Sport - Nation - Wirtschaft: historische Aspekte

jschmidt

Aktives Mitglied
Zweites selbstgewähltes Thema:

Die Fußball-Europameisterschaft 2008 ist vorbei. Einige Begleitphänomene haben mich abermals ins Grübeln gebracht, insbesondere was die Interdependenzen von Sport und Nation einerseits, von Sport und Wirtschaft andererseits betrifft.

Letzten Anstoß, dies zu thematisieren, gab das
Bei Spielen oder so etwas gefällt mir die Begeisterung für eine Mannschaft sehr - egal, welches Land es ist. Das macht im Grunde den Reiz von Länderspielen aus und so etwas kann ich mir von Bundesligaspielen (usw) kaum ausmalen.
Freilich funktioniert dies nur durch eine nationales Aufladen eines Spieles.
(Habe vorher bei Scarlett angefragt.)

Wenn man in unzeitgemäßer Nüchternheit sich vergegenwärtigt, was eigentlich der Fall ist, kann die Antwort etwa so lauten:

1. In vielen Ländern der Erde sind Organisationen entstanden, deren Ziel die Förderung des Sports ist. Man organisiert man sich hierzulande in (bürgerlich-rechtlichen) Vereinen, wobei Vereine in Massensportarten regelmäßig einen Dachverein bilden. Ein solcher ist der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der inzwischen über 100 Jahre alt ist.
2. Ähnlich verhält es sich in anderen Territorien, und es entsteht recht bald das Bedürfnis, im Verbandsbereich Auswahlmannschaften zu bilden und gegeneinander spielen zu lassen, um die Attraktivität des Betriebs für Spiel-Produzenten und -Konsumenten zu steigern. Das ist z. B. der Fall bei der Fußball-Europameisterschaft, dessen Ausrichter ein auf der nächsthöheren Ebene angesiedelter (transnationaler) Dachverband ist.
3. Artikel 9 GG verbürgt das Recht jedes Deutschen, derartige Vereine zu begründen. Es könnte also in unserem Land 3, 4, 10... Fußball-Dachverbände geben, jedoch machen sich früher oder später ökonomische Faktoren bemerkbar, die dem entgegenwirken. Folge: Besagter DFB hat sich zu einem Angebotsmonopolisten in der Sparte Fußball entwickelt, jedenfalls was den Bereich des bezahlten Sports betrifft.
3a. Das ist nicht selbstverständlich: Es gibt z. B. im Berufsboxen 4 Dachverbände, deren Agens die ganze Welt ist und die miteinander konkurrieren.
4. Aus noch zu erörternden Gründen hat der Dachverband staatliche (nationale) Symbole für sich beansprucht und auch bekommen, nämlich die Fahne und die Hymne. Sie wird gezeigt/gespielt, wenn Spiele gegen ausländische Mannschaften stattfinden. (Sonst auch noch?)
4a. Auch hier der Hinweis auf andere Sportarten, bei denen es z. T. genauso aussieht, etwa bei Box-Weltmeisterschaften. (Werden eigentlich beim Davis-Cup oder bei der Curling-WM auch Hymnen gespielt?)
5. Um diese Phänomenen richtig einschätzen zu können, in Blick in andere Branchen: Vereine auf nationaler Ebene gibt es ja auch im Kulturbereich oder in der Wissenschaft; hier scheinen jedoch die nationalen Grenzen so geartet zu sein, dass Flagge/Hymne - trotz auch dort vorhandener Konkurrenzsituationen - seltener gezeigt/gespielt werden. (Habe vergessen, wie es z. B. beim Europäischen Chanson-Wettbewerb aussieht.)

Frage: Auf welchen Wegen ist zusammengewachsen, was zusammengehört (!?), welche historischen Faktoren und Motive haben dabei zusammengewirkt? Es gibt mE nicht viel Literatur dazu, immerhin für den DFB die Studie von Havemann: Fußball unterm Hakenkreuz (2005), in dessen zweitem Kapitel die Anfänge skizziert sind. Meine Überlegung ist, solche und andere Fragen zu den 70er Jahren zu diskutieren, also mit genügendem Abstand zu heute.

