Pardela_cenicienta
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Ich habe nicht geschrieben, die Repression wäre in Ostberlin größer gewesen, sondern die Präsenz der Staatsmacht und des MfS.
- Ostberlin war politische Schaltzentrale der DDR.
- Ostberlin lag direkt an der Grenze zu Westberlin, so dass es einen geeigneten Ausgangspunkt für Fluchtversuche darstellte.
- Ostberlin war der Teil der DDR, wo die Weltöffentlichkeit am ehesten hinschaute.
- Berlin und damit auch Ostberlin, war ein Hotspot der internationalen Spionage während des kalten Krieges.
Es ist vollkommen klar, dass die Überwachungsdichte hier größer war, als irgendwo in Cottbus, Leipzig, Jena, Erfurt oder Neubrandenburg, wo nicht die Zentrale der Macht war, wo das Ausland nur bedingt drauf schaute, wo Spionage weit weniger interessant war und wo man auch so weit von der Grenze weg war, dass von dort aus kaum Fluchtversuche denkbar waren.
Und es ist ebenfalls klar, dass für Personen, die die Mauer, mitsamt ihres Todesstreifens, ihrer Wachtürme und bewaffneten Grenzsoldaten jeden Tag in ihrer Umgebung sahen, der Eindruck der Repression wesentlich präsenter gewesen sein muss, als zig Km abseits davon, wo das nicht andauernd ins Auge sprang.
Ich weiß nicht, wo du diese Auffassung bei mir gelesen haben möchtest.
Ich habe nirgendwo geschrieben, dass sich die Bevölkerung einfach nur mehr hätte anpassen müssen. Damit würde ich das DDR-Regime rechtfertigen und dass das nicht auf meiner Argumentationslinie liegt, geht, denke ich daraus hervor, dass ich die DDR ausdrücklich als "Unrechtsstaat" benannt habe.
Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass man bei filmischen Dokumentationen mal darauf achten müsste, wer dort zu Wort kommt und von Angst wegen staatlicher Repression berichtet. Das ist in der Regel nicht der Durschnitts-DDR-Bürger aus der Provinz, sondern dass sind in der Regel Leute, die sich als angehörige kirchlicher Organisationen, dem Staat suspekter Jugendgruppen, durch Halten von Auslandskontakten in irgendeiner Form, durch Imitation aus dem Westen/Amerika importierter Kulturformen (z.B. Musik) etc. oder dem Staat unliebsame Äußerungen in einer Weise verhielten, dass sie wussten, dass das MfS sie wahrscheinlich auf dem Radar haben würde.
Das diese Leute Angst hatten und zwar berechtigte Angst, dass staatliche Repression sie jederzeit treffen könnte, liegt auf der Hand, weil sie eben wussten, dass sie da Dinge taten, die das Regime nicht gerne sah.
Demgegenüber hätten sich die Leute auch für Anpassung entscheiden können, dafür sich von allem, was das Regime nicht mochte fern zu halten, dafür brav die gesellschaftlichen Vorfeldorganisationen der SED zu durchlaufen und in die SED selbst einzutreten. Wenn sie das getan hätten, wären sie unter dem Radar der staatlichen Überwachung geblieben oder hätten allenfalls niedrigschwelliges Interesse hervorgerufen und dann dürfte auch der Level an Angst vor dem Regime wesentlich geringer gewesen sein.
Ich sage mitnichten, dass sie das hätten tun sollen, es ist ja durchaus verdienstvoll, dass es Leute gab, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf Alltagsebene nonkonformes Verhalten zeigten und sich dem Bevormundungsanspruch des Staates widersetzten, aber sie hätten eben in der Regel die Möglichkeit gehabt sich auch anders zu entscheiden.
90% der Mitglieder einer Gesellschaft, in der ein diktatorisches Regime entsteht oder vorherrscht verhalten sich allerdings erfahrungsgemäß anders und in der Weise, wie das für sie am Bequemsten ist. Im Modus der Anpassung, der in der Regel dafür sorgt, dass sie keine Angst vor dem Regime haben müssen, der Preis ist dann Eben das Ertragen von Unfreiheit.
Ich hatte doch ausdrücklich geschrieben, dass ich die DDR nicht für einen Rechtsstaat halte, sondern im Gegenteil für einen Unrechtsstaat.
