Strafen im Mittelalter

florian17160 schrieb:
Einverstanden. Aber da du gerade das römische Reich erwähnst. Waren es nicht jene, die die Grosskatzen, sprich Tiger, Löwen und was weiss ich noch alles fast zum ausrotten brachten? Und das nur wegen Brot und Spiele. Was ist denn nun schlimmer. Mal ein Schwein aufzuhängen, oder eine ganze Art aussterben zu lassen.
Um bei deinem Beispiel eine Wertung vornehmen zu können, muss man eigentlich entweder die die Aussage "Und das nur wegen Brot und Spiele" wegnehmen, da sie eigentlich schon eine Wertung impliziert, oder eine Begründung für das Aufhängen des Schweines hinzufügen. In ersterem Fall ist die Tötung von vielen Tieren gegenüber der Tötung von einem Tier natürlich eher zu verurteilen. Wurde das Schwein aufgehängt, weil es für strafmündig angesehen wurde, kann ich das nicht verstehen und muss es deswegen verurteilen, da ich Tieren nicht die Eigenschaft zuschreibe, die volle Verantwortung für ihr Handeln erkennen zu können. Wir bestrafen ja Kinder und geistig verwirrte Personen auch nicht wie "normale" Straftäter.

Außerdem habe ich das Problem, in der Gegenwart zu leben und in einem bestimmten Kultur- und Meinungskreis zu leben, sodaß ich weder die Zusammenhange der Vergangenheit voll begreifen kann, noch die Gründe nachvollziehen kann. Das "Wie" einer Auseinandersetzung mit Geschichte ist mE vom "Warum" zu trennen.

Werturteile sind ein heikles Thema, über das schon viel geschrieben wurde. Ich persönlich lehne es ab, der fernen Vergangenheit meinen moralischen Imperativ überzustülpen, auch wenn es sich nicht ganz vermeiden läßt, da in meine Interpretation immer heutige Ansichten hineinpfuschen werden. Aber ich versuche mit meinen Schwächen umzugehen, und bei der Frage nach einem Werturteil über die Vergangenheit werde ich eine eindeutige Antwort immer verweigern. Alles andere wäre mE Anmaßung.
 
Du schreibst zwar für einen normal sterblichen etwas kompliziert, aber ich habe verstanden.
Ich habe gerade ein Schinkenbrötchen vor mir.
Ist es nun wichtig dem Schwein zu erklären, das es für meinen Schinken sterben muss, oder dafür, das es ein blödes Schwein war?
Diese Prozesse im Mittelalter kann ich eigentlich nicht nachvollziehen. Ist es denn bewiesen, das es so einen Blödsinn gab?
 
Zuletzt bearbeitet:
florian17160 schrieb:
Du schreibst zwar für einen normal sterblichen etwas kompliziert, aber ich habe verstanden.
Ich habe gerade ein Schinkenbrötchen vor mir.
Ist es nun wichtig dem Schwein zu erklären, das es für meinen Schinken sterben muss, oder dafür, das es ein blödes Schwein war?
Diese Prozesse im Mittelalter kann ich eigentlich nicht nachvollziehen. Ist es denn bewiesen, das es so einen Blödsinn gab?
Nachdem der Schinken schon auf deinem Brötchen Platz genommen hat, erübrigt sich die Frage wohl. ;) Außerdem würde ich meinen, dass das Schwein die Erklärung, warum es jetzt Teil eines Schinkenbrötchens werden muss nicht verstehen würde. Aber ich bin ja auch keine Vegetarierin, die das nicht vor ihrem Gewissen verantworten könnte.