Nachtrag: Der Zufall bringt gerade eine Rezension mit Sportbezug herein: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-3-009
 
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Neuer Anlauf

Die nächste Fußballmeisterschaft steht vor der Tür bzw. wirft ihre Schatten voraus; siehe etwa den ARD-"Brennpunkt" zur Beinverletzung eines kickenden Fremdenlegionärs.

Und nicht nur das: "Wir sind Europameister!" insofern, als eine Gesamtschülerin aus dem Niedersächsischen bei einem per TV übertragenen Liederabend am besten abgeschnitten hat - ein Faktum, dass ich bei Beitrag #1 zu diesem Thread zwar nicht vorausgesehen, aber wenigstens einkalkuliert hatte.

Aus gegebenem Anlass also zurück zur Frage: Worin liegt die "nationale" Bedeutsamkeit solcher Ereignisse bzw. welches ist ihr mentalitätsgeschichtlicher Stellenwert? Oder anders: Was gibt jener Gesamtschülerin das Recht - oder was macht es ihr zur wohlverstandenen Pflicht, sich in eine Deutschlandfahne zu wickeln? Schließlich handelt es sich ja zunächst um eine private Angelegenheit, wenngleich mit einer vitalen ökonomischen Komponente bzw. Perspektive.

Letztere, denke ich, bildet beim Singen wie beim Fußballern ein wichtiges Bindeglied zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Der Staat, im Gesangsfall vertreten durch die nur theoretisch staatsfernen, realiter aber vom Staat abhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, investiert in die Produktion immaterieller Güter wie "Freude", "Begeisterung", auch "Gemeinschaftsgefühl" bis hin zu "Nationalstolz".

Das kann man jetzt beklagen oder nicht - mich interessiert eher die Genese dieser Art von Produktion, die man - nach einem von C. Buckminster Fuller glücklich gewählten Begriff - als Hauptzweck der sog. "Bewusstseinsindustrie" ansehen darf.

Es gibt aus deutscher Sicht einen geschichtlichen Meilenstein, nämlich die 1936er Olympiade. [1] Sportlich wie sportgeschichtlich bin ich nicht so fit, wie ich's wäre, aber mir scheint, dass vorher - und damit meine ich das 20. Jahrhundert - die Verknüpfung zwischen Nation und nationalen Werten einerseits und dem musisch-kulturellen-sportlichen (oder gar freizeitbezogenen) Bereich nicht sehr ausgeprägt war.


[1] vgl. http://www.geschichtsforum.de/f66/die-xi-olympischen-sommerspiele-berlin-1936-a-20064/ - gibt leider für meine Fragestellung wenig her.
 
@jschmidt: Mach doch die Frage an der sportlichen Ausrichtung in der Zeitgeschichte fest.
Ich habe heut gelesen, das die FIFA schon 1904 gegründet wurde und auch die Fußballweltmeisterschaft schon seit den 30igern besteht.

Die Briten gaben den Fußball in ihren Kolonien als Volkssport im Spaß vor...

Wie verstand die Bevölkerung vor dem Beginn der gesellschaftlichen Demokratien ab den 50igern in Europa und den Unabhängigkeitskämpfen im Rest der Welt diesen Gesellschaftssport Fußball.

Ich muß mich immer an die Filmszene von "Stalingrad" erinnern, als die dt. Soldaten im Häuserkampf Post von der Heimat erhalten, und einer die Info erhält, das "Schalke schon wieder Meister" wurde. Mitten im Kieg!

Die Bundesliga gibt es schließlich erst seit den 60igern...und davor? Regional bei allen Nationen gab es Sportvereine, oder etwa nicht?
 
@jschmidt: Mach doch die Frage an der sportlichen Ausrichtung in der Zeitgeschichte fest.
Ich habe heut gelesen, das die FIFA schon 1904 gegründet wurde und auch die Fußballweltmeisterschaft schon seit den 30igern besteht.