Ich hatte lediglich darauf hingewiesen, dass andere Sichtweisen durchaus legitim sein könnten, je nachdem, wie man den Begriff "Unrechtsstaat" versteht, nämlich dann, wenn man ihn so versteht, dass keinerlei rechtsstaatliche Elemente vorhanden gewesen wären.
Ich hatte klar darauf hingewiesen, dass in der DDR, sobald es um politische Delikte oder überhaupt um Überschneidung von Politik und Recht ging, es sich um einen Willkürapparat handelte.
Demgegenüber hatte die DDR allerdings eine durchaus eine weitgehend funktionierende Justiz wenn es um andere Dinge aus dem Bereich nichtpolitischer Kriminalität, Zivilangelegenheiten etc. ging.
Damit habe ich lediglich darauf hingewiesen, dass es rechtsstaatliche Elemente in der DDR durchaus gab (nur eben nicht in allen Bereichen) und dass von dem her, jemand, der den Begriff des Unrechtsstaates so definiert, dass es sich dabei um die vollständige Abwesenheit rechtsstaatlicher Elemente handelte, zu dem Schluss kommen könnte, dass das auf die DDR nicht zuträfe.
Mein Standpunkt ist das nicht, aber er wäre, da der Begriff "Unrechtsstaat" kein verbindlich definierter Begriff ist, der das ausschließen würde legitim.
Erst einmal vielen Dank für die differenzierte Bewertung der Lebenswirklichkeit der Bürger in der DDR.Es war überhaupt nicht meine Absicht den advocatus diaboli zu spielen.
Sondern lediglich darauf hinzuweisen:
1. Der Umstand, dass es sich um ein Unrechtsregime handelt, nicht automatisch bedeutet, dass es sich gegenüber jedem Bewohner terroristisch oder repressiv verhält und dementsprechend jeder Bewohner eines solchen Staates täglich in Angst lebt, weil es in einem autoritäten aber nicht totalitären Regime weitgehend die Möglichkeit gibt, sich durch Anpassung oder Rückzug ins Private vor Repression zu schützen und dass der Weg ist, den der Großteil der Bevölkerung erfahrungsgemäß geht.
2. Das der Begriff "Unrechtsstaat" nicht verbindlich definiert ist, sondern interpretiert werden kann und dass je nach Interpretation, die Diskussion um die DDR ihre Berechtigung hat. Definiert man den Begriff "Unrechtsstaat" dahingehend, dass es sich um ein System handelt, dass systematisch Unrecht produziert, war die DDR ein solcher. Das kommt ja bereits in der Verfassung des Artikels 6 der Verfassung von 1949 zum Ausdruck, der sich soweit ausdehnen und interpretieren ließ, dass man letztendlich alles, was dem Regime nicht gehehm war als "Kriegs- und Boykotthetze" strafrechtlich verfolgen konnte. Das ist dann natürlich allenfalls noch die Parodie von Recht und auf jeden Fall systematisch darauf ausgelegt den Raum für Willkür zu öffnen.
Versteht man den Begriff "Unrechtsstaat" aber dahingehend, dass es sich um das Gegenteil von "Rechtsstaat" in dem Sinne handelte, dass es entweder kein geschriebenes Recht gäbe oder aber überhaupt keine rechtsstaatlichen Traditionen und dass alles Willkühr sei, dann sieht das anders aus.
In der DDR waren die Beziehungen zwischen Staat und Bürger der Willkür unterworfen und der Bürger hatte faktisch keine oder kaum einklagbare Rechte dem Staat gegenüber. Sehr wohl aber gegenüber seinen Mitbürgern und der Teil der Justiz, der in der DDR die Rechtsgüter seiner Bürger gegen Eingriffe anderer Bürger schützte, funktionierte auch weitgehend.
Insofern hat die Diskussion grundsätzlich eine Darseinsberechtigung.
Ich setze die Bewertungen der DDR absolut, und stehe auch dazu.
Deine Sicht erinnert mich an das was mir ein ärztlicher Kollege erzählte, dessen Ausreiseantrag aus der DDR 1983 bewilligt worden war, dessen Karriere dort trotz großer chirurgischer Erfahrung abgewürgt worden war, der aber in erster Linie wegen seiner Lebensgefährtin und deren Konflikten mit dem Staat die DDR verließ. Er versuchte mir das Geflecht der persönlichen Abhängigkeiten und zugleich der doch bestehenden Freiheiten zu erklären: Die Grautöne, die Implikationen des Alltags und des aufrechten Gangs.