Die Prozesse gegen Tiere gab es offenbar wirklich:

http://www.asn-ibk.ac.at/bildung/faecher/geschichte/maike/mittelalter/MaVIII6.htm

http://www.kommunikation.unibe.ch/unipress/heft122/beitrag05.html
 
Aus dem LMA abgetippt, da ich zu doof fürn Copy&paste bin:

Tierprozesse( -strafen)
Es handelt sich um gerichtl. Verfahren gegen Tiere, die wie Menschen wegen einer Missetat strafrechtl. zur Verarntwortung gezogen wurden. Von den T.n sind Fälle zu unterscheiden, in denen aus rechtsrituellen Gründen Tiere bei der Hinrichtung eines zum Tode verurteilten MEnschen vernichtet worden sind, so z.B. das Mithängen von Hunden, das Mitertränken bei der Strafe des "Säckens" oder bei der Sodomie das Mitverbrennen des zur Unzucht mißbrauchten Tieres. Auch im im christl. Aber- und Dämonenglauben begründeten ma Tierverbrennungen gehören nicht zu den T.n. Diese begriffl. Eingrenzung vorausgesetzt, sind T. zwar für die griech. und nach einer umstrittenen Ansicht auch für die röm. Frühantike bezeugt, nicht aber für die germ. und frühma. Epoche. ERst im 13. Jh. kommen sie in Frankreich erneut auf und breiten sich von da an allmähl. über gan Westeuropa aus. Insgesamt geht es um Verfahren, in denen u.a. Haustiere wie Rinder und Schweine wegen begangener Verletzungen angeklagt und nach entsprechender Verurteilung gehängt, erwürgt, lebendig begraben, vebrannt, erschlagen, enthauptet ertränkt oder verstümmelt worden sind.-- Schwierig und noch keineswegs gelöst ist die die Frage, welches die Ursachen für die T. des SpätMA gewesen sind. Sicher dürfte sein, daß sie, anders als ind der Frühantike, weder rein sakraler NAur waren noch in der Anerkennung des Tieres als einem selbstverantwortl. handelnden Genossen des Menschen wurzelten. Die Entstehungsgründe fürften statt dessen in einer christl.-religiösen ( EX 21,28), mit aber- und wundergläubigen Elementen versetzten Weltanschauung zu suchen sein. (W.Sellert)


Lexikon des Mittelalters, Band 8, S.784f.
Verlag J.B. Metzler, 2000
 
Blücher schrieb:
So heute veröffentliche ich mein erstes Thema! Es ist eine Übersicht und Ergänzungen sind gerne gesehen. Im kurzen Maße werden die einzelnen Strafen erläutert,

[...]

Interessanter als die bloße Aufzählung der Strafen (man kann sich schon denken, dass die Menschen niemals Hemmungen hatten, auch die furchtbarsten Dinge an ihresgleichen zu vollziehen), wären doch Erklärungen, warum denn in diesem Maße gestraft wurde und was dahinter steckt (warum etwa reicht nicht ein schneller Tod, sondern wird die gesamte Prozedur auf höchste Weise schmerzhaft vollstreckt?). Spiegelnde Strafen wäre etwa ein Stichwort oder vielleicht auch Abschreckung (auch wenn ich mir da nicht sicher bin, ob das ein Argument war). Auch scheinen mir viele Strafen eher aus dem späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit zu stammen, während das frühe oder auch hohe Mittelalter häufig eher den Fall von "Schadensersatz" kannte als eine ausgeklügelte körperliche Bestrafung des Täters.
 
Ich weiß nicht ob es hier schon steht (unter gewissen Ausdrücken kann ich mir nichts vorstellen). Aber ich habe mal ein Bild gesehen, auf dem ein Mann mit dem Kopf nach unten aufgehängt war und in der Mitte auseinander gesägt wurde. :S Das grausligste (wenn man es so sagen kann) was ich je über Todesstrafen gelesen habe ereignete sich zwar nicht im Mittelalter aber im 16 jH in England. Da tötete man Katholiken auf entsetzliche weise.

Das Weltbild der Christen schien damals äußerst primitiv gewesen zu sein. Vor allem wegen dem strafenden Gott, der angeblich erfreut sein soll, wenn man angebliche Ketzer auf grausame weise foltert. Es gibt zwar ein Gebot das besagt, dass man nicht töten soll aber da es ja angeblich Ketzter (oder meistens Verschwörungsopfer) waren, konnte man ja eine Ausnahme machen.

