A
amicus
Gast
Das Jahr 133 v.Chr. wird häufig, ich glaube Theodor Mommsen hat diesen Begriff geprägt, als Beginn der Epoche der Römischen Revolution bezeichnet. Ist dieser Begriff überhaupt für die damaligen Ereignisse angemessen?
Ich gebe im Folgenden einen Überblick über die Ereignisse des Jahres 133 v.Chr. und der Vorgeschichte.
Vorgeschichte
Die Römische Armee bestand bekanntermaßen ja überwiegend aus Bauern. Zu Beginn der römischen Expansion waren die Dauer der Kriege und die Entfernungen der Feldzüge noch von relativ kurzer Dauer; der Sommer war quasi Feldzugssaison.
Seit den Punischen Kriegen aber kämpften römische Soldaten mitunter monate- und manchmal sogar jahrelang in Spanien, Afrika oder Griechenland. Das Risiko war für die Soldaten hoch. Viele von ihnen starben im Kampf, an Krankheiten oder bloßer Erschöpfung. Von denen, die den Feldzug überlebten kehrten nicht wenige als Krüppel zurück. Ihr Stolz, mit eigenen Waffen als freie Männer für die römische Sache zu kämpfen, verbrauchte sich bald aber immer mehr in den Mühen und Gefahren beständiger Kriege und den damit verbundenen sozialen erheblichen Nachteilen. Viele Bauern blieben jetzt also deutlich länger im Krieg. Sie fehlten auf ihren Höfen.
In der Heimat konnte die Ehefrau des Legionärs trotz der Hilfe der Kinder die anfallenden Arbeiten kaum bewältigen. Nicht selten musste das Ackerland brach liegen. Viele Höfe ernährten dann die oft kinderreichen Familien nicht mehr. Den Heimkehrern gelang es meistens nicht, den drohenden Ruin vom verschuldeten Hof abzuwenden. Immer mehr Bauern gaben ihren Hof auf und zogen trotz ungesicherter Zukunft mit ihrer Familie nach Rom. Hier hofften sie, als Tagelöhner Arbeit zu finden.
Durch Verschuldung übernahmen deswegen reiche Adlige ganze Landstriche gegen geringen Pachtzins. Tausende Kriegsgefangene kamen als Sklaven nach Rom. So waren genügend billige Arbeitskräfte auf den riesigen Landgütern, den latifundien, verfügbar. Diese Flächen eigneten sich hervorragend für Ackerbau und Viehzucht. Die Bauern eroberten große Teile der damaligen Welt, profitierten aber nicht davon, sondern verarmten dabei noch.
Die Landwirtschaft entwickelte sich immer mehr zu einer wichtigen Geldquelle. Die großen Kornspeicher, die die Stadt mit Getreide versorgten, gehörten Landbesitzern, die selbst nicht anwesend waren, sondern den Betrieb von Aufsehern führen ließen, die ihrerseits die Arbeit durch Sklaven verrichten ließen.
Die Verwalter bewirtschafteten mit zahlreichen Sklaven und Tagelöhnern selbstständig diese Güter. Die adligen Herren konnten sich so ganz der Politik in Rom oder der Verwaltung der eroberten Gebiete widmen.
Schon der Römische Geschichtsschreiber Appian schrieb dazu:
So begann sich in Rom eine frühkapitalistische Klassengesellschaft herauszubilden.
Ebenso reich wie manche Adlige waren oft die Mitglieder des Ritterstandes, die Publikane. Ihnen gehörten große Handels- und Transportunternehmen, Reedereien, handwerkliche Großbetriebe und die Banken. Eine zusätzliche Einnahmequelle bildete für die meisten der Einzug der Steuern in den Provinzen. Viele beuteten hier die unterworfene Bevölkerung schamlos aus. Darin standen sie in nichts den adligen Provinzstatthaltern nach, die ihr Amt dazu verführte, sich zu bereichern. Auch machten die Verlockungen des Luxus manchen blind für die Not der anderen, sogar im eigenen Land.
Diese massenhafte Verarmung der Bauern führte zusätzlich zu Engpässen bei der Rekrutierung von Legionären, erstmals merklich spürbar während der spanischen Kriege in der Mitte des 2.Jahrhunderts. Der Grund dafür war vor allem, das die verarmten Bauern an den für den Kriegsdienst notwendigen Zensuskriterien scheiterten. Sie konnten nicht aus eigenen Mitteln eine Rüstung finanzieren.