Die Briten gaben den Fußball in ihren Kolonien als Volkssport im Spaß vor...

Wie verstand die Bevölkerung vor dem Beginn der gesellschaftlichen Demokratien ab den 50igern in Europa und den Unabhängigkeitskämpfen im Rest der Welt diesen Gesellschaftssport Fußball.

Ich muß mich immer an die Filmszene von "Stalingrad" erinnern, als die dt. Soldaten im Häuserkampf Post von der Heimat erhalten, und einer die Info erhält, das "Schalke schon wieder Meister" wurde. Mitten im Kieg!

Die Bundesliga gibt es schließlich erst seit den 60igern...und davor? Regional bei allen Nationen gab es Sportvereine, oder etwa nicht?

Den Deutschen Fussballbund, und der trägt die Meisterschaften aus, gibt es schon seit 1903.
1942 wurde wirklich Schalke Meister, 1943 und 1944 Dresden.
Liste der Deutschen Fußballmeister ? Wikipedia
Ich gehe mal davon aus, dass bei diesen Spielen die Stadien auch proppevoll waren.

EDIT: 1942 Finalspiel Schalke - Wien im Berliner Olympiastadion vor 95 000 Zuschauern.

Sogar 1945 gab es noch Liga-Spiele, zuletzt am 19.4.1945 in Hamburg (sic!!!). Gut zwei Wochen später war der Nazispuk vorbei.
 
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Worin liegt die "nationale" Bedeutsamkeit solcher Ereignisse bzw. welches ist ihr mentalitätsgeschichtlicher Stellenwert?

Ich glaube, jschmidt geht es hierum.

Und man könnte unter anderen Umständen, aber vielleicht bedeutender, die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 anfügen.
 
Vielen Dank, liebe Freunde!

Die Briten gaben den Fußball in ihren Kolonien als Volkssport im Spaß vor... Wie verstand die Bevölkerung vor dem Beginn der gesellschaftlichen Demokratien ab den 50igern in Europa und den Unabhängigkeitskämpfen im Rest der Welt diesen Gesellschaftssport Fußball.
Auch das sind interessante Fragen! Wobei man klären müsste, ob mit den "Briten" eine private Initiative gemeint ist oder ein staatlicher Impuls oder inwieweit sich beides bereits vermischte. (Anderes Beispiel: Siegeszug von Baseball in Japan nach 1945 als Übernahme von "Siegerkultur".)

Sogar 1945 gab es noch Liga-Spiele, zuletzt am 19.4.1945 in Hamburg (sic!!!). Gut zwei Wochen später war der Nazispuk vorbei.
Hierüber - und über das Stalingrad-Beispiel - werden wir uns wahrscheinlich leicht einig: In Zeiten äußerster Not ist die Sicherung der Massenloyalität essentiell wichtig, d.h. neben äußerer Gewalt

  • sollte nicht nur genügend "Brot" vorhanden sein (siehe Alys "Volksstaat"-These), sondern auch "Spiele",
  • kann es nützlich sein, einfach nur vom tödlichen Ernst der Situation abzulenken.
Man kann aber diese Ausnahmesituation nicht ohne Weiteres auf "normale" Zeiten übertragen.

Ich glaube, jschmidt geht es hierum ["nationale Bedeutsamkeit"]. Und man könnte unter anderen Umständen, aber vielleicht bedeutender, die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 anfügen.
1954 könnte man unter "Rehabilibitierung" verbuchen: Fußballer aus einem Staat, der eben noch für den Tod von einigen zig Millionen Menschen gesorgt hat, dürfen wieder "mitspielen".