Fragt sich nur, warum dann auch Mörder hingerichtet wurden, während die Richter doch genau so Mörder waren (und die Kirche sich mitschuldig gemacht hat). Viele der Richter, Hexenjäger etc. waren ganz einfach nur pseudo moralisch, die sich immer wieder Ausreden einfallen ließen wieso ihre Handlung gerechtfertigt war und nicht gegen die Gebote verstieß. Ich könnte noch weiter schreiben aber ich denke ich würde mich dann zu sehr in der Tehologie verirren.

Was ich eigentlich zusammengefasst sagen möchte ist, dass ich es einfach nicht verstehe, dass man Menschen grausam tötete oder folterte, für Verbrechen an denen sie oft gar nicht schuldig waren (nur weil die Richter oft genug schlampig gearbeitet haben). Dass man angeblich nicht gegen Gebote verstoßen darf und ein guter Christ sein müsse aber viele Menschen genau das Gegenteil taten aber zu blöd waren es zu merken.
 
LaLoca schrieb:
Das Weltbild der Christen schien damals äußerst primitiv gewesen zu sein. Vor allem wegen dem strafenden Gott, der angeblich erfreut sein soll, wenn man angebliche Ketzer auf grausame weise foltert. Es gibt zwar ein Gebot das besagt, dass man nicht töten soll aber da es ja angeblich Ketzter (oder meistens Verschwörungsopfer) waren, konnte man ja eine Ausnahme machen.

Zunächst ist klarzustellen, dass die Folter im Mittelalter nicht als Bestrafung galt, sondern als legitimes Mittel zur Erlangung eines Geständnisses. Es ist immer sehr gewagt, gegenwärtig gültige moralische Vorstellungen auf andere Epochen übertragen zu wollen. Deshalb ist es auch eine heikle Sache, die Weltanschauung des mittelalterlichen Menschen als primitiv zu bezeichnen. :)

LaLoca schrieb:
Was ich eigentlich zusammengefasst sagen möchte ist, dass ich es einfach nicht verstehe, dass man Menschen grausam tötete oder folterte, für Verbrechen an denen sie oft gar nicht schuldig waren (nur weil die Richter oft genug schlampig gearbeitet haben). Dass man angeblich nicht gegen Gebote verstoßen darf und ein guter Christ sein müsse aber viele Menschen genau das Gegenteil taten aber zu blöd waren es zu merken.

Dass die Welt ungerecht ist, ist eine Tatsache, die sich nicht auf das Mittelalter beschränkt, sondern sich wie ein roter Faden durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht. Ich möchte nicht wissen, wie viele Unschuldige selbst heute noch in Todeszellen auf ihre Hinrichtung warten. Dass die Justiz nicht immer unvoreingenommen im Bezug auf den Status des Angeklagten war, ist auch etwas, was immernoch aktuell ist. Ein Beispiel aus dem 20. Jahrhundert ist die Weimarer Republik, wo die Justiz auf dem rechten Auge blind war, wie man so schön sagt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist klar, dass noch viele unschuldige Menschen hingerichtet werden. Aber in in den meisten Ländern der Erde ist Todesstrafe verboten. Folter und Hinrichtungen gab es im Mittelalter deswegen kann ich Folter und Hinrichtungen auch mit Mittelalter verbinden.

Ich denke schon dass die meisten Menschen in Sachen Folter und Hinrichtung anders dachten als die meisten Menschen heute. Ich übertrage gewisse gültige moral Vorstellung deswegen auf andere Epochen weils es Dinge gibt die sich nie wirklich ändern oder wenig ändern. Es wird immer Menschen geben die foltern und morden.

Es ist nicht leicht zu erklären was ich meine. Außerdem würde es schon mehr Sache der Theologie sein.
 
LaLoca schrieb:
Ist klar, dass noch viele unschuldige Menschen hingerichtet werden. Aber in in den meisten Ländern der Erde ist Todesstrafe verboten. Folter und Hinrichtungen gab es im Mittelalter deswegen kann ich Folter und Hinrichtungen auch mit Mittelalter verbinden.