Eine weitere für de Bestand des römischen Kleinbauerntums ungünstige Entwicklung lag im Aufhören der von Rom im Zuge seiner Expansion in Italien betriebenen Siedlungspolitik. Der Senat hatte in den vergangenen Jahrhunderten durch Koloniegründungen und Landzuweisungen immer wieder neue Kleinbauernsstellen für bedürftige Bürger geschafften. Während die Schaffung neuer Kleinbauernstellen also wegfiel, gerieten also die vorhandenen immer stärker unter Druck (Heftner).
Stattdessen wurden die Ländereien, die sich im ager publicus befanden an die Meistbietenden verpachtet oder an Interessenten gegen Gebühr zur Okkupation freigegeben.
Der Versuch des Tiberius Gracchus, die alten Zustände wieder herzustellen
Da Tiberius zu den berühmtesten Familien Roms gehörte, hatte er eigentlich die aller besten Aussichten auf eine erfolgreiche typische römische Karriere. Die Mutter von Tiberius Gracchus, Cornelia, war nämlich die Tochter des Publius Cornelius Scipio Africanus, den Bezwinger Hannibals. Tiberius war des Weiteren über seine Schwester Sempronia Schwager von Publius Cornelius Scipio Aemilianus, der durch Adoption in das Cornelier-Geschlecht kam und von Geburt her Aemilianer war. So war Tiberius mit zwei berühmten Geschlechtern verwandt.
Was hat Tiberius also im Gegensatz zu einem größeren Teil der Aristokratie gebracht? Zunächst ist festzuhalten, das Tiberius Gracchus nicht der Erste war. Laelius war dies, der sich wenige Jahre zuvor um eine Korrektur der Missstände bemührt.
Plutarch führt aus, das Tiberius Gracchus im Jahre 137 v.Chr. auf seine Reise nach Numantia in Etrurien beobachtet hat, wie verödet das Land war und gesehen hat, das auf den Feldern keine Einheimischen, sondern Sklaven gearbeitet haben.
In jenem Jahr 137 v.Chr. bekleidete Tiberius das Amt des Quästors in Spanien. Er hat dort für den unfähigen Konsul Mancinus einen schmachvollen Vertrag aushandeln müssen, damit die dortige Armee vor einer sinnlosen Vernichtung bewahrt wird. Auch wenn Tiberius persönlich nicht für diese Katastrophe verantwortlich war, so blieb dieser Vorgang doch wie ein Makel an ihm hängen. In Rom war man gar nicht zufrieden. Seine Karriere hatte auf jeden Fall eine Delle bekommen.
Tiberius seine politischen Aktivitäten der Jahre 136 v.Chr. bis 134 v.Chr. sind nicht genau überliefert, aber man kann wohl davon ausgehen, das er in dieser Zeit sein Programm ausgearbeitet hat und gleichzeitig Unterstützung für dieses gesucht hat. Im Jahr 133 v.Chr. erhielt Tiberius als Volkstribun seine zweite Chance und vielleicht erklärt dies seine Entschlossenheit, mit der er seine Ziele verfolgte.
Als Tiberius im Jahr 133 v.Chr, Volkstribun geworden war, legte er auch gleich los. Er legte quasi gleich nach Amtsantritt einen Gesetzentwurf vor, der die Nutzung öffentlichen Landes, die ager publicus, durch einzelne Bürger begrenzte. Eigentlich war es geübter Brauch, einen Gesetzentwurf erst den Senat zuzuleiten. Die Regelungen von Tiberius Gesetzesentwurf sahen eine Obergrenze von 125 Hektar für einen einzelnen Römer vor. Trotzdem formierte sich Widerstand, da es ganz offenkundig nicht wenige einflussreiche Nutzer gab, die diese Grenze deutlich überschritten.
Die Ländereien sollten Neusiedlern aus den besitzlosen Bevölkerungskreisen durch eine Ackerkommission zugewiesen werden. Die Größe der Höfe sollte so bemessen sein, das sie ausreichte, um die Familie zu ernähren.
Tiberius begann mit einer intensiven Agitation für sein Projekt, womit die öffentliche Diskussion angeheizt wurde.
Hier eine Rede des Tiberius:
Im Frühjahr 133 v.Chr. sollte auf der Volksversammlung über den Gesetzentwurf abgestimmt werden. Ein Kollege von Tiberius, der Vokstribun Octavius, legte aber sofort sein Veto ein.
