allerdings nicht zugeben will, dass eine übernationale Regentschaft bisher mehr blühende Landschaften als großflächig zerstampfte ergeben hat, der hat wahrlich nichts aus der Geschichte gelernt - oder er will es gar nicht wissen, was ich verstehen kann, will ja gerade die "-Romantik", also das "-Gefühl" bei unserem Thema sein Recht haben.
 
1. Und Du meinst eine andere Regierung würde der Teilung Chinas oder der vollen Autonomie der Kurden zustimmen? Ich weiss nicht. Die Nation setzt ein homogenes Staatsvolk voraus. Gibt es mehrere, wird's kompliziert ... In China oder in der Türkei sind die Dimensionen schon etwas anders...
Entschuldigung für die späte Antwort, war auf anderen "Schlachtfeldern" beschäftigt.
=)
Ja, genau das meine ich. Ich kenne die Verhältnisse in diesen Ländern so einigermaßen. Eine demokratische Regierung würde diesen Völkern mindestens eine innere Selbstverwaltung, wenn nicht gar einen eigenen Bundesstaat zugestehen. Eine Teilung Chinas - soweit würde ich dabei nicht gehen. Aber wenn die Unterdrückung z. B. der Uiguren oder der Tibeter noch lange so weiter geht, könnten diese Völker tatsächlich ihre staatliche Unabhängigkeit verlangen.
 
Der Dalei Lama sicher, aber sonst? Das Volk von Tibet auch? Da bin ich nicht informiert genug, aber die Chinesen werden wohl auch kaum Infos darüber nach draußen lassen...
 
Zurück
Oben