Ich denke schon dass die meisten Menschen in Sachen Folter und Hinrichtung anders dachten als die meisten Menschen heute. Ich übertrage gewisse gültige moral Vorstellung deswegen auf andere Epochen weils es Dinge gibt die sich nie wirklich ändern oder wenig ändern. Es wird immer Menschen geben die foltern und morden.


Ich glaube, ich verstehe schon, was du meinst. ;) Klar ist, dass es in der Tat Vorstellungen und Regeln gibt, die sich in ihren Grundzügen kaum ändern. Vergleicht man jedoch das mittelalterliche mit dem modernen Weltbild, wird für mich ein erheblicher Untschied deutlich und aus diesem Grund würde ich nicht so weit gehen, die Gerichtsbarkeit des Mittelalters nach heutigen Maßstäben bewerten zu wollen. Dass Grausamkeiten begangen wurden, steht außer Frage, da stimme ich dir auch zu.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Wenn irgendwo, dann dort. Vielleicht erbarmt sich ja jemand und schlägt mal auf die schnelle nach.

Sellert, W.: Tierprozesse (-strafen), in LMA Bd. 8, Sp. 784-785.

Es handelt sich um gerichtl. Verfahren gegen Tiere, die wie Menschen wegen einer Missetat strafrechtl. zur Verantwortung gezogen wurden. Von den T.n sind Fälle zu unterscheiden, in denen aus rechtsrituellen Gründen Tiere bei der Hinrichtung eines zum Tode verurteilten Menschen vernichtet worden sind, so z. B. das Mithängen von Hunden, das Mitertränken bei der Strafe des »Säckens« oder bei der Sodomie das Mitverbrennen des zur Unzucht mißbrauchten Tieres. Auch die im christl. Aber- und Dämonenglauben begründeten ma. Tierbannungen gehören nicht zu den T.n. Diese begriffl. Eingrenzung vorausgesetzt, sind T. zwar für die griech. und nach einer umstrittenen Ansicht auch für die röm. Frühantike bezeugt, nicht aber für die germ. und frühma. Epoche. Erst im 13. Jh. kommen sie in Frankreich erneut auf und breiten sich von da an allmähl. über ganz Westeuropa aus. Insgesamt geht es um Verfahren, in denen u.*a. Haustiere wie Rinder und Schweine wegen begangener Verletzungen angeklagt und nach entsprechender Verurteilung gehängt, erwürgt, lebendig begraben, verbrannt, erschlagen, enthauptet, ertränkt oder verstümmelt worden sind. - Schwierig und noch keineswegs gelöst ist die Frage, welches die Ursachen für die T. des SpätMA gewesen sind. Sicher dürfte sein, daß sie, anders als in der Frühantike, weder rein sakraler Natur waren noch in der Anerkennung des Tieres als einem selbstverantwortl. handelnden Genossen des Menschen wurzelten. Die Entstehungsgründe dürften statt dessen in einer christl.-religiösen (Ex 21, 28), mit aber- und wundergläubigen Elementen versetzten Weltanschauung zu suchen sein.

Literatur dazu:
  • HRG V, 237ff.
  • K. v. Amira, Tierstrafen und T., MIÖG 12, 1891, 545ff.
  • E.P. Evans, The Criminal Prosecution and Capital Punishment of Animals, 1906
  • H.A. Berkenhoff, Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung im MA, 1937
  • H.*Thoma, Ein Gottesgericht an Tieren, ZRGGermAbt 70, 1953, 325-329
  • W.*Sellert, Das Tier in der abendländ. Rechtsauffassung (Studium generale, Vorträge zum Thema Mensch und Tier, Tierärztl. Hochschule Hannover, 1984), 6-84.
 
oftmals ging es bei der 'rechtsprechung' in der vergangenheit nicht um die bestrafung der begangenen tat an sich, sondern um die ahndung des verbrechens, dem gebot des landesherren nicht gefolgt zu sein. also nicht die art oder schwere der tat war das wichtige, sondern die (fast persönliche) missachtung seines herren.
die aburteilung des täters diente mehr der machterhaltung und -demonstration des jeweiligen machthabers, als der rechtsprechung. so sind auch die vielen unangemessenen bzw. unterschiedlichen strafmasse zu erklären, die sich eher an den interessen der landesherren in der jeweiligen angelegenheit orientierten, als an einer, der eigentlichen tat entsprechenden, bestrafung.
 