Wurden in Bern zwanzigtausend schwarz-rot-goldene Fähnchen geschwenkt? So weit ich mich erinnere, nicht, aber warum? These: Weil noch ein Unterschied bestand zwischen den Aktivitäten eines privat organisierten Sportverbands und den politischen Zielen des deutschen Teilstaates, und dieser Unterschied bestand hauptsächlich deswegen, weil die ökonomische Potenz des Sports noch ebenso unterentwickelt war wie seine (Wieder-) Indienstnahme durch die Politik.
 
1954 könnte man unter "Rehabilibitierung" verbuchen: Fußballer aus einem Staat, der eben noch für den Tod von einigen zig Millionen Menschen gesorgt hat, dürfen wieder "mitspielen".

Wobei der nationale Enthusiasmus nicht gesteuert war. Die besondere Situation hast du ja schon geschildert. Nach dem "wieder Mitspielen" kam auch noch der Titel im David-Goliath-Szenario.

Man müßte mal die Stadien vergleichen, ob das Fahnenschwenken bei den übrigen Europäern üblich war. Außerdem: zum Fußballschauen ging man noch im Anzug nebst Hut.
 
Wurden in Bern zwanzigtausend schwarz-rot-goldene Fähnchen geschwenkt? So weit ich mich erinnere, nicht, aber warum? These: Weil noch ein Unterschied bestand zwischen den Aktivitäten eines privat organisierten Sportverbands und den politischen Zielen des deutschen Teilstaates, und dieser Unterschied bestand hauptsächlich deswegen, weil die ökonomische Potenz des Sports noch ebenso unterentwickelt war wie seine (Wieder-) Indienstnahme durch die Politik.
Wo sollten denn die Fähnchen herkommen? Dafür gab es stimmgewaltige Kehlen:

Im Überschwang der Gefühle singen deutsche Fans bei der Siegerehrung in Bern die verpönte erste Strophe der Nationalhymne, Deutschland, Deutschland über alles. Dies weckt im Ausland zwiespältige Gefühle. Als sich auch noch der Präsident des Deutschen Fussballbundes, Peco Bauwens, anlässlich des Triumphzugs des Mannschaft durch Deutschland zu nationalistischem Stammtischgeschwätz hinreissen lässt, ruft ihn der Bundespräsident zur Ordnung.
Auf der Grossveranstaltung zu Ehren der Nationalelf im Berliner Olympiastadion am 20. Juli 1954 erklärt der Bundespräsident, dass gutes Kicken noch keine gute Politik sei. Und an die Mannschaft gewandt fährt Theodor Heuss fort: Aus Ihrem erfreulichen Sieg haben manche Leute ein Politikum gemacht. Wir wollen die echten Werte nicht verschieben lassen. Der Sinn des Sports ist Fairness, und Sie alle haben fair gekämpft, ebenso wie Ihre Gegner. Dann spricht er die dritte Strophe des Deutschlandliedes ins Mikrofon, bevor die 80.000 Gäste die erst 1952 wieder eingeführte Hymne singen: Einigkeit und Recht und Freiheit.

Fussballweltmeisterschaft 1954

Zwei Jahre später wird das Pferd Halla zur Wunderstute:

Der 17. Juni (!) 1956 gerät zu einem denkwürdigen Tag: In zwei Umläufen werden die Medaillen der Springreiter vergeben; die Deutschen - mit Weltmeister Hans-Günter Winkler auf Halla, Publikumsliebling Fritz Thiedemann auf Meteor und Alfons Lüdke-Westhues auf Ala - sind favorisiert. Winkler zieht sich im ersten Umlauf einen Muskelriss in der Leiste zu. Dennoch tritt er - fast besinnungslos vor Schmerz - zum zweiten Durchgang an. Umsichtig und routiniert trägt "Wunderstute" Halla "HGW" fehlerfrei ins Ziel und sichert ihrem Reiter Gold in der Einzel- und Mannschaftswertung.

Halla 1956

Kurze persönliche Reminiszenz
Nach der WM '54 wurde bei unseren Kickereien auf der Neckarwiese ausgelost, wer die Deutschen sein durfte.
 
... und das Ganze 1954 weder mit kommerzieller noch mit politischer Lenkung, sondern unerwartet und spontan.


