Hier findest Du einige Redewendungen, die Dr. Klöffler auf seiner Internetseite zusammengetragen hat:
Material (unter Sprache und Benimm)
Mit zeitgenössichen Briefen und dergleichen, wäre ich vorsichtig, wenn man die alltägliche Umgangssprache erfahren will.
Die Briefe an sich folgten sicherlich nicht selten damaligen Anleitungen wie Briefe zu verfassen waren, die es zu Hauf in Büchern gab. Der Brief war nicht selten, gerade in der Oberschicht ein ästhetisch bedeutendes Werk oder zumindest wollte man sowas schaffen. Briefe wurden in der Gesellschaft, wenn sie besonders geschickt verfasst waren, auch vorgelesen.
Von daher darf man darin nicht allzusehr eine ungekünstelte Alltagssprache erwarten, auch wenn es manche robuste Gegenbeispiele wie die Briefe aus dem Anfang des 18.Jh. der Liselotte von der Pfalz gibt, die sich sicherlich garnicht um irgendwelche Schnörkel oder Formen willen verkünstelte.
Bei Tagebüchern läuft man Gefahr Kürzungen aufzusitzen. Ich habe bisher leider noch nicht viele gelesen und deren Informationsgehalt über die deutsche Sprache des 18. bzw. frühen 19.Jh. war gering, weil diese Tagebücher bezeichnenderweise ursprünglich auf Französisch abgefasst worden waren.
Die heutigen Filmemacher beziehen die Sprache, wenn sie sich denn für die zeitgnössische Sprache überhaupt interessieren, aus Briefen und anderen Primärquellen der Akteure oder allgemein zeitgenössischen Publikationen, welche dann eben nicht von den Filmfiguren bzw. deren historischen Vorbildern stammen.
Angeblich sehr realistisch sollen die beinahe brutalen Dialoge sein, welche J.M.R. Lenz für seine Komödie "Die Soldaten" verfasste.
Eine Kostprobe (1. Akt, 5. Szene):
"WESENER. Wollt ihr schweigen? (Zu Marianel.) Fort in deine Kammer den Augenblick, du sollst heut nicht zu Nacht essen – schlechte Seele! (Mariane geht fort.) Und schweig du auch nur, du wirst auch nicht engelrein sein. Meinst du kein Mensch sieht warum der Herr Heidevogel so oft ins Haus kommt.
CHARLOTTE. Das ist alles des Marianel Schuld. (Weint.) Die gottsvergeßne Allerweltshure will honette Mädels in Blame bringen weil sie so denkt.
WESENER (sehr laut.) Halt's Maul! Mariane hat ein viel zu edles Gemüt als daß sie von dir reden sollte, aber du schalusierst auf deine eigene Schwester; weil du nicht so schön bist als sie, sollst du zum wenigsten besser denken. Schäm dich – (Zur Magd.) Nehmt ab, ich esse nichts mehr."
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Aber auch hier finde ich es diskutabel, ob hier die Sprache der Zeit getroffen wurde oder ob Lenz bewusst überspitzte.
Einige Dialoge findet man in zeitgenössischen Wörterbüchern, welche auch Beispielsätze bzw. ganze exemplarische Unterhaltungen beinhalten. Diese richteten sich bspw. an Franzosen, welche Deutsch lernen wollten. Aber auch da ist mit Vorsicht heran zu gehen. Im besten Fall handelt es sich um einen (deutschen) Muttersprachler. Doch auch das schließt nicht aus, dass bisweilen sehr gestelzte oder eher unübliche Formulierungen zu lesen sind. Relativ glaubhaft sind für mich kurze Standardsätze wie: "Wie befinden Sie sich?" Aber selbst da, konnte es vorkommen, dass die franz. Sätze einfach ins Deutsche übertragen wurden, ohne die üblichen Redewendungen, also deutschen Eigenheiten zu beachten. Dabei ist das den Sprachmeistern nicht vorzuwerfen. Schließlich sprach ja in Deutschland selbst ein guter Teil der Oberschicht Französisch, oder zumindest das, was sie dafür hielt.:devil: Es gab sicherlich auch bei der Oberschicht dann die Problematik, dass sich Satzbau etc. vom Französischen auf das Deutsche abfärbte.
Meines Erachtens ist das jedenfalls keineswegs ein einfaches Thema. Ich beschäftige mich schon seit Jahren immer mal wieder damit.
* Weiter lesen:
Lenz, Jakob Michael Reinhold, Dramen, Die Soldaten - Zeno.org