Hm, witzig finde ich dass man hingegenheute die Tiere eher für bescheuert hält. :grübel: Hat zwar jetzt nicht unmittelbar etwas mit dem Mittelalter zu tun aber in dem Buch Cautio Criminalis von Friedrich Spee, wird die Situation der Hexenverfolgung im Barock deutlich gemacht. Da beschrieb er auch das Verhalten der meisten Richter. Würd das Buch mal lesen ist äußerst aufschlussreich. Außerdem ist Friedrich ja ein Zeitzeuge und war Seelensorger von sogenannten Hexen (und Ketzer).

Damals ließ man den Richtern mehr Kontrolle als heute. Die Richter hatten mehr Macht, die sie auch missbrauchten.
 
Hallo LaLoca,

meines Erachtens machst Du es Dir etwas zu einfach - wenngleich ich vermute, daß es sich verallgemeinerter und plakativer liest als von Dir beabsichtigt... :winke:

LaLoca schrieb:
Ist klar, dass noch viele unschuldige Menschen hingerichtet werden. Aber in in den meisten Ländern der Erde ist Todesstrafe verboten. Folter und Hinrichtungen gab es im Mittelalter deswegen kann ich Folter und Hinrichtungen auch mit Mittelalter verbinden.

Gegenfrage: warum verbindest Du dies ausgerechnet mit dem Mittelalter? Folter und Hinrichtungen gab es mW schon vorher in nicht viel geringerem Maße, gab es in nicht minderem Maße ebenso ab der Frühen Neuzeit - und dies die gesamte Neuzeit hindurch. Und - nicht zuletzt auch wichtig - es gibt dies auch heute noch!

LaLoca schrieb:
Ich denke schon dass die meisten Menschen in Sachen Folter und Hinrichtung anders dachten als die meisten Menschen heute.

Der Mensch des Mittelalters dachte überhaupt in vielen Dingen anders als der Mensch von heute... :grübel:

LaLoca schrieb:
Ich übertrage gewisse gültige moral Vorstellung deswegen auf andere Epochen weils es Dinge gibt die sich nie wirklich ändern oder wenig ändern. Es wird immer Menschen geben die foltern und morden.

Wie Du selbst - etwas widersprüchlich zu Deinem obigen Satz - relativierst, sind Folter, Hinrichtung, Mord und Totschlag nicht mittelalterspezifisch bzw. mittelaltertypisch, denn sie sind Formen der Gewalt, die nun einmal leider Gottes zeitlos ist.
Die Übertragung von bestimmten Moralvorstellungen ist zwar nicht unzulässig, hat jedoch ihre Tücken - gerade auch, wenn es ums Mittelalter geht! Sicherlich haben bspw. Christen gemäß ihres Glaubens sich nicht so zu verhalten wie Leute jener Zeit, die doch selbstredend auch Christen waren. Der Punkt ist aber, daß man damals eben an Dinge glaubte wie gerechte Kriege zur Verteidigung des Glaubens (wobei Verteidigung nicht einmal wörtlich zu nehmen ist), Kampf gegen "Ungläubige" als gottgefälliges Werk, Bekämpfen des Unglaubens mit allen Mitteln zur Wahrung des Glaubens... und dies alles vor dem Hintergrund, daß man seinen eigenen Glauben für den einzig wahren Glauben hielt und so etwas wie interreligiösen Dialog und/oder Ökumene nicht kannte!
Außerdem waren die Menschen des Mittelalters - im Gegensatz zu uns heutigen Menschen - nicht durch ein humanistisches Weltbild geprägt bzw. beeinflußt...

LaLoca schrieb:
Es ist nicht leicht zu erklären was ich meine. Außerdem würde es schon mehr Sache der Theologie sein.