Es gibt übrigens eine interessante Schrift, die noch einen weiteren Aspekt politischer Steuerung bzw. Subventionierung aufzeigt, bzw. eine andere Seite der Verbindung von Nationalgefühl, Sport und politischer Instrumentalisierung:

Schute, Ernst, Getrennt vom Reich - Die Instrumentalisierung des Sports in Ostpreußen, Diss. Bochum 1987.

In Erinnerung geblieben sind mir hier sind solche Exoten wie "Segelfliegen" in den 1920ern, Flugplatz-Subventionen und Zusammenführung. Ich halte das deshalb für das Thema interessant, weil hier - für mich überraschend - eine frühe Instrumentalisierung bzw. Funktionalität des Sports in Bezug auf nationale Emotionen (das "abgetrennte" Ostpreußen) untersucht wird.
 
Ich muß mich immer an die Filmszene von "Stalingrad" erinnern, als die dt. Soldaten im Häuserkampf Post von der Heimat erhalten, und einer die Info erhält, das "Schalke schon wieder Meister" wurde. Mitten im Kieg!
Sport mit seinen Wettkämpfen sollte die Menschen vor allem von der Kriegslage und den unzähligen Schwierigkeiten des Alltags ablenken. Dazu gelang es dem NS-Regime, die Sportler geschickt für seine Politik einzusetzen.
Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten, der bereits im November 1939 die Fortführung der Fußballmeisterschaften genehmigte, war sich dessen sehr gut bewußt: "Die Einordnung des Sports in die Aufgaben der totalen Kriegführung ist kriegswichtig. Sportliche Veranstaltungen und Wettkämpfe örtlichen und nachbarschaftlichen Charakter bis zur Gaustufe sind zur Erhaltung des Arbeits- und Leistungswillen durchzuführen."

Der spätere Bundestrainer Helmut Schön schrieb nach dem Krieg über seine Erlebnisse als Fußballspieler im Dritten Reich: "Es war eine unmögliche Situation. Im ganzen Land, an der Front waren die Menschen verzweifelt. Wir mussten dagegen Fußball spielen. Während des Spiels haben wir dann unsere ganze Verzweiflung vergessen. [...] Die Führung wollte gegenüber der Bevölkerung Stärke demonstrieren, nach dem Motto: Uns kann nichts erschüttern, wir spielen sogar weiter Fußball."


Übrigens: Noch am 21. Februar 1945 wurde der FC Bayern München Fußballgaumeister im Sportgau München-Oberbayern. Im Duell der Stadtrivalen FC Bayern gegen FC Wacker gewann FC Bayern mit 1:0 Toren im Stadion des SV Verkehrsbetriebe. ;)
Die Spielorte wurden zum Teil erst kurz vor Spielbeginn bekannt gegeben, denn man wollte den alliierten Bombern oder Tieffliegern mit einem gut gefüllten Stadion kein lohnendes Ziel bieten...


Quelle: Fischer, Gerhard / Lindner, Ulrich: Stürmer für Hitler. Göttingen 1999.



Saludos!
 
Wo sollten denn die Fähnchen herkommen?
Kein Problem - aus der Heimarbeit natürlich, "weder mit kommerzieller noch mit politischer Lenkung" (silesia)! [1]

Auf der Grossveranstaltung zu Ehren der Nationalelf im Berliner Olympiastadion am 20. Juli 1954 erklärt der Bundespräsident, dass gutes Kicken noch keine gute Politik sei. Und an die Mannschaft gewandt fährt Theodor Heuss fort: Aus Ihrem erfreulichen Sieg haben manche Leute ein Politikum gemacht. Wir wollen die echten Werte nicht verschieben lassen. Der Sinn des Sports ist Fairness...
Dank für diese ebenso anachronistische wie anrührende Geschichte! Das ist derselbe Präsident, der zur Bundeswehr gesagt hat: "Nun siegt mal schön".