Octavius hatte den massiven Drängen der interessierten Kreise nicht widerstehen können. Plutarch betont in seinen Überlieferungen, das Octavius eigentlich ein Mann Tiberius war, aber wie genau er dazu bewogen wurde, seine Überzeugung aufzugeben, ist nicht bekannt. Nach dem Veto wurde die Volksversammlung aufgelöst. Der Auseinandersetzung eskalierte nun. Tiberius verhinderte fortan mit Hilfe seine Amtsgewalt als Reaktion alle staatlichen Handlungen. Die Senatoren legten Trauerkleidung an, um zu zeigen, dass der Staat gefährdet sei und verteidigt werden müsse. Tiberius trug nun demonstrativ eine Waffe, um zu zeigen, das sein Leben in Gefahr sei. In dieser gereizten Atmosphäre wurde eine weitere Volksversammlung einberufen. Dort baten zwei ehemalige Konsuln Tiberius darum, seine Anliegen im Senat vorzutragen. Doch der Senat war absolut kompromisslos und Tiberius hatte nur die Wahl der vollkommenen Aufgabe seines Programms, also auch das Gesicht in der Öffentlichkeit zu verlieren oder den Konflikt auf die Spitze zu treiben.
Er berief erneut eine Volksversammlung mit dem Tagesordnungspunkt der Absetzung des Volkstribuns Octavius. Tiberius begründetet dies Ansinnen damit, dass ein Volkstribun die Interessen des Volkes zu vertreten habe oder er gehe seines Amtes verlustig. Tiberius versuchte auf der Versammlung durch Bitten und Apelle Ocativius, während die Abstimmung lief, doch noch dem Gesetzesentwurf zuzustimmen. Ocativius wollte nicht und das Volk setzte Ocativus mit großer Mehrheit ab. Der neu gewählte Volkstribun stimmte dann der Gesetzesvorlage zu. Für die Ackerlandkommission wurde Claudius Pulcher, Tiberius Bruder Gaius und Tiberius selbst gewählt.
Die Tätigkeit der Ackerlandkommission gestaltete sich aber dann doch sehr schwierig. Zu einem gab es immer wieder Streitigkeiten über die Klärung der Eigentumsverhältnisse. Damit waren Gerichtsverfahren in Sicht und die Arbeit der Kommission kam nicht von der Stelle. Des Weiteren gab es finanzielle Probleme, denn die Römer, die angesiedelt werden sollte, benötigen dringend eine Starthilfe und der Senat war selbstverständlich nicht bereit Geldmittel zu bewilligen.
In dieser Situation nutzte Tiberius die Chance, die sich aus Attalos Erbe, der König von Pergamon, bot. Er brachte ein Gesetz in der Volksversammlung durch, dass die Finanzmittel aus Attalos Erbe für die Realisierung des Agrargesetzes verwendet werden sollen.
Es wurde immer klarer, das, wenn Tiberius seine Amtszeit abgelaufen ist, ihm Teile der Nobilität vor Gericht zerren würden und dort entsprechend belangen und für die Römische Gesellschaft erledigen würden. Auch hat Tiberius Gracchus um sein Leben gefürchtet, wenn er nicht mehr Volkstribun ist, denn als solcher stand er unter dem Schutz der Götter. Tiberius hat dann den Ausweg durch eine verfassungswidrige zweite Amtszeit suchen wollen. Dann wurde das vernichtende Gerücht in die Welt gesetzt, Tiberius wolle König werden, da er sich das Diadem von Attalos angenommen hätte, welches dem Senat auf einer Sitzung zur Kenntnis kam. Senator Scipio Nascia wollte „hart durchgreifen“, während der Konsul Beweise sehen wollte. Scipio und anderen Senatoren bewaffneten sich, wurden von anderen bereits bewaffneten Gefolgsleuten begleitet. Das kann auf Planung hindeuten. Sie stürmten zur Wahlversammlung von Tiberius Gracchus und schlachteten ihm und viele seiner Anhänger ab. Tiberius Leichnam wurde anschließend in den Tiber geworfen.
Tiberius Gracchus versuchte meiner Meinung nach weder das bestehende politische noch gesellschaftliche System umzustürzen, sondern praktisch eine Wiederherstellung alter Zustände innerhalb des Systems.
