Ich habe den Eindruck, dass bei dieser Fragestellung vielleicht die Entwicklungen und Veränderungen, von denen die meisten Staatengebilde seit dem Spätmittelalter geprägt wurden, hier nicht außer achtlassen dürfen.
Ursprünglich waren die Niederlande keineswegs ein einheitlicher Staat, sondern eine ganze Reihe von Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften mit ihren eigenen Strukturen, die gewöhnlich von einer Herrscherfamilie regiert wurden, wobei es öfter vorkam, dass eine Herrscherfamilie über mehrere dieser Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften regierte. Allerdings handelte es sich um einen Zusammenschluss durch die Person dessen, der die Herrschaft ausübte. Im Spätmittelalter lässt sich als häufiger Konflikt beobachten. Während diese Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften bzw. ihre Landstände daran interessiert sind, ihre bisherige Struktur, Rechte etc. zu behalten, versucht der Herrscher, der über mehrere von ihnen herrscht, seine Herrschaft durch ein einheitliches Rechtssystem etc. abzusichern. (Im Heiligen Römischen Reich wurde dieser Konflikt noch dadurch verstärkt, dass mit dem König bzw. Kaiser dort noch ein weiterer "Überherrscher" (zumindest formal) hinzu kam.)
Durch Erbfall, Heiraten, Annektionen und Eroberungen gelangten diese Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften dann unter die Oberhoheit einer Herrscherfamilie, die sich nach ihrem Ausgangsland als Herzöge von Burgund benannte. In der Folge wurden sie also von diesen Herzögen in Personalunion regiert. Mit Maria von Burgund kamen die meisten dieser Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften dann an eine weitere Herrscherfamilie, damals die Erzherzöge von Österreich, heute besser bekannt als Habsburger. In der Folge unterstanden die einzelnen Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften jeweils einem Statthalter und als Ganzes der Vertretung des Herrschers, dem Generalstatthalter bzw. der Generalstatthalterin.
In sogenannten "80jährigen Krieg" spalteten sie sich in die Nördlichen und die Südlichen Niederlande auf, wobei an der Spitze der Nördlichen Niederlande in der Folge das Haus Nassau-Oranien trat, die Statthalter der früheren Grafschaft Holland. Allerdings wurde nun kein neues Königreich oder Herzogtum geschaffen unter dem Namen Holland geschaffen, sondern sie regierten die ganzen Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften weiterhin als Generalstatthalter.
Dass es sich bei den heutigen Niederlanden ursprünglich um kein einheitliches Land, sondern eine Union mehrere Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften handelt, ist auch noch am Namen Niederlande (die niederen Landen) erkennbar, aber auch an der häufig im historischen Kontext verwendeten Bezeichnung die Generalstaaten. (Als ich aufgewachsen bin, war es außerdem üblich, die heutigen Niederlande (und früheren Niederlande) als Holland zu bezeichnen, also nach jener einstigen Grafschaft - die Generalstatthalter wurden außerhalb der Niederlande durchaus als die Herrscher gesehen). Zum "Aufstieg" zum (tatsächlichen) Königreich kam es jedoch erst unter Napoleon I.
Dass am Wiener Kongress eine Vereinigung der Südlichen und Nördlichen Niederlande zustande kam, zeigt aber, dass diese Ländergruppe damals (nun oder noch) als ursprünglich zusammengehöriges Gebiet wahrgenommen wurde, das eben durch den Krieg gegen die "spanische Oberherrschaft" auseinandergerissen bzw. geteilt worden war. Dass dies eine Fehleinschätzung war, zeigte sich dann in den 1830er-Jahren, als sich die Südlichen Niederlande (heute Belgien und Luxemburg) von den Nördlichen Niederlanden (bis in den 1970er-Jahren noch oft auch als Holland bezeichnet) für unabhängig erklärten.
Dass der Krieg der Nördlichen Niederlande gegen das Königreich Spanien ein Unabhängigkeitskrieg war, scheint eindeutig.
War es aber auch ein Bürgerkrieg?
Das würde voraussetzen, dass das Königreich Spanien und die Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften der Generalstaaten damals ein einheitlicher Staat waren. Das waren sie aber damals sicher nicht, jedenfalls nicht in dem Sinn, wie wir den Staat heute definieren, denn sie waren damals durchaus eigenständige Herrschaften und Teil eines größeren Länderkomplexes. Die Entwicklung zu einem Staat, der zumindest viele Jahre so etwas wie eine tatsächlich Einheit bildete, kam erst später.
Es stellt sich auch die Frage, ob der Begriff Bürgerkrieg nicht erst für das 19. Jahrhundert wirklich zutrifft.