...Weltmeister Hans-Günter Winkler auf Halla...
...hatte, was unser Thema betrifft, einen großen Vorgänger, nämlich Carl-Friedrich Freiherr von Langen ? Wikipedia : Der 1941 über ihn gedrehte Film "...reitet für Deutschland" ist ein erstrangiger Beleg für den National-Sport-Topos. [2]

Nun bietet sich freilich das "Mann+Pferd"-Thema fürs Nationale viel eher an wegen der zwangslosen Assoziation mit Kavallerie, Krieg, Militär, Ostlandreiter usw. Beim Singen ist der Zusammenhang deutlich lockerer, vor allem, wenn man bedenkt, dass Deutsche heute prinzipiell in Englisch singen. (Nicole aus dem Saarland hatte es sich 1982 noch in der Muttersprache getraut.)


[1] Aus heutiger Sicht völlig überholt, weil es dafür nunmehr eine entsprechende Industrie gibt. Auch ich habe mehrere Sonderangebote vorliegen über Fähnlein (ab 100 Stück billiger) und Fahnen (6-m-Mast mit 120x80-cm-Tuch, aber gern auch höher), über denen ich noch grübele.
[2] Vgl. http://www.google.com/books?id=N2GB00Ci9MwC&pg=PA21&dq="reitet+für+Deutschland"+langen&lr=&num=100&as_brr=3&hl=de&cd=1#v=onepage&q="reitet für Deutschland" langen&f=false
 
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Neben "Reitet für Deutschland" wäre noch der Film "Max Schmelings Sieg – ein deutscher Sieg" ein schlagendes Beispiel für die nationale (nicht im Titel, aber auch zu bachten: rassistische) Vereinnahmung.
Der deutsche Kommentator spricht ständig von dem "jungen Neger", der natürlich letztlich keine Chance hat. (Über den Rückkampf erschien aus naheliegenden Gründen nur eine Vierzeilenmeldung.)

Für eine Kampfsportart leuchtet die Verwendung für nationale Zwecke unmittelbar ein.
 
Auch das sind interessante Fragen! Wobei man klären müsste, ob mit den "Briten" eine private Initiative gemeint ist oder ein staatlicher Impuls oder inwieweit sich beides bereits vermischte.

Ich glaube das mit dem Beitritt der Engländer zur FIFA 1905 beides Vorlag bzw. von den Gründungsvertretern angestrebt wurde. Landesvertretungen mit der Basis von privaten Sportvereinigungen:

Diese Pioniere sahen sich vor einer riesengroßen Aufgabe, denn die FIFA bestand praktisch nur auf dem Papier. Man musste ihr eine Form geben, Verbände als echte Landesvertretungen schaffen und neue Mitglieder gewinnen. Vorab galt es, die Engländer zu überzeugen, dass ihr Beitritt zur neu geschaffenen Organisation unerlässlich sei.

Am 14. April 1905 erkannte der Vorstand der "Football Association Ltd." die in der FIFA zusammengeschlossenen Verbände an und trat bei. Das war der erste grosse Erfolg der FIFA, den sie Baron Edouard de Laveleye zu verdanken hatte. Der Präsident der Union Belge des Sociétés de Sports Athlétiques hat mit grossem persönlichen Einsatz die letzten Bedenken und Zweifel der Engländer zerstreut. Der Baron wurde erstes Ehrenmitglied der FIFA.

Und mehr under dem Link zur Geschichte der FIFA:
FIFA.com - Geschichte der FIFA - Gründung
 
Für eine Kampfsportart leuchtet die Verwendung für nationale Zwecke unmittelbar ein.
Zur nationalen Verwendung auch direkt noch ein Bergsteigerfilm von 1929, der regimegetreu umgearbeitet wurde ("Die weiße Hölle vom Piz Palü") und einen regelrechten Bergsteigerhype ausgelöst hat, der sich insbesondere in dem Rummel um die deutsche Seilschaft im Rahmen der Erstbesteigung der Eiger Nordwand geäußert hat.
 
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