Ständekampf Rom -> Plebejer Situation nach dem Kampf?

Die Livius-Stellen kenne ich. In ihnen steht, was ich zusammengefasst hatte.


Das weiß ich. So besagt es zumindest die Überlieferung.


Ich kenne die Argumentationslinie, die das Auftreten von Amtsträgern in der frühen Republik, die Geschlechtern angehörten, die später als plebejisch bekannt waren, damit erklärt, dass diese Geschlechter eben ursprünglich patrizisch gewesen seien. Diese Argumentation wird schließlich auch beim ersten Konsul Lucius Iunius Brutus angewandt. Allerdings sind mir aus historisch gesicherter Zeit zwar mehrere Fälle bekannt, in denen Plebejer zu Patriziern aufstiegen, aber keine, in denen patrizische Geschlechter degradiert wurden. Mir scheint das daher ein eher schwacher Versuch zu sein, die (vermutlich ohnehin unhistorischen) frühen Konsulatslisten zu retten. Plausibler ist für mich, dass die frühen Konsuln (welchen Titel auch immer sie real getragen haben mögen) unhistorisch sind, oder aber dass die Patrizier erst einige Zeit nach der Etablierung der Republik ihren exklusiven Ämterzugang durchsetzen konnten.

Die Argumentation, dass die "Plebejer" im ersten Decemvirat damals eben noch Patrizier gewesen seien, die Plebejer im zweiten Decemvirat hingegen tatsächlich Plebejer, finde ich etwas gezwungen. Gerade bei den Genucii ist das höchst widersprüchlich, denn zwar wird, wie Du schon angemerkt hast, für 451 ein Konsul Genucius erwähnt, aber für die Jahre 476 und 473 werden Genucii als Volkstribunen erwähnt, für das Jahr 401 ein Curiatius.
(Ich weiß natürlich, dass die Historizität all dieser Angaben höchst fraglich ist und dass wir nicht wissen, ob es damals überhaupt schon Volkstribunen gab, aber das gilt für die überlieferten frühen Konsuln ebenso.)
Die Römer hatten im Prinzip keine wirkliche Ahnung über ihre Geschichte. Erst mit Quintus Fabius Pictor, kurz vor 200, beginnt die römische Geschichtsschreibung. Porcius Cato schrieb knapp 50 Jahre später und Livius schriebt gut 450 Jahre nach dem Zwölftafelgesetz. Wir müssen so ziemlich alles vor 300 mit Vorsicht genießen. Das heißt nicht, daß alles erfunden ist. ich hab es hier schon öfter geschrieben, das beste Beispiel ist die tafel 3, wo man "in Stücke schneiden soll". Schon die Römer der späten Republik verstanden diesen Satz nicht mehr und glaubten, daß man dieses Gesetz entweder nicht anwendete oder nur selten. Sie hatten überhaupt nicht die Idee dies mit dem aes rude in Verbindung zu setzen. Dies mußte man zerschneiden. Warum sollte, wenn man den Schuldner zerschnitt auch jemand straffrei bleiben, wenn er zuviel abschnitt? "Ich gab ihm 1000 As und bekomme nur 90% vom Bein und mein Nachbar gab 900 As und erhält noch ein Stück mehr vom anderen?" Natürlich nicht. man konnte das zu schneidende Stück Kupfer nicht vorher abwiegen. Schnitt man vom brocken etwas zuviel oder zu wenig, sollte der Schneidende nicht dafür gescholten werden.
Das heißt also, die Geschichte mit Konsuln und Volkstribunen, der Auszug der plebs und eben auch das ZTG als Ergebnis des Ständekampfes sind so wie in der römischen Geschichtsschreibung dargestellt nicht immer richtig.
Aber gerade das ist es ja was ich schreibe. Im ZTG findet man keinen sozial-politischen Sprengstoff, weder eine Geißelung des Proletariats durch die adsidui, noch eine restriktive Gesetzgebung zugunsten der Plebejer. Wenn du nun schreibst, es gab Plebejer im ersten Dezemvirat, dann wäre das durchaus möglich. Deutlich wird das erst beim Zweiten. Und das ist meine Argumentation. Wenn dort mehr Plebejer waren und das Dezemvirat das Schlechte, dann müßte sich dies doch in den letzten beiden Tafeln finden lassen. Findet man aber nicht. Es gibt überhaupt, außer dem umstrittenen Ehegesetz, nichts was auch nur auf einen Ständekampf hindeutet.
 
