Die Frage danach, ob die Titanen nun Götter seien oder nicht, oder wie es denn sein könne, dass es vor den Göttern noch etwas gebe, impliziert letztendlich eine Vorstellung, wie wir sie aus der monotheistischen Religion kennen, nämlich einen (allmächtigen) Schöpfergott. Nur ein Schöpfergott ist per definitionem ungeschaffen und besteht schon vor seiner Schöpfung. Dies gilt aber nicht für die Götter der antiken Mythologie. Diese werden in eine präexistente Welt hineingeboren (oder -geworfen) und sind zwar mächtig, aber eben nicht allmächtig. Im Prinzip handelt es sich nur um personalisierte Naturgewalten und ich glaube, dass hierin auch ihr Ursprung zu suchen ist: In der Erklärung für Wetterphänomene und Katastrophen, denen man einen Sinn geben wollte und von denen man hoffte, sie durch Opfer gewissermaßen lenken bzw. günstig stimmen zu können. Die Vergottung der Naturgewalten wäre demzufolge also der Versuch gewesen, wenigstens wieder ein Stück weit die Kontrolle zurück zu erlangen.
Um auch nochmal auf die eigentliche Fragestellung einzugehen: ich denke auch, daß wir von einer zu engen Deutung des Begriffes Gott uns trennen müssen.
Generell sind sowohl Titanen als auch Götter "göttliche Wesen". Wenn wir mal bei Hesiods Theogonie anfangen, dann wird mehrfach erklärt, daß alle, die aus dem Chaos entstanden sind, Götter sind, eine Sippe, ein geschlecht und dergleichen mehr. Hesiod trennt mehrfach davon ab die Götter "die uns Gutes wollen", eine rituelle Formel also, die den Dichter schützen soll und ihn in ein Einvernehmen mit den Göttern stellt, man schaue nur, wie er die Musen im Eingang der Theogonie besingt.
Die Titanen sind die Kinder von Uranos und Gaia, also nur ein Zweig, und laut Hesiod ist dies ein Schmähbegriff ihres Vaters, nachdem sie sich unter Kronos Führung gegen ihn verschworen haben.
Die Götter im engeren Sinne, und dieser begriff ist neuzeitlich stärker als Abgrenzung verstanden worden als in der Antike, sind nun die Kinder von Kronos und Rhea und die Nachkommen dieser Kinder.
In diesem Sinne, wenn man streng genealogisch vorgehen will (was natürlich dadurch begrenzt wird, daß es sich ja nur um eine erdachte, variable Genealogie handelt), ist Prometheus kein Gott, sondern ein Titanensohn, darin seinem Cousin Zeus gleich.
Im weiteren, oben skizzierten Sinne ist Prometheus ein Gott wie alle unsterblichen Nachkommen von Gaia, Erebos und Nyx, die ja alle aus dem Chaos entsprungen sind.
Nun kann man noch einen Unterschied finden, der, wie alle Details der griechischen Mythologie, niemals so fest manifestiert wurde, daß man nicht immer Ausnahmen und Widersprüche finden würde.
Die Titanen sind in ihrer Mehrheit, soweit benennbar, eigentliche Naturkräfte wie Okeanos und Hyperion zum Beispiel. Nach der machtübernahme der Götter teilen sich die drei Brüder Hades, Poseidon und Zeus die Welt auf und übernahmen damit auch die Herrschaft über die Natur, aber schon die Funktion des Hades verweist auf die nun verstärkten menschlichen Bezüge. Die drei Schwestern Hestia, Demeter und Hera sind schon vollkommen menschliche Zivilisationsgöttinen. Auch die Kinder sind in der Regel eben kaum noch Naturkräfte, sondern Symbole des Menschlichen: Ares, Athena, Hephaistos, Hermes oder schließlich Asklepios zum Beispiel. Dionysos ist eine Schnittstelle, Apollon und Artemis sind dies ebenfalls, da sie alte Traditionen - Sonnen- und Mondgöttlichkeit - transportieren.
Das dieses kein festes und schon gar kein logisches System ist, kann man sehen, wenn man bedenkt, daß auch bei den Titanen Kräfte des menschlichen Wirkens wie Mnemnosyne, die Erinnerung, oder Themis, die Gerechtigkeit, vertreten sind, die ja auch nicht Bestandteile der Natur sind.
Wie flexibel dieses system sein konnte, findet man sehr schön demonstriert am Pergamonalter, wo Titanen und Götter zusammenkämpfen, um die Giganten zu besiegen.
Wenn man also grob zusammenfaßt - die Titanen als unveränderliche Naturkräfte und als Kinder von Gaia und Uranos, die Götter dagegen als Symbole der menschlichen Kultur - wirkt sich das auch auf die oben ja schon angesprochene Kultpraxis und die Verehrung auf:
innerhalb der griechischen Welt gab es eine ungeheure Menge an unterschiedlichen Kulten und Kultvariationen, viele lokale Kulte und Heroenkulte eingeschlossen, viele Angleichungen und Ableitungen, die großen Staatsgottheiten aber, die uns in der Regel auch literarisch und auf Kunstwerken oder in Form von Tempelstätten, Kultfigurinen und Inschriften begegnen, sind die "menschlichen Götter", von denen sich man Einfluß auf das menschliche Leben versprach, die Anbetung von Titanen dagegen war wohl eine seltene Ausnahme, höchstens wenn ein lokaler spezieller Bezug gegeben war, denn von Titanen versprach man sich (zumeist) keinen günstigen Einfluß.