Vielleicht war mein Vergleich nicht gut gewählt...
So schlecht gewählt war er nun auch wieder nicht, denn in beiden Fällen zeigt sich durchaus treffend, daß
Saladin ein - wie wir heute sagen würden - eiskaltes Kalkül verfolgte.
Bei
Hattin verhielt sich
Saladin nämlich nicht gegenüber allen Christen gleich (selbst wenn ich an der Stelle zwecks Vereinfachung die Betrachtung des erfolgreichen Entkommens der Tripolitaner unter
Raymond III. einmal außen vor lasse); und sein Sekretär äußerte dazu bekanntlich, daß er das Verhalten seines Herrn befremdlich und unverständlich fand.
1. Die Ordensritter fürchtete und haßte
Saladin (wenngleich dies bspw. für die Johanniter ambivalent war, da er nämlich in gleichem Atemzug deren medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten hoch einschätzte). Daß er sie zuvor noch vor die Wahl stellte, zum Islam zu konvertieren oder aber zu sterben, war Kalkül: er konnte sich sicher sein, daß sie dem christlichen Glauben nicht abschwören und konvertieren würden.
2. Mit
Renaud de Chatillon hatte er mindestens eine persönliche Rechnung offen, die er zu begleichen trachtete. Dafür gab es handfeste und auch durchaus nachvollziehbare Gründe, weswegen
Saladin diesen Ritter nicht mochte bzw. nun auch wirklich nicht mögen konnte, aber dies ändert dennoch nichts daran, daß Antipathie zumindest ein Motiv seines Handelns war. Und - das darf dabei ebenfalls nicht übersehen werden -
Renaud de Chatillon wurde von
Saladin selbst getötet...
3. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Protagonisten verschonte
Saladin den König
Guy de Lusignan ebenso wie den Templergroßmeister
Gerard de Ridefort - was bei Letzterem stark verwundern mußte (hierzu wieder der Verweis auf den Sekretär und Chronisten), wenn man sich das Schicksal der Ordensbrüder allgemein (vgl. Punkt 1) ansieht. Hier handelte
Saladin ganz und gar kühl wie pragmatisch:
Guy und
Gerard hatten bei den Kampfhandlungen des Jahres 1187 - nicht nur im Umfeld von
Hattin, sondern im Falle des
Gerard auch am 1. Mai 1187 bei
Cresson - gravierende taktische Fehler begangen und sich als nicht besonders fähige Heerführer/Feldherren/Militärstrategen erwiesen, so daß
Saladin nur Interesse daran haben konnte, daß den lateinischen Christen solche Anführer erhalten blieben.
Bei
Jerusalem handelte
Saladin rein pragmatisch: nachdem es 12 Tage Kampf gegeben hatte (
Saladin hatte zunächst in der Tat blutige Vergeltung für die Eroberung von 1099 im Sinn gehabt), wobei es
Balian d'Ibelin verstand, mit seinen Leuten die Sarazenen erfolgreich abzuwehren, ließ sich
Saladin auf die Bedingungen für die Übergabe gegen freien Abzug ein - freilich unter der Maßgabe, daß sich jeder lateinische Christ freikaufen mußte, um der Sklaverei zu entgehen.
Anm.: Hier sei noch hinzugefügt - da dies noch immer desöfteren unkorrekt wiedergegeben wird -, daß das
Hospital von Jerusalem (Johanniterorden) alle seine verfügbaren finanziellen Mittel opferte, damit auch zu schwach begüterte Menschen sich freikaufen konnte; daß der Templerorden dies nicht tat (was ihm dann stets zum Vorwurf gemacht wurde), lag daran, daß es dafür lt. Regularien die Entscheidung des Großmeisters brauchte (der sich aber eben selbst noch bei
Saladin in Gefangenschaft befand - siehe Punkt 3 oben:
Gerard de Ridefort). Die Johanniter hatten zu dem Zeitpunkt keinen Großmeister (
Roger des Moulins war bei den
Quellen von Cresson gefallen); Großpräzeptor
Guillaume Borrell übernahm die Leitung des Johanniterordens kommisarisch für fast ein Jahr, war aber nicht bei
Hattin zugegen gewesen und daher auch nicht in Gefangenschaft.
Daß
Saladin einen Teil der lateinischen Christen, der sich nicht freikaufen konnte, dennoch in die Freiheit entließ und so weniger Sklaven machte als die Rechnung eigentlich ergeben hätte, brachte ihm hohes Ansehen bei seinen Gegnern ein, doch hatte das nichts mit Barmherzigkeit o.dgl. zu tun, sondern war von ihm genauso gewollt - eben nach dem Prinzip "Ich zeige Euch, wie großzügig ich sein kann"...