Carolus
Aktives Mitglied
Als Lateinschüler stöhnte ich noch über den großen Umfang der erhaltenen Literatur des Römerreiches, die Mitdiskutanten in den zahlreichen Threads zur Varusschlacht würden einiges dafür geben, wenn sie noch einige der nicht erhaltenen Werke zu diesem Thema lesen könnten.
Über das "Wieviel" und "Warum" der Literaturverluste läßt sich ja trefflich streiten. Schätzungen liegen zwischen ca. 99 % bis 99,9 % an Literaturverlusten.
Über das "Warum" hatte ich eigentlich immer diffuse Vorstellugen, die sich vom Untergang des Römischen Reiches ableiteten: vor dem geistigen Auge sehe ich dann Germanenhorden im Bärenfellen, die plündern, rauben, was (nicht) niet- und nagelfest, brandschatzen, die holde römische Weiblichkeit schänden - und in ihren Bärenfellen die Bibliotheken abfackeln.
Vorher hatten wohl christliche Fundamentalisten die Literaturbestände schon dezimiert. Und in der Stunde Null des zerfallenen Römerreiches (und in den darauffolgenden Stunden) gab es keine Schulen mehr (wurden ja von den Germanen abgefackelt). Korrespondierend zum Promilleanteil der verbleibenden Literatur stand ein gleich großer Promilleanteil der Bevölkerung, die noch lesen (und vielleicht sogar auch schreiben) konnten.
Dann ging Ägypten verloren (und damit der Produzent von Papyrus). Um dann noch etwas zu kopieren, mußte man dann eine Kuh jagen, schlachten, häuten und dann hatte man irgendwann Pergament, um etwas zu schreiben. Angesichts dieses Aufwandes mußte man sich zweimal überlegen, was man schreibt und abschreibt. Zwischendurch wurde das, was immer noch nicht verloren war, von Mäusen zerfressen oder wurde beim zufälligen oder vorsätzlichen Brand von Klosterbibliotheken ein Raub der Flammen (man denke nur Umberto Eco & "Der Name der Rose").
Irgendwann war dann Herr Gutenberg auf der Weltbühne und dank seiner Druckmaschine war das Buch auf dem Weg zum Massenmedium (dank auch an den Erfinder des Papiers wer immer es war). Und was bis dahin an antiker Literatur noch übrig war, blieb dann der Nachwelt erhalten. Hin und wieder fand sich dann im Wüstensands Ägyptens Reste von antiker Literatur oder auf recycleten Pergament (Palimpsest).
Zu den Bücherverlusten in der Spätantike gibt es einen Artikel in der Wikipedia, der einen ersten Überblick gibt.
Dann bin ich auf die Magisterarbeit von Rolf Bergmeier "Die spätantiken Literaturquellen: Bestand und Verfall der antiken Literatur" gestoßen sowie vom gleichen Autor "Requiem für die antike Kultur" und einen Vortrag mit einer fünfteiligen Youtube-Fassung.
Dem Autoren zufolge waren an den Bücherverlusten weniger meine oben genannten Germanen in ihren Bärenfellen und die Mäuse, sondern die katholische Kirche schuld. Unter Kaiser Theodosius wurde die katholische Kirche gegen Ende des 4. Jahrhunderts Staatsreligion mit einem Monopol in Glaubensangelegenheiten. Dieses Monopol bestand nicht nur ggü. anderen christlichen Glaubensrichtungen wie den Arianern, sondern auch ggü. allen anderen Religionen:
Die Schilderung der Kirche für diese Epoche durch den Autoren erweckt bei mir eher Assoziationen an einen extremen Fundamentalismus, der mich heute an die Taliban erinnert.
Das widerspricht insgesamt meinem Kirchenbild. Ich hatte immer die Vorstellung, daß gerade die Kirche die Institution war, die durch die Wirren der Spätantike und Frühmittelalter Mittler der antiken Kultur war und Träger öffentlicher Strukturen nach dem Zerfall der römisch-staatlichen Organisation. Gewaltsame Vernichtung - so dachte ich - war eher die Ausnahme. Hierbei denke ich an die Geschichte von Hypathia (dieses Jahr erschien die Verfilmung "Agora").
Über das "Wieviel" und "Warum" der Literaturverluste läßt sich ja trefflich streiten. Schätzungen liegen zwischen ca. 99 % bis 99,9 % an Literaturverlusten.