Warum sollte sich im Zwölftafelgesetz auch groß der Ständekampf widerspiegeln? In erster Linie war es wohl nur eine Kodifikation des geltenden Gewohnheitsrechts, um auf diese Weise Rechtssicherheit zu schaffen. (Die Geschichte von der Gesandtschaft nach Griechenland, um die dortigen Gesetze zu studieren und sich daran zu orientieren, kann man wohl getrost ins Reich der Fantasie verweisen.) Daher wird auch das Eheverbot keine Neuerung gewesen sein, sondern bloß eine Fixierung bereits geltenden Rechts.
Da das Zwölftafelgesetz hauptsächlich Privatrecht enthält, ist auch nicht zu erwarten, dass es viel sozial-politischen Sprengstoff und Spuren des Ständekampfs enthält, zumindest nicht auf den ersten Blick, denn abgesehen vom Eherecht spielten die Standesunterschiede nun einmal hauptsächlich im öffentlichen Recht eine Rolle. Indirekt spielen die Standesunterschiede aber durchaus eine Rolle, z. B. in den Bestimmungen der 3. Tafel über die Schuldner, da anzunehmen ist, dass Patrizier hauptsächlich Gläubiger und Plebejer hauptsächlich Schuldner waren, ebenso die Bestimmungen über Patron und Klient, da die Patrone wohl in der Regel Patrizier und ihre Klienten Plebejer waren. Da ist insbesondere die Bestimmung interessant, die den betrügerischen Patron verdammt.
 
Warum sollte sich im Zwölftafelgesetz auch groß der Ständekampf widerspiegeln? In erster Linie war es wohl nur eine Kodifikation des geltenden Gewohnheitsrechts, um auf diese Weise Rechtssicherheit zu schaffen. (Die Geschichte von der Gesandtschaft nach Griechenland, um die dortigen Gesetze zu studieren und sich daran zu orientieren, kann man wohl getrost ins Reich der Fantasie verweisen.) Daher wird auch das Eheverbot keine Neuerung gewesen sein, sondern bloß eine Fixierung bereits geltenden Rechts.
Da das Zwölftafelgesetz hauptsächlich Privatrecht enthält, ist auch nicht zu erwarten, dass es viel sozial-politischen Sprengstoff und Spuren des Ständekampfs enthält, zumindest nicht auf den ersten Blick, denn abgesehen vom Eherecht spielten die Standesunterschiede nun einmal hauptsächlich im öffentlichen Recht eine Rolle. Indirekt spielen die Standesunterschiede aber durchaus eine Rolle, z. B. in den Bestimmungen der 3. Tafel über die Schuldner, da anzunehmen ist, dass Patrizier hauptsächlich Gläubiger und Plebejer hauptsächlich Schuldner waren, ebenso die Bestimmungen über Patron und Klient, da die Patrone wohl in der Regel Patrizier und ihre Klienten Plebejer waren. Da ist insbesondere die Bestimmung interessant, die den betrügerischen Patron verdammt.
ich zitiere mal wiki "Die Schaffung des Zwölftafelgesetzes markiert den Höhepunkt der frühen Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und Plebejern in der Römischen Republik." oder wie zB germanicus oben schreibt "Jedoch waren nach den Ständekämpfen und den erlassenen Zwölftafelgesetzen keinesfalls alle Streitigkeiten beiseite gelegt".

Das ZTG hat mit den Standeskämpfen nichts zu tun. Wenn du das auch so siehst, sind wir ja einer Meinung.
 
ich zitiere mal wiki "Die Schaffung des Zwölftafelgesetzes markiert den Höhepunkt der frühen Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und Plebejern in der Römischen Republik." oder wie zB germanicus oben schreibt "Jedoch waren nach den Ständekämpfen und den erlassenen Zwölftafelgesetzen keinesfalls alle Streitigkeiten beiseite gelegt".
Den Wikipedia-Artkel zum Zwölftafelgesetz finde ich generell eher schlecht. Das beginnt schon mal damit, dass die Gesetze des Minos (!) als eines der Vorbilder hingestellt werden. Bei der Entstehung wird nicht ausreichend deutlich, dass die Historizität der Entstehungsgeschichte recht fraglich ist. Der Hinweis auf BGB & Co. ist auch arg übertrieben.

