Als Bedingungen für den Aufstieg des Faschismus führt er [Kühnl] auf: ...
Dazu ist anzumerken, dass Kühnl ein ausgesprochener Neomarxist ist. ... Ich finde hingegen den Ansatz von Götz Aly (Hitlers Volksstaat) überzeugender.
Ich halte Simons Zusammenfassung für gut gelungen, und gegen die Etikettierung als Neomarxist würde Kühnl sich auch nicht unbedingt wehren.
Was die Phase des
Aufstiegs des Faschismus betrifft, so finde ich den Unterschied zu Autoren wie Aly gar nicht so groß; grob gesagt gewichten Aly & Co. einige Faktoren anders und bewerten insbesondere das "Trauma von 1918" und dessen Nachgeschichte höher.
In Bezug auf die Herrschafts
praxis ab 1933 geht Aly deutlich über traditionelle Ansätze (einschließlich mancher marxistischer) hinaus, indem er eine sehr weitgehende Komplizenschaft zwischen Volk und Führer postuliert.
So interessant diese Aspekte auch sind, will ich aber "die Kurve kriegen" zur Ausgangsfrage nach der Staatsform. Wie schon mehrfach angemerkt wurde, passten die herkömmlichen Typologien für den NS-Staat nicht mehr - besser gesagt: sie durften nicht mehr passen. Am Merkmal des Staatsoberhaupts veranschaulicht:
- Die Monarchie war verknüpft mit der 1918 ruhmlos untergegangenen Staatsform.
- Die Republik war das verhasste "System" von Weimar (mit der einzigen Ausnahme des Ersatzkaisers Hindenburg).
Die Staatsrechtslehrer nach 1933 vermeiden daher beide Begriffe sorgsam bei der Beschreibung des "Dritten Reichs". Drei Beispiele:
- Koellreutter (Deutsches Verfassungsrecht, 3/1938, S. 142) schreibt, dass die "Wesensunterschiede von Monarchie und Republik ihren Sinn (verlieren)" für "den deutschen Führerstaat".
- Bei Huber (Verfassung, 1937) findet sich die Republik nicht einmal im Sachregister.
- Stuckart/Schiedermair (Neues Staatsrecht I, 18/1943, S. 9) erwähnen die Republik ebenso wenig. Zwei Jahre vor dem Ende (!) schreiben sie, das Reich sei "noch im Aufbau begriffen. Seine Verfassung ist im Entstehen".
Unter den 14 von den Letzteren aufgeführten "Verfassungsgrundsätzen" scheinen in Bezug auf die Staatsform besonders wichtig (S. 11 f.):
(2) Die Volksgemeinschaft ist die Verfassung im eigentlichen und echten Sinne.
(3) Das von Gott geschaffene Volk [sic] ist ... Selbstzweck, der Staat ist Mittel zum Zweck.
(6) Das Reich muss ein Führerstaat sein.
(7) Das Reich muss ein Volksstaat sein.
(10) Die Partei ist die Trägerin des deutschen Staatsgedankens.
Man sieht, das hat mit der traditionellen Staatsformenlehre kaum mehr etwas zu tun - und man erkennt, dass Aly einen Begriff aufgenommen hat, der nach 1933 zentrale Bedeutung erlangt hatte.