Halbbarbaren?
Vielleicht war ihm seine (halb)vandalisch-germanische Herkunft sogar eher peinlich. So hat er sich jedenfalls verhalten.
Eigentlich war Abstammung bei den Römern zweitrangig. Man sah sich als Krone der menschlichen Gesellschaft, offen für alle Wertvollen und Tüchtigen. Römer zu werden war ein rechtlicher Vorgang, Herkunft und Hautfarbe zweitrangig. Er musste sich also weder schämen noch sollte es ihm peinlich sein. Immerhin war er „Römer durch Leistung“ (auch seines Vaters) und nicht durch „einfache Geburt“ geworden. Als Kind eines mit einer Römerin verheirateten Mannes (er dürfte somit das Bürgerrecht erhalten haben), galt er auch in Hinblick auf seine Geburt als vollwertiger Römer ohne jede Einschränkung! Er dürfte sich somit vermutlich voll und ganz als Römer gesehen haben.
Eine in vielerlei Hinsicht vergleichbare Persönlichkeit hatte auch einen „Skythen“ als Vater und eine römische Aristokratin als Mutter. Er lebte nach Stilicho, führte angeblich eine Riesenarmee von 60000 Hunnen zugunsten eines Usurpators für einen römischen Bürgerkrieg nach Italien und wurde später Heermeister und „Retter Roms“ auf den Katalaunischen Feldern. Ja genau, ich meine Aetius, dem Geschichtsschreiber den Beinamen „Der letzte Römer“ gegeben haben…
Man sollte die negative Betonung von Stilichos Herkunft eher im Kontext mit seinem Sturz sehen, wo es zu blutigen Pogromen gegen die wehrlosen Angehörigen von germanischen Römertruppen gekommen ist. Es ist vor allem eine nachträgliche Verurteilung des Gestürzten und in gewisser Hinsicht eine Rechtfertigung. Immerhin schlossen sich nach diesen Ereignissen sehr viele einst in römischen Diensten stehende Foederatenkrieger dem Alarich und seinen Westgoten an…
Gundobad kehrte in seine Heimat zurück und wurde Burgunderkönig.
Im Westen weniger, aber im Osten instrumentalisierten die germanischen Heermeister mitunter ihre Stammesgenossen für die innerrömischen Machtkämpfe.
Selbst wenn Stlicho zu einer solchen "Zusammenarbeit" bereit gewesen wäre, ist es doch die große Frage, ob er z.B. bei den Vandalen überhaupt Gehör gefunden hätte, die bei Gefahr der Unterwerfung durch die Hunnen zusammen mit den Sueben 407 über den Rhein nach Gallien flüchteten.
Gundobad kam aus dem burgundischen Königsgeschlecht und die burgundischen Foederaten waren die Basis seiner Macht als römischer Politiker. Das Reich war unter Stilicho im Krieg mit den Vandalen und sein Vater war vielleicht ein dediticti – Krieger (also ein unterworfener Vandale). Beides also keine Grundlage um auf „verwandtschaftlicher Basis“ Machtpolitik zu betreiben…
Dass die Vandalen vor (indirektem?) hunnischen Druck flohen ist jedenfalls sehr wahrscheinlich, immerhin wurden die Vandalen bereits im Kontext mit dem Zug des Radagais genannt, als dieser die Donau überschritt um seinem Schicksal bei Florenz entgegen zu ziehen. Es ist gut möglich, dass sich die Vandalen von ihm südlich der Donau trennten und nach Westen weiter zogen? Jedenfalls ziehen diese Schlussfolgerung unter anderen Peter Heather und ich meine sie auch im Kontext mit der Vandalenausstellung gehört/gelesen zu haben…
Das Königreich der Vandalen - ARTE
Hohe römische Offiziere „barbarischer Herkunft“ gab es schon sehr lange, spätestens seit der Reichskrise/Zeit der Soldatenkaiser. War es nicht bereits Kaiser Gallienus gewesen, der den Senatsadel von allen hohen militärischen Ämtern ausgeschlossen hatte und damit den Weg frei machte für tüchtige Offiziere, bei denen die Herkunft nicht mehr den hauptsächlichen Ausschlag über eine Beförderung gab? Im Übrigen waren fast alle „illyrischen Kaiser“ (etwa Aurelian, Diokletian oder Konstantin…) von einer wenig repräsentativen Herkunft und häufig eher Nachkommen peregriner „Hinterwäldler“ oder bestenfalls aus „niedrigen, römischen Verhältnissen stammend“. Da die Überlieferung halt überwiegend in den Händen der römischen Oberschicht liegt, spiegeln sich natürlich dort die Vorurteile dieser Gesellschaftsschicht wieder. ..