Das ZTG hat mit den Standeskämpfen nichts zu tun. Wenn du das auch so siehst, sind wir ja einer Meinung.
Grundsätzlich ja, zumindest was den Inhalt betrifft. Ich halte es allerdings für plausibel, dass die Kodifikation selbst ein Anliegen der Plebejer war, um sich Rechtssicherheit gegenüber den Patriziern zu verschaffen. Da man wohl annehmen kann, dass die Gerichtsbarkeit von den Patriziern ausgeübt wurde, war es für die Plebejer bestimmt hilfreich, wenn sie sich in Prozessen gegen Patrizier auf ein schriftlich fixiertes Recht berufen konnten statt völlig der Willkür der Richter ausgeliefert zu sein.
 
Das heißt also, die Geschichte mit Konsuln und Volkstribunen, der Auszug der plebs und eben auch das ZTG als Ergebnis des Ständekampfes sind so wie in der römischen Geschichtsschreibung dargestellt nicht immer richtig.
Aber gerade das ist es ja was ich schreibe. Im ZTG findet man keinen sozial-politischen Sprengstoff, weder eine Geißelung des Proletariats durch die adsidui, noch eine restriktive Gesetzgebung zugunsten der Plebejer.

Generell ist zu sagen, dass die Tradition über die Zwölf Tafeln erheblich verfälscht ist. Nicht einmal eine vollständige authentische Überlieferung des Gesetzestextes ist auf uns gekommen, obgleich die Römer dieses früheste römische Rechtszeugnis nicht nur innerhalb der Juristenzunft studierten, sondern seine Kenntnis sogar zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer allgemeinen Bildung erhoben. Wir kennen den Text nur aus einer lückenhaften Sekundärüberlieferung, aus der der Wortlaut teilweise zu rekonstruieren ist.

Dass die ganze überlieferte Pragmatik in der römischen Verfassungsgeschichte historisch wertlos ist, liegt auf der Hand. Deshalb sind die zahlreichen effektvollen Geschichten, in deren Spiegel frühere Geschlechter die frühe römische Geschichte zu sehen gewohnt waren, alle der Kritik zum Opfer gefallen. Schon der Übergang vom Königtum zur Republik war ausgemalt mit legendären Motiven.

Was die Zwölf Tafeln angeht: Da Plebejer in der politischen Repräsentation des römischen Staates zumindest für das 5. Jh. ein offensichtlicher Anachronismus sind und im Grunde erst seit 367 v. Chr. da einen legitimen Platz haben, muss ihr Auftreten in früherer Zeit für suspekt gelten.

Nach dem, was wir zu wissen glauben, gab es durchaus eine Verbindung zwischen dem Ständekampf und den Zwölf Tafeln: Der eine wichtige Erfolg der Plebs bestand darin, dass sie die Aufzeichnung des geltenden Rechts erzwang. Mit seiner Publizierung wurde es über einen engeren Kreis hinaus zugänglich und damit war eine wichtige Bresche in ein adliges Staatsmonopol geschlagen.

Die berühmten Zwölf Tafeln sollten kein neues Recht schaffen und erkannten deshalb auch das patrizisch-plebejische Eheverbot noch an. Wenige Jahre später wurde se durch eine lex Canuleia aufgehoben.
 
Da Plebejer in der politischen Repräsentation des römischen Staates zumindest für das 5. Jh. ein offensichtlicher Anachronismus sind und im Grunde erst seit 367 v. Chr. da einen legitimen Platz haben, muss ihr Auftreten in früherer Zeit für suspekt gelten.
Wann und wie auch immer das Volkstribunat entstanden sein mag, kann man aber wohl davon ausgehen, dass es vor der Zulassung der Plebejer zum Konsulat eingeführt wurde, denn mit dem gleichberechtigten Zugang zu den Magistraturen wurde ein plebejisches Spezialamt eigentlich obsolet. Das Volkstribunat hatte u. a. die Aufgabe, den patrizischen Senat und die patrizischen Magistrate ausbremsen zu können, aber das konnten nach dem gleichberechtigten Ämterzugang nun die plebejischen Magistrate dank der Kollegialität auch selbst. Auch die plebejischen Aedilen werden wohl tatsächlich früher eingeführt worden sein. Es spricht auch nichts dagegen, dass den Plebejern der Überlieferung entsprechend der Zugang zur Quaestur früher als der zum Konsulat gewährt wurde, denn die Patrizier werden wohl das Konsulat mit der größten Vehemenz verteidigt haben und könnten bei weniger wichtigen Magistraturen eher zu Zugeständnissen bereit gewesen sein.

Wenige Jahre später wurde se durch eine lex Canuleia aufgehoben.
Wobei freilich offenbleiben muss, wie wenig oder viel später diese lex tatsächlich erlassen wurde.
 
