vor der Entente Cordial - Bündnis zwischen Deutschland, Frankreich und Russland?

Betrachtet man die innenpolitische Situation in Russland seit 1905, dann ergab sich dort ebenfalls ein harter Konflikt zwischen unterschiedlichen Fraktionen. Militärstrategisch kämpfte die "Fernost-Fraktion" gegen die "Westler" und politisch die traditionellen Konservativen, in Anlehnung an die deutschfreundlichen Lamzdorf und Shvanebakh, gegen die liberalen Reformkräfte.

Dabei war es gerade Lamsdorff in Verbund mit Nelidow auf russischer Seite, die das Abkommen von Björkö praktisch durch einen Anhang vollkommen entwerteten.

Aber auch der erste Anlauf 1904 hatte Lamsdorff letzten Endes blockiert.

Lamsdorff erblickte in den Bemühungen der deutschen Regierung die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Russland zu stören.

Beispielsweise schrieb Lamsdorff unter dem Datum des 28.Oktober 1904 an den russischen Botschafter Osten-Sacken in Berlin:" Man muss sich zu den von Berlin ausgehenden für uns günstigen Vorschlägen sehr aufmerksam, gleichzeitig jedoch auch mit größter Vorsicht verhalten. Es ist klar, dass man die jetzigen Umstände (Krieg gegen Japan; Anmerkung von mir) ausnutzen will, um das Wesen unserer Verträge mit Frankreich festzustellen und genau zu erfahren worauf wir von Seiten unseres Bundesgenossen zu rechnen berechtigt sind. Ferner würde man nichts dagegen haben, uns ein wenig zu entzweien, indem man uns misstrauisch macht und uns zwingt, die Franzosen in bestimmter Weise an die Wand zu drücken. In Berlin wäre man ersichtlich froh über eine Vermehrung und Verlängerung unserer Unstimmigkeiten mit England; das beste ist Russland vollständig zu isolieren vermittels rührender Versprechungen, durch die es sich veranlasst sieht, sich ausschließlich Deutschland anzuvertrauen."

In November 1904 hatte Lamsdorff den Zaren klargemacht, das Frankreich vor Abschluss der Vereinbarung unterrichtet werden muss. Damit war der erste deutsche Anlauf beerdigt.
 
Hochinteressant wie die Denkweise der damaligen Akteure ist.
Man sieht auch hier wieder, der Wille zur Entspannung der Lage war schwächer ausgeprägt als der Wille zur Machtdurchsetzung.
 
So, dann komme ich mal zum Ende, da