Was mich, vielleicht ein wenig OT, erstaunt hat:
Folgt man David Stevenson (1914 1918 - Seite 207), so war der Erste Weltkrieg (abgesehen vom Russisch Japanischen Krieg 1904/1905) der erste große Konflikt, bei dem Verwundung eine häufigere Todesursache bei den Soldaten war, als Krankheit.
Noch im Burenkrieg seien 2/3 der britischen Soldaten Krankheiten zum Opfer gefallen.
Wie war das beim Krimkrieg 1853-1856 ?
Wie beim Preussisch-Österreichischen Krieg 1866?
Wie bei den Balkankriegen 1912-1913?
Also, da wär ja im Ersten Weltkrieg eine sehr neue Situation entstanden.
Interessanter Aspekt und durchaus plausibel! Vorausgesetzt, Stevensons Beobachtung trifft zu, wäre es nicht verwunderlich, dass sich das Verhältnis an Abgängen durch Krankheit und Verwundung im Weltkrieg verschob.
In den großen Materialschlachten von 1916 und 1917 wurden an manchen Großkampftagen soviele Granaten verschossen wie im ganzen Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 oder in den Napoleonischen Kriegen. In der 3. Flandernschlacht 1917 verschossen allein die Deutschen 1.000.000 Granaten, die Briten eher noch mehr, selbst wenn die Zahlen der vom Reichsarchiv herausgegebenen Weltkriegbände übertrieben sein sollten, war die Zahl enorm, zumal das an einem Frontabschnitt geschah, der nur etwa 25 Km Luftlinie vom Houtholster Wald bis an die Leie betrug, und die Landschaft bot danach ein gespenstisches Bild.
In Punkto Hygiene hatte die Medizin aus den Erfahrungen des Amerikanischen Bürgerkrieges, des Krimkrieges und des deutsch-Französischen Krieges gelernt. Im amerikanischen Bürgerkrieg kam es noch vor, dass blessierte Soldaten auf eigene Faust versuchten, durchzukommen, weil sie fürchteten, dass man ihnen im Lazarett mehr schaden, als helfen würde. Die Entdeckungen von Robert Koch, Conrad Röntgen, Ferdinand Sauerbruch und anderen erlaubten es, Seuchen wie Fleckfieber und Rhur wirksamer zu bekämpfen und Schussverletzungen besser behandeln
Andererseits war natürlich auch die Waffentechnologie weiterentwickelt worden, und Granatsplitterverletzungen verursachten so furchtbare Verletzungen, dass Ärzte, Schwestern und Sanitäter diesen nicht gewachsen waren. Um die Soldaten wenigstens gegen Kopfverletzungen besser schützen zu können, wurden Stahlhelme entwickelt. Die Deutschen gaben zuerst bei der Verdunoffensive den Stahlhelm M 16 aus, zunächst nur an Spezialeinheiten, bis zum Sommer 1916 wurde der Helm Standardausrüstung und wurde auch von k.k-Truppen übernommen. Die Briten entwickelten ungefähr gleichzeitig ihre flachen Stahlhelme und die Franzosen den Adrian-Helm, der auch in der belgischen, italienischen und rumänischen Armee benutzt wurde. Auch die russische Armee kaufte offenbar solche Kopfbedeckungen an.
Sanitätskommissionen besuchten die Front, Soldaten wurden über Vorsorgemaßnahmen aufgeklärt, geimpft und es gab Befehle wie Trinkwasser aufbereitet werden sollte, wie man sich gegen Giftgas schützt und Geschlechtskrankheiten wurden behandelt, bzw. Maßnahmen getroffen, dass es erst gar nicht soweit kommen konnte. Es gab auf allen Seiten der Front Militärbordelle für Soldaten, Unteroffiziere und Mannschaften. Ja es wurden sogar dafür eigens Pläne ausgearbeitet, um Bordellbesuche zu organisieren.
Die Idee, eine internationale Hilfsorganisation wie das Rote Kreuz zu gründen, kam Henri Dunant, als er das Elend der Verwundeten auf dem Schlachtfeld bei Solferino beobachtete. So etwas gab es in den Konflikten zuvor nicht, auch ein eigenes Sanitätskorps war in früheren Konflikten nur rudimentär ausgebildet. Rhur oder Typhus war in früheren Konflikten fast so etwas wie eine Naturgewalt, der man hilflos ausgeliefert war. Hygienestandards oder Vorschriften wie Latrinen anzulegen sind, wie man Trinkwasser aufbereitet und sich vor Infektionskrankheiten schützt waren so gut wie unbekannt. Ein Phänomen wie der "Grabenfuß" beschäftigte Sanitätskommissionen, Ärzte schrieben Artikel darüber und konnten sich mit Kollegen austauschen.
Das alles mag dazu beigetragen haben, dass Abgänge durch Krankheiten an der Front vermindert werden konnten.
In vielen Kriegsgefangenenlagern vor allem in Russland und auf dem Balkan herrschten allerdings fürchterliche Zustände. Die sanitären Bedingungen spotteten jeder Beschreibung und zahlreiche Gefangene wurden von Seuchen wie Flecktyphus in großer Zahl dahingerafft. Kurz nach dem Krieg forderte auch eine Spanische Grippewelle in ganz Europa zahlreiche Opfer.