Theologische Aspekte sind durchaus hilfreich; allerdings - vgl. meine Ausführungen eben - bringt es wenig, dies vor dem Hintergrund der modernen Theologie (geprägt durch Humanismus, Auseinandersetzung mit dem Atheismus, Interreligiösen Dialog bzw. Ökumene etc.) zu betrachten. Dazu ist gewisse Kenntnis der Theologie des Mittelalters - oder genauer gesagt: theologischer Entwicklungen und Tendenzen im Mittelalter - unbedingt notwendig!

LaLoca schrieb:
Damals ließ man den Richtern mehr Kontrolle als heute. Die Richter hatten mehr Macht, die sie auch missbrauchten.

Dazu erlaubst Du mir dann aber bitte noch eine Frage: Du weißt aber schon, daß die Einführung der Inquisition im Hohen Mittelalter die Macht des Richters einschränkte, da erstmals(!) Verteidigungsreden und Zeugenverhöre zum Tragen kamen?
Vgl. dazu auch http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=4573

Das war ein langer Beitrag; mußte aber an der Stelle sein :fs:

In diesem Sinne

Timo
 
Nochmal Strafen gab es vorher auch immer aber nicht das Christentum. Es ist einfach ziemlich Wiedersprüchlich wenn man einerseits gelehrt bekommt, dass man nicht tötet und barmherzig ist aber genau so gelehrt bekommt dass man töten und unbarmherzig sein soll. Passt doch irgendwie nicht oder? Wenn man nicht töten soll und barmherzig sein soll, dann dürfte es nie zu grausamen Folterungen oder Mord kommen, dem war aber oft so und das noch auf grausame Art und Weise. Inquisitatoren waren genau so Richter der einzige Unterschied war, dass sie keine weltlichen Richter waren und dass Ketzer nach der Verurteilung den weltlichen Gerichtsbarkeiten übergeben wurden und die dann das Urteil vollstreckten (konnte die Kriche auch gleich selber machen) aber das hätte ja net gut ausgesehen.
 
LaLoca schrieb:
Nochmal Strafen gab es vorher auch immer aber nicht das Christentum. Es ist einfach ziemlich Wiedersprüchlich wenn man einerseits gelehrt bekommt, dass man nicht tötet und barmherzig ist aber genau so gelehrt bekommt dass man töten und unbarmherzig sein soll. Passt doch irgendwie nicht oder? Wenn man nicht töten soll und barmherzig sein soll, dann dürfte es nie zu grausamen Folterungen oder Mord kommen, dem war aber oft so und das noch auf grausame Art und Weise.

Dann ich auch nochmal: Du darfst das nicht aus dem Blickwinkel des heutigen Denkens und der modernen Theologie betrachten! Außerdem ist auch hier besonders der historische Kontext zu beachten... :fs:
Alles dreht sich doch um die Frage, warum Christen überhaupt für sich das Recht in Anspruch nehmen konnten, Gewalt auszuüben, wo dies doch eigentlich ihrem Glauben widerspricht.
Grob gesagt beginnt es paradoxerweise damit, daß zum Ausgang der Spätantike Kaiser Konstantin I. die Religionsfreiheit garantiert (313 Toleranzedikt von Mailand) und Kaiser Theodosius das Christentum zur Staatsreligion erhebt (392). Bereits innerhalb kürzester Zeit - man kann sagen fast automatisch - lernt die Kirche zu denken wie der Staat selbst: jegliche Angriffe auf den Staat bringen auch die Kirche, ihre Gläubigen und damit den Glauben in Gefahr! Aus diesem Grund muß zumindest Notwehr erlaubt sein - so der weitere Gedankengang.
Aus diesen Überlegungen heraus formuliert der Hl. Augustinus die Lehre, wann Gewalt gerechtfertigt ist, und ihr Kernsatz lautet sinngemäß: wenn alles zum Wohle des Gegners gerichtet ist, was in damaliger Sicht heißt, den Ungläubigen zu unterwerfen, um dessen unsterbliche Seele zu retten!
Anm.: bei Augustinus muß unbedingt in diesem Zusammenhang auch beachtet werden, daß zu seiner Zeit noch relativ unreflektiert auch auf das Alte Testament zurückgegriffen wurde, wo der gerechte Krieg (Stichwort: Zorn Gottes) geradezu verherrlicht wird!
Später baut man auf diesem Fundament weiter auf: es kann keine Sicherheit herrschen, wo der Glaube bedroht ist - und zu dieser Zeit ist der Glaube (lax formuliert) tatsächlich ständig bedroht. Und zwar von Ungarn, Wikingern, Slawen, Sarazenen...
Zu Zeiten des Reformpapsttums im 11. Jh. heißt es bereits, daß der Kampf gegen die Bösen (Heiden) nicht Verfolgung derselben bedeute, sondern ein Gebot von Güte und Menschlichkeit sei. Damit dürfe die Kirche auch den Befehl geben zu kämpfen, zu verfolgen und gegebenenfalls Beute zu machen!