Dass diese „Veränderung“ eigentlich im Sinne des Römischen Staates war, wurde von den gesellschaftlichen herrschenden Oberschichten nicht erkannt.
Natürlich hat Tiberius Gracchus gegen die Buchstaben der ungeschriebenen Verfassung verstoßen, indem er
1. den Volkstribun Ocativius durch die Volksversammlung absetzen ließ,
2. dem Senat die Verfügungsgewalt über die Finanzen von Attalos Hinterlassenschaft entzog und
3. durch seine zweite Kandidatur als Volkstribun.
Es stellt sich aber die Frage, ob Tiberius eigentlich, langfristig gesehen, im Sinne des Römischen Staates gehandelt hat?
Meint ihr das Tiberius Gracchus ein Revolutionär oder Reformer war?
War das Vorgehen von Tiberius Gracchus adäquat oder hatte er gar keine andere Wahl; hier denke ich insbesondere an die zweite verfassungswidrige Kandidatur zum Volkstribun?
Bei allen „Verstößen“ des Tiberius Gracchus ist aber festzuhalten: Mord gehörte nicht zu seiner Praxis, um seine Ziele zu erreichen. Der politische Mord war aber offenkundig für Teile des ehrwürdigen Senats unter dem Deckmantel: „Wer den Staat schützen will, mir nach (Scipio Nascia)“ ein probates Mittel.
Weihnachtliche Grüße
Amicus
Ich gebe im Folgenden einen Überblick über die Ereignisse des Jahres 133 v.Chr. und der Vorgeschichte.
Vorgeschichte
Die Römische Armee bestand bekanntermaßen ja überwiegend aus Bauern. Zu Beginn der römischen Expansion waren die Dauer der Kriege und die Entfernungen der Feldzüge noch von relativ kurzer Dauer; der Sommer war quasi Feldzugssaison.
Seit den Punischen Kriegen aber kämpften römische Soldaten mitunter monate- und manchmal sogar jahrelang in Spanien, Afrika oder Griechenland. Das Risiko war für die Soldaten hoch. Viele von ihnen starben im Kampf, an Krankheiten oder bloßer Erschöpfung. Von denen, die den Feldzug überlebten kehrten nicht wenige als Krüppel zurück. Ihr Stolz, mit eigenen Waffen als freie Männer für die römische Sache zu kämpfen, verbrauchte sich bald aber immer mehr in den Mühen und Gefahren beständiger Kriege und den damit verbundenen sozialen erheblichen Nachteilen. Viele Bauern blieben jetzt also deutlich länger im Krieg. Sie fehlten auf ihren Höfen.
In der Heimat konnte die Ehefrau des Legionärs trotz der Hilfe der Kinder die anfallenden Arbeiten kaum bewältigen. Nicht selten musste das Ackerland brach liegen. Viele Höfe ernährten dann die oft kinderreichen Familien nicht mehr. Den Heimkehrern gelang es meistens nicht, den drohenden Ruin vom verschuldeten Hof abzuwenden. Immer mehr Bauern gaben ihren Hof auf und zogen trotz ungesicherter Zukunft mit ihrer Familie nach Rom. Hier hofften sie, als Tagelöhner Arbeit zu finden.
Durch Verschuldung übernahmen deswegen reiche Adlige ganze Landstriche gegen geringen Pachtzins. Tausende Kriegsgefangene kamen als Sklaven nach Rom. So waren genügend billige Arbeitskräfte auf den riesigen Landgütern, den latifundien, verfügbar. Diese Flächen eigneten sich hervorragend für Ackerbau und Viehzucht. Die Bauern eroberten große Teile der damaligen Welt, profitierten aber nicht davon, sondern verarmten dabei noch.
Die Landwirtschaft entwickelte sich immer mehr zu einer wichtigen Geldquelle. Die großen Kornspeicher, die die Stadt mit Getreide versorgten, gehörten Landbesitzern, die selbst nicht anwesend waren, sondern den Betrieb von Aufsehern führen ließen, die ihrerseits die Arbeit durch Sklaven verrichten ließen.
Die Verwalter bewirtschafteten mit zahlreichen Sklaven und Tagelöhnern selbstständig diese Güter. Die adligen Herren konnten sich so ganz der Politik in Rom oder der Verwaltung der eroberten Gebiete widmen.
Schon der Römische Geschichtsschreiber Appian schrieb dazu:
Die Reichen nahmen sich noch vom nicht verteilten (Staats-) Land den Großteil; mit der Zeit verließen sie sich dann darauf, dass Ihnen diese niemand mehr wegnehmen werde. Sie übernahmen die ganzen anderen Güter, nämlich die den ihren nahe gelegenen Anwesen der Armen, indem sie diese teilweise zum Verkauf überredeten, teils mit Gewalt vertrieben. Schließlich konnten sie somit große Ländereien statt einzelne Güter bearbeiten lassen, wozu sie Sklaven als Landarbeiter und Hirten einsetzten. So wurden also die Mächtigen vollends reich und die Sklaven vermehrten sich im Land; die Einwohner Italiens verloren an Bevölkerung und Stärke, aufgerieben von Armut, Abgaben und Kriegsdienst. Und selbst wenn sie Ruhe hatten, blieb ihnen nur völlige Untätigkeit, denn das Land war im Besitz der Reichen, die Sklaven statt freie Männer als Landarbeiter einsetzten.
So begann sich in Rom eine frühkapitalistische Klassengesellschaft herauszubilden.
Ebenso reich wie manche Adlige waren oft die Mitglieder des Ritterstandes, die Publikane. Ihnen gehörten große Handels- und Transportunternehmen, Reedereien, handwerkliche Großbetriebe und die Banken. Eine zusätzliche Einnahmequelle bildete für die meisten der Einzug der Steuern in den Provinzen. Viele beuteten hier die unterworfene Bevölkerung schamlos aus. Darin standen sie in nichts den adligen Provinzstatthaltern nach, die ihr Amt dazu verführte, sich zu bereichern. Auch machten die Verlockungen des Luxus manchen blind für die Not der anderen, sogar im eigenen Land.
Diese massenhafte Verarmung der Bauern führte zusätzlich zu Engpässen bei der Rekrutierung von Legionären, erstmals merklich spürbar während der spanischen Kriege in der Mitte des 2.Jahrhunderts. Der Grund dafür war vor allem, das die verarmten Bauern an den für den Kriegsdienst notwendigen Zensuskriterien scheiterten. Sie konnten nicht aus eigenen Mitteln eine Rüstung finanzieren.
Eine weitere für de Bestand des römischen Kleinbauerntums ungünstige Entwicklung lag im Aufhören der von Rom im Zuge seiner Expansion in Italien betriebenen Siedlungspolitik. Der Senat hatte in den vergangenen Jahrhunderten durch Koloniegründungen und Landzuweisungen immer wieder neue Kleinbauernsstellen für bedürftige Bürger geschafften. Während die Schaffung neuer Kleinbauernstellen also wegfiel, gerieten also die vorhandenen immer stärker unter Druck (Heftner).
Stattdessen wurden die Ländereien, die sich im ager publicus befanden an die Meistbietenden verpachtet oder an Interessenten gegen Gebühr zur Okkupation freigegeben.
Der Versuch des Tiberius Gracchus, die alten Zustände wieder herzustellen
Da Tiberius zu den berühmtesten Familien Roms gehörte, hatte er eigentlich die aller besten Aussichten auf eine erfolgreiche typische römische Karriere. Die Mutter von Tiberius Gracchus, Cornelia, war nämlich die Tochter des Publius Cornelius Scipio Africanus, den Bezwinger Hannibals. Tiberius war des Weiteren über seine Schwester Sempronia Schwager von Publius Cornelius Scipio Aemilianus, der durch Adoption in das Cornelier-Geschlecht kam und von Geburt her Aemilianer war. So war Tiberius mit zwei berühmten Geschlechtern verwandt.
Was hat Tiberius also im Gegensatz zu einem größeren Teil der Aristokratie gebracht? Zunächst ist festzuhalten, das Tiberius Gracchus nicht der Erste war. Laelius war dies, der sich wenige Jahre zuvor um eine Korrektur der Missstände bemührt.
Plutarch führt aus, das Tiberius Gracchus im Jahre 137 v.Chr. auf seine Reise nach Numantia in Etrurien beobachtet hat, wie verödet das Land war und gesehen hat, das auf den Feldern keine Einheimischen, sondern Sklaven gearbeitet haben.
In jenem Jahr 137 v.Chr. bekleidete Tiberius das Amt des Quästors in Spanien. Er hat dort für den unfähigen Konsul Mancinus einen schmachvollen Vertrag aushandeln müssen, damit die dortige Armee vor einer sinnlosen Vernichtung bewahrt wird. Auch wenn Tiberius persönlich nicht für diese Katastrophe verantwortlich war, so blieb dieser Vorgang doch wie ein Makel an ihm hängen. In Rom war man gar nicht zufrieden. Seine Karriere hatte auf jeden Fall eine Delle bekommen.
Tiberius seine politischen Aktivitäten der Jahre 136 v.Chr. bis 134 v.Chr. sind nicht genau überliefert, aber man kann wohl davon ausgehen, das er in dieser Zeit sein Programm ausgearbeitet hat und gleichzeitig Unterstützung für dieses gesucht hat. Im Jahr 133 v.Chr. erhielt Tiberius als Volkstribun seine zweite Chance und vielleicht erklärt dies seine Entschlossenheit, mit der er seine Ziele verfolgte.
Als Tiberius im Jahr 133 v.Chr, Volkstribun geworden war, legte er auch gleich los. Er legte quasi gleich nach Amtsantritt einen Gesetzentwurf vor, der die Nutzung öffentlichen Landes, die ager publicus, durch einzelne Bürger begrenzte. Eigentlich war es geübter Brauch, einen Gesetzentwurf erst den Senat zuzuleiten. Die Regelungen von Tiberius Gesetzesentwurf sahen eine Obergrenze von 125 Hektar für einen einzelnen Römer vor. Trotzdem formierte sich Widerstand, da es ganz offenkundig nicht wenige einflussreiche Nutzer gab, die diese Grenze deutlich überschritten.
Die Ländereien sollten Neusiedlern aus den besitzlosen Bevölkerungskreisen durch eine Ackerkommission zugewiesen werden. Die Größe der Höfe sollte so bemessen sein, das sie ausreichte, um die Familie zu ernähren.
Tiberius begann mit einer intensiven Agitation für sein Projekt, womit die öffentliche Diskussion angeheizt wurde.
Hier eine Rede des Tiberius:
Die wilden Tiere, welche in Italien hausen, haben ihre Höhle, jeder weiß es, wo es sich hinlegt, wo es sich verkriechen kann – die Männer aber, die für Italien kämpfen und sterben, sie haben nichts außer Licht und Luft. Heimatlos gehetzt, gehetzt irren sie mit Weib und Kinder durch das land. Die Feldherrn lügen, wenn sie in der Schlacht die Soldaten aufrufen, für ihre Gräber und Heiligtümer sich zu wehren gegen den Feind, denn von all diesen Römern besitzt keiner einen Altar, der er vom Vater ererbt, keiner ein Grab, in dem seinen Vorfahren ruhen, vielmehr kämpfen sie und sterben sie für anderer Wohlleben und Reichtum. Herrn der Welt werden sie genannt und haben nicht eine Scholle Landes zu Eigen.
Im Frühjahr 133 v.Chr. sollte auf der Volksversammlung über den Gesetzentwurf abgestimmt werden. Ein Kollege von Tiberius, der Vokstribun Octavius, legte aber sofort sein Veto ein.
Octavius hatte den massiven Drängen der interessierten Kreise nicht widerstehen können. Plutarch betont in seinen Überlieferungen, das Octavius eigentlich ein Mann Tiberius war, aber wie genau er dazu bewogen wurde, seine Überzeugung aufzugeben, ist nicht bekannt. Nach dem Veto wurde die Volksversammlung aufgelöst. Der Auseinandersetzung eskalierte nun. Tiberius verhinderte fortan mit Hilfe seine Amtsgewalt als Reaktion alle staatlichen Handlungen. Die Senatoren legten Trauerkleidung an, um zu zeigen, dass der Staat gefährdet sei und verteidigt werden müsse. Tiberius trug nun demonstrativ eine Waffe, um zu zeigen, das sein Leben in Gefahr sei. In dieser gereizten Atmosphäre wurde eine weitere Volksversammlung einberufen. Dort baten zwei ehemalige Konsuln Tiberius darum, seine Anliegen im Senat vorzutragen. Doch der Senat war absolut kompromisslos und Tiberius hatte nur die Wahl der vollkommenen Aufgabe seines Programms, also auch das Gesicht in der Öffentlichkeit zu verlieren oder den Konflikt auf die Spitze zu treiben.
Er berief erneut eine Volksversammlung mit dem Tagesordnungspunkt der Absetzung des Volkstribuns Octavius. Tiberius begründetet dies Ansinnen damit, dass ein Volkstribun die Interessen des Volkes zu vertreten habe oder er gehe seines Amtes verlustig. Tiberius versuchte auf der Versammlung durch Bitten und Apelle Ocativius, während die Abstimmung lief, doch noch dem Gesetzesentwurf zuzustimmen. Ocativius wollte nicht und das Volk setzte Ocativus mit großer Mehrheit ab. Der neu gewählte Volkstribun stimmte dann der Gesetzesvorlage zu. Für die Ackerlandkommission wurde Claudius Pulcher, Tiberius Bruder Gaius und Tiberius selbst gewählt.
Die Tätigkeit der Ackerlandkommission gestaltete sich aber dann doch sehr schwierig. Zu einem gab es immer wieder Streitigkeiten über die Klärung der Eigentumsverhältnisse. Damit waren Gerichtsverfahren in Sicht und die Arbeit der Kommission kam nicht von der Stelle. Des Weiteren gab es finanzielle Probleme, denn die Römer, die angesiedelt werden sollte, benötigen dringend eine Starthilfe und der Senat war selbstverständlich nicht bereit Geldmittel zu bewilligen.
In dieser Situation nutzte Tiberius die Chance, die sich aus Attalos Erbe, der König von Pergamon, bot. Er brachte ein Gesetz in der Volksversammlung durch, dass die Finanzmittel aus Attalos Erbe für die Realisierung des Agrargesetzes verwendet werden sollen.
Es wurde immer klarer, das, wenn Tiberius seine Amtszeit abgelaufen ist, ihm Teile der Nobilität vor Gericht zerren würden und dort entsprechend belangen und für die Römische Gesellschaft erledigen würden. Auch hat Tiberius Gracchus um sein Leben gefürchtet, wenn er nicht mehr Volkstribun ist, denn als solcher stand er unter dem Schutz der Götter. Tiberius hat dann den Ausweg durch eine verfassungswidrige zweite Amtszeit suchen wollen. Dann wurde das vernichtende Gerücht in die Welt gesetzt, Tiberius wolle König werden, da er sich das Diadem von Attalos angenommen hätte, welches dem Senat auf einer Sitzung zur Kenntnis kam. Senator Scipio Nascia wollte „hart durchgreifen“, während der Konsul Beweise sehen wollte. Scipio und anderen Senatoren bewaffneten sich, wurden von anderen bereits bewaffneten Gefolgsleuten begleitet. Das kann auf Planung hindeuten. Sie stürmten zur Wahlversammlung von Tiberius Gracchus und schlachteten ihm und viele seiner Anhänger ab. Tiberius Leichnam wurde anschließend in den Tiber geworfen.
Tiberius Gracchus versuchte meiner Meinung nach weder das bestehende politische noch gesellschaftliche System umzustürzen, sondern praktisch eine Wiederherstellung alter Zustände innerhalb des Systems.
Dass diese „Veränderung“ eigentlich im Sinne des Römischen Staates war, wurde von den gesellschaftlichen herrschenden Oberschichten nicht erkannt.
Natürlich hat Tiberius Gracchus gegen die Buchstaben der ungeschriebenen Verfassung verstoßen, indem er
1. den Volkstribun Ocativius durch die Volksversammlung absetzen ließ,
2. dem Senat die Verfügungsgewalt über die Finanzen von Attalos Hinterlassenschaft entzog und
3. durch seine zweite Kandidatur als Volkstribun.
Es stellt sich aber die Frage, ob Tiberius eigentlich, langfristig gesehen, im Sinne des Römischen Staates gehandelt hat?
Meint ihr das Tiberius Gracchus ein Revolutionär oder Reformer war?
War das Vorgehen von Tiberius Gracchus adäquat oder hatte er gar keine andere Wahl; hier denke ich insbesondere an die zweite verfassungswidrige Kandidatur zum Volkstribun?
Bei allen „Verstößen“ des Tiberius Gracchus ist aber festzuhalten: Mord gehörte nicht zu seiner Praxis, um seine Ziele zu erreichen. Der politische Mord war aber offenkundig für Teile des ehrwürdigen Senats unter dem Deckmantel: „Wer den Staat schützen will, mir nach (Scipio Nascia)“ ein probates Mittel.
Weihnachtliche Grüße
Amicus