....falls es jemals ein Eheverbot gegeben hat.
Das ZTG kennt übrigends nur den patronus nicht die patricii und es kennt adsidui und proletarii. Überhaupt is ja gar nicht klar, wo nun die Unterschiede zwischen plebeiischen Geschlechtern und patricischen Geschlechtern liegen.

Das Volkstribunat wird meiner Meinung nach ähnlich entstanden sein, wie demokratische Reformen in Griechenland, nämlich im Zusammenhang mit militärischen Veränderungen. Die plebs erreichte irgendwann, das die tribuni militum von ihnen gewählt werden und nach 367 wandelten sie sich zu den politischen Vertretern der plebs.
 
Das ZTG kennt übrigends nur den patronus nicht die patricii und es kennt adsidui und proletarii.
Zum einen ist das Zwölftafelgesetz im Originalwortlaut nur höchst unvollständig überliefert, sodass wir gar nicht sagen können, ob der Ausdruck Patrizier nicht doch irgendwo vorkam. Zum anderen regelte es nun mal überwiegend Privatrecht, und da spielte die Standeszugehörigkeit kaum eine Rolle.

Überhaupt is ja gar nicht klar, wo nun die Unterschiede zwischen plebeiischen Geschlechtern und patricischen Geschlechtern liegen.
Die Zugehörigkeit zu einem der beiden Stände richtete sich nach der Zugehörigkeit zum Geschlecht. Wer in ein bestimmtes Geschlecht hineingeboren wurde, war dementsprechend Patrizier oder Plebejer. Da die Standeszugehörigkeit privatrechtlich abgesehen vom Eheverbot aber kaum Konsequenzen hatte, war es nur folgerichtig und zweckmäßig, im Gesetz stattdessen nicht auf die Standeszugehörigkeit, sondern auf sonstige Umstände abzustellen. Z. B. wird ein adsiduus, also ein steuerzahlender Grundbesitzer, zwar häufig Patrizier gewesen sein, aber zwingend war das nicht. Wenn also bei der Bürgschaft zwischen Begüterten und Unbegüterten unterschieden werden sollte (was sachlich durchaus zweckmäßig ist, denn die Bürgschaft eines Proletariers ist relativ wertlos), war es legistisch natürlich sinnvoll, auch die entsprechenden präziseren Ausdrücke adsidui und proletarii zu verwenden. Das gilt auch für das Verhältnis Patron-Klient: Zwar kann man wohl davon ausgehen, dass die Plebejer in der Regel Klienten irgendwelcher Patrizier gewesen sind, aber zwingend muss das nicht gewesen sein, es könnte auch Plebejer ohne Klientelstatus gegeben haben.

Das Volkstribunat wird meiner Meinung nach ähnlich entstanden sein, wie demokratische Reformen in Griechenland, nämlich im Zusammenhang mit militärischen Veränderungen. Die plebs erreichte irgendwann, das die tribuni militum von ihnen gewählt werden und nach 367 wandelten sie sich zu den politischen Vertretern der plebs.
Wieso sollten sie erst nach 367 ihre politische Bedeutung erlangt haben, als die Plebejer ohnehin schon Zugang zu den regulären Magistraten hatten? Sinnvoll war ein Spezialmagistrat für Plebejer doch vor allem zu einer Zeit, als ihnen die meisten sonstigen Magistrate noch verwehrt waren.
Was die Wahl der Militärtribunen anbelangt, so ist da einiges unklar. Gewählt wurden sie der Überlieferung zufolge ab ca. 361 v. Chr., aber anscheinend nicht alle, sondern einige wurden anscheinend weiterhin ernannt. Die Quellenlage dazu ist leider höchst vage. Davor wurden sie der Überlieferung nach zwischen 444 und 367 häufig mit konsularischer Gewalt als Konsulersatz gewählt, allerdings lässt sich dazu erst recht nichts Sicheres sagen.
Mit den Volkstribunen sollte man die Militärtribunen aber schon deswegen nicht vermengen, als beide Stände Zugang zum Militärtribunat hatten. Ein ziviler Ursprung des Volkstribunats scheint mir ohnehin wahrscheinlicher. Der Überlieferung nach standen den drei ursprünglichen tribus (Tities, Ramnes und Luceres) jeweils ein Tribun vor, und in der Tat legt das Wort "tribunus" einen Zusammenhang mit den römischen tribus nahe. Auch den angeblich von Servius Tullius eingeführten regionalen tribus sollen ursprünglich Tribunen vorgestanden haben.
 
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