Über das "Warum" hatte ich eigentlich immer diffuse Vorstellugen, die sich vom Untergang des Römischen Reiches ableiteten: vor dem geistigen Auge sehe ich dann Germanenhorden im Bärenfellen, die plündern, rauben, was (nicht) niet- und nagelfest, brandschatzen, die holde römische Weiblichkeit schänden - und in ihren Bärenfellen die Bibliotheken abfackeln.
Vorher hatten wohl christliche Fundamentalisten die Literaturbestände schon dezimiert. Und in der Stunde Null des zerfallenen Römerreiches (und in den darauffolgenden Stunden) gab es keine Schulen mehr (wurden ja von den Germanen abgefackelt). Korrespondierend zum Promilleanteil der verbleibenden Literatur stand ein gleich großer Promilleanteil der Bevölkerung, die noch lesen (und vielleicht sogar auch schreiben) konnten.
Dann ging Ägypten verloren (und damit der Produzent von Papyrus). Um dann noch etwas zu kopieren, mußte man dann eine Kuh jagen, schlachten, häuten und dann hatte man irgendwann Pergament, um etwas zu schreiben. Angesichts dieses Aufwandes mußte man sich zweimal überlegen, was man schreibt und abschreibt. Zwischendurch wurde das, was immer noch nicht verloren war, von Mäusen zerfressen oder wurde beim zufälligen oder vorsätzlichen Brand von Klosterbibliotheken ein Raub der Flammen (man denke nur Umberto Eco & "Der Name der Rose").
Irgendwann war dann Herr Gutenberg auf der Weltbühne und dank seiner Druckmaschine war das Buch auf dem Weg zum Massenmedium (dank auch an den Erfinder des Papiers wer immer es war). Und was bis dahin an antiker Literatur noch übrig war, blieb dann der Nachwelt erhalten. Hin und wieder fand sich dann im Wüstensands Ägyptens Reste von antiker Literatur oder auf recycleten Pergament (Palimpsest).
Zu den Bücherverlusten in der Spätantike gibt es einen Artikel in der Wikipedia, der einen ersten Überblick gibt.
Dann bin ich auf die Magisterarbeit von Rolf Bergmeier "Die spätantiken Literaturquellen: Bestand und Verfall der antiken Literatur" gestoßen sowie vom gleichen Autor "Requiem für die antike Kultur" und einen Vortrag mit einer fünfteiligen Youtube-Fassung.
Dem Autoren zufolge waren an den Bücherverlusten weniger meine oben genannten Germanen in ihren Bärenfellen und die Mäuse, sondern die katholische Kirche schuld. Unter Kaiser Theodosius wurde die katholische Kirche gegen Ende des 4. Jahrhunderts Staatsreligion mit einem Monopol in Glaubensangelegenheiten. Dieses Monopol bestand nicht nur ggü. anderen christlichen Glaubensrichtungen wie den Arianern, sondern auch ggü. allen anderen Religionen:
Damit wird das Todesurteil über die griechisch-römische Kultur gesprochen, da diese fast immer einen Bezug zur antiken Götterwelt hat. Bücherverbrennungen werden von höchster Stelle sanktioniert und als Handlungen verstanden, die Gott fundamental befriedigen und daher den Handelnden spirituellen Nutzen bringen. Und da Bücherverbrennung Gott befriedigt, wird sie häufig vollzogen. 391 gehen in Alexandria die Bücher in Flammen auf, angeordnet vom christlichen Patriarchen Theophilos. Im Jahr 400 wird von ihm verordnet, niemand dürfe die Schriften des Origenes
„lesen oder besitzen". 409 werden die „Mathematiker" durch kaiserlichen Erlaß verpflichtet, „ihre Bücher vor den Augen der Bischöfe zu verbrennen, andernfalls seien sie aus Rom und allen Gemeinden zu vertreiben"8. Ammianus Marcellinus berichtet von der Verfolgung und Hinrichtung von
Personen, denen der Besitz von Büchern mit verbotenem Inhalt vorgeworfen wird.
Die Schilderung der Kirche für diese Epoche durch den Autoren erweckt bei mir eher Assoziationen an einen extremen Fundamentalismus, der mich heute an die Taliban erinnert.
Das widerspricht insgesamt meinem Kirchenbild. Ich hatte immer die Vorstellung, daß gerade die Kirche die Institution war, die durch die Wirren der Spätantike und Frühmittelalter Mittler der antiken Kultur war und Träger öffentlicher Strukturen nach dem Zerfall der römisch-staatlichen Organisation. Gewaltsame Vernichtung - so dachte ich - war eher die Ausnahme. Hierbei denke ich an die Geschichte von Hypathia (dieses Jahr erschien die Verfilmung "Agora").