Und zwischen 1. und 2. Kreuzzug sagt der Hl. Bernard de Clairvaux:

Bernard de Clairvaux schrieb:
Man sollte Heiden natürlich ebensowenig töten wie andere Menschen, wenn es denn ein anderes Mittel gibt, ihre Einfälle abzuwehren und sie daran zu hindern, Gläubige zu unterdrücken. Aber es ist besser, sie umzubringen, als die Zuchtrute der Sünder über den Häuptern der Gläubigen schweben und die Gerechten Gefahr laufen zu lassen, daß auch sie ungerecht handelten.

Auch wenn es bei diesen Aussagen primär um den gerechten Krieg geht, so ist doch die Rechtfertigung von Gewalt im Namen des Glaubens - in welcher Form auch immer - direkt ableitbar. Natürlich ist dies mit dem urchristlichen Denken wie auch dem heutigen vom Pazifismus geprägten Christentum nicht in Einklang zu bringen, doch genau das ist der Punkt: es gab einen Wandel vom Urchristentum zum Christentum als Staatsreligion und über mehrere Etappen auch einen Wandel vom Christentum im Mittelalter zu dem von heute...

Anm. noch dazu: das Christentum gab es natürlich nicht erst im Mittelalter, denn seine Anfänge liegen in der Spätantike - wie übrigens auch die Anfänge der Lehre vom gerechten Krieg (s. Augustinus). Das Christentum im Mittelalter bediente sich also einer Art "Tradtion"; aber das nur nebenbei...

LaLoca schrieb:
Inquisitatoren waren genau so Richter der einzige Unterschied war, dass sie keine weltlichen Richter waren und dass Ketzer nach der Verurteilung den weltlichen Gerichtsbarkeiten übergeben wurden und die dann das Urteil vollstreckten (konnte die Kriche auch gleich selber machen) aber das hätte ja net gut ausgesehen.

Mit keinem Wort habe ich behauptet, daß Inquisitoren keine Richter gewesen wären, aber das bloß am Rande...
Ich verweise diesbezüglich nochmals auf das bereits verlinkte Parallelthema, welches klarmacht, daß die Gerichtsbarkeit der Inquisition seinerzeit kein Rückschritt war, sondern genau das Gegenteil. Und die Sache mit der Vollstreckung der Urteile durch den "weltlichen Arm" entspricht mW ganz der typischen Dreiteilung der mittelalterlichen Gesellschaft: Kämpfende (Adel, Ritter), Betende (Kirche, Geistlichkeit), Arbeitende (gemeines Volk).

Zum Schluß hätte ich noch eine kleine Bitte: könntest Du auf Polemiken wie "aber das hätte ja nicht gut ausgesehen" in Zukunft verzichten? Das Thema ist zu ernst, um mit solchen Worten um sich zu werfen - ist jedenfalls meine Meinung. Danke...
 
Zuletzt bearbeitet:
Als Jurist ist war es mir ein besonderes Vergnügen die Beiträge über die Tierstrafen zu lesen.
Ich wusste zwar rudimentär, dass es so etwas gab, war mir dessen aber nicht mehr bewusst.

Dabei halte ich es mit einem meiner Vorredner/innen.

Tierstrafen dürften nicht das Produkt einer Vermenschlichung des Tieres gewesen sein, sondern eher ein Produkt aus Aber- und Wunderglaube. Insofern dürfte es meines Erachtens auch einen Zusammenhang mit dem sogenannten "Sündenbock" geben. Einem Ziegenbock, dem ein Dorf die Verfehlungen seiner Bewohner auflud (auch schriftlich niedergeschrieben und diese auf den Rücken gebunden) und diesen dann in die Wüste trieb, so dass dieser schließlich für die Sünden des Dorfes büste.

Es ging bei diesen Tierprozessen wohl eher darum das Geschehen zu sühnen, als einen Schuldigen zu finden und zu bestrafen - nur hatte man eben lediglich das Tier als solches.

Stellt sich für mich eine Frage:

In den Hexenprozessen des Mittelalters gab es schließlich mannigfaltige Anschuldigungen gegen Unschuldige, nur um diesen eines auszuwischen, bzw. diesen zu schaden um so günstig einen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen und günstig an dessen Hab und Gut zu kommen.

Kann es nicht sein, dass Tierprozesse auch deshalb manchen sehr gelegen kamen, die dadurch etwaigen Konkurrenten erheblichen Schaden zufügen konnten. Schließlich waren Tiere zur damaligen Zeit ein wertvoller, wenn nicht sogar der wertvollste Besitz.

In diesem Zusammenhang wird es wohl rechtlich nicht möglich gewesen sein über die "Täterschaft" des Tieres mittels eines rechtlichen Konstrukts zu einer "Täterschaft" seines Besitzers zu gelangen.
Außerdem dürfte sich die Verteidigung des Tieres in Grenzen gehalten haben.
Also dürfte es auch genuitzt worden sein - bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege.

@timotheus:

Wenn es zur damaligen Zeit zu einer Verbesserung kam hinsichtlich der Möglichkeit eine Verteidigung aufzubauen, bzw. die Möglichkeit einer Verteidigung zu nutzen, war eine solche Möglichkeit nierdergeschrieben oder musste man auf die Gnade des Gerichts hoffen, dass eine solche zugelassen wird?
 
Wellington schrieb:
@timotheus:

Wenn es zur damaligen Zeit zu einer Verbesserung kam hinsichtlich der Möglichkeit eine Verteidigung aufzubauen, bzw. die Möglichkeit einer Verteidigung zu nutzen, war eine solche Möglichkeit niedergeschrieben oder musste man auf die Gnade des Gerichts hoffen, dass eine solche zugelassen wird?
Ich bin zwar nicht Timotheus, aber ich erlaube mir trotzdem eine Antwort.
Ich behaupte, dass eine Verteidigung sogar im Interesse insbesondere der Inquisitionsgerichte war. Denn es ging ja nicht darum - zumindest in der Therorie nicht - Schrecken zu verbreiten, sondern verlorene Seelen zu retten. "Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen." Lk 15,7.
 
So, und ich bin Timotheus, so daß ich auch noch antworten will - wiewohl ich dem Beitrag El Quijotes an sich kaum noch etwas hinzuzufügen habe. Danke dafür :hoch: :hoch: :hoch:

@Wellington:
Vereinfacht gesagt kannst Du Dir ein Inquisitionsgericht in Zusammensetzung und Funktion grundsätzlich fast so vorstellen wie ein heutiges Gericht im westlichen Europa.
Es gibt einen Richter, der letztendlich das Urteil zu fällen hat, es gibt eine Anklage, welche eben die Anklageschrift vorträgt, und es gibt eine Verteidigung mit ihrem Verteidigungsplädoyer (einmal abgesehen davon, daß man sich damals noch selbst verteidigen konnte und dies auch oftmals tat). Um zur rechtsgültigen Wahrheit zu gelangen, wurden Zeugen verhört - was es eben vorher ebenfalls so nicht gab! :grübel:

Und auch wenn das jetzt eine vereinfachte Darstellung war (die ich keineswegs als umfassend oder gar vollständig bezeichnen würde), so hatte doch per se ein Inquisitionsgericht genau so und nicht anders abzulaufen... :fs:
 
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