Martas
Aktives Mitglied
Das ist ein sehr interessantes Originaldokument, eine offizielle deutsche Schriftfassung von dem Gespräch Hitler-Mannerheim gibt es wohl nicht. Dabei beziehe ich mich auf Domarus und die ADAP.
Nun ist der Zeitpunkt und die Situation wichtig:
1. Seit dem 22.6.1941 lief eine intensive deutsche Propagandawelle, die den Angriff vom ersten Tag an als Präventivschlag verteidigte. Diese Begründung war einmal nach innen gerichtet und bezog sich auf die neuerliche Kriegsausweitung. Sie richtete sich auch nach außen, in vielen Dokumenten wird der Angriff mit dem russischen Rüstungspotential begründet. Die Zahl der vernichteten russischen Panzer ist pimaldaumen ungefähr richtig, vielleicht ein paar Tausend zu hoch. Die Rote Armee besaß im Juni 1941 rd. 24.000 Panzer, davon rd 2000 moderne. Vom Rest waren ein Drittel einsatzfähig, etwas über ein Drittel reperaturbedürftig bzw. mangelhaft, der Rest Schrott. Die Panzerzahl war in vielen Gesprächen ein herausgehobener Aspekt (zumal die "Blitzkriege" mit weniger Panzern ausgetragen worden sind und kein anderer Staat über derartige Massen verfügte, aus Sicht Hitlers also ein sehr beeindruckendes Argument).
2. Der Überraschungsangriff war inzwischen im Winter 41/42 gescheitert, und hier befand sich Hitler gegenüber den Verbündeten/"Mitstreitern" in Erklärungsnot. Bspw. wurde die Situation im Januar auch dem japanischen Botschafter erläutert, wobei Hitler auf den angeblich überraschenden Jahrhundertwinter verwies, aber auch wiederum auf die ungeahnte Stärke der SU. Das Argumentationsschema findet sich weiterhin gegenüber Ungarn, Rumänien, Italien, so auch hier gegenüber Finnland.
3. Hitler bezweckte mit dem Geburtstagsbesuch, die Finnen (Mannerheim) über die bislang aus deutscher Sicht enttäuschende Mitwirkung hinaus zu gewinnen. Finnland tat nämlich relativ wenig, OKW/OKH hatten sich hier mehr gewünscht, insbesondere in Richtung Leningrad und Hilfe beim Durchschneiden der Murmansk-Linie. Andererseits waren soeben (statt einer deutschen) russische Offensiven im Süden erfolgt (Charkow), die abgeschlagen werden konnten. Die Situation ist also vor den sichtbaren Ergebnissen der kommenden Kaukasus-Offensive angesiedelt, also dem Wiedergewinn der Initiative. Nach dem Winter konnte man eine gewisse Skepsis zum Kriegsausgang bei den Finnen erwarten.
4. Auch beim IMT Nürnberg wurde auf den Molotow-Besuch angespielt (Görings Aussage). Hier wurde die Darstellung vorgebracht, die sowjetischen Ansprüche auf Nord-/ Ost- und Südeuropa wären überraschend gekommen. Die Situation ist geradezu grotesk: Finnland war bereits für den deutschen Angriff auf Polen im Nichtangriffspakt 1939 den sowjetischen Machtansprüchen geopfert worden, hatte sich aber im Winterkrieg 39/40 behauptet. Bezüglich Rumänien eine ähnliche Situation: der Krieg im Westen war aus Hitlers Sicht nicht beendbar, die rumänischen Ölquellen, die erst durch die Entfesselung des Krieges (Preisgabe von Bessarabien im Nichtangriffspakt) in die drohende Nähe zum sowjetischen Machtbereich gelangten, mußten nun für die Begründung der nächsten Eskalationsstufe herhalten. Die Sorge um die Ölversorgung war durchaus kein Scheinargument, Hitlers Betonung der kriegswirtschaftlichen Aspekte ist bekannt: Wesentliche Entscheidungen des Feldzuges 1941 wurden mit den Ölquellen begründet, z. B. Kiew, aber auch die Festlegung auf der Krim vor Sewastopol ("der Flugzeugträger"). Auch bei der Opferung der Truppen auf der Krim 1944 spielte das Argument wieder eine Rolle.
Ich stimme dir im Ganzen uneingesprochen zu. Natürlich sind Umstände und Zeitpunkt zu beachten, wie es sich bei jeder Quelle wie von selbst versteht.
Nur ist, und das finde ich persönlich am herausragendsten an dieser Quelle, der Ton Hitlers ein völlig anderer als sonst bekannt.
Zwar spricht er, wie du genau angemerkt hast, nicht die volle Wahrheit (das ist man gewohnt), aber dennoch lassen sich in diesem Gespräch sehr gut Tendenzen erkennen.
Das schönste daran ist eben die geheime und ungewollte Aufzeichung.
In diesem Sinne Gute Nacht
P.S. Eine offiizielle deutsche Abschrift suchte ich nicht, eher nach jemandem, der sich privat die Mühe einer Abschrift machte. Aber daran hat sich wohl noch niemand gesetzt (vollständig und deutsch!).
Aufgabe für kommende Historiker.
			
				Zuletzt bearbeitet: 
			
		
	
								
								
									
	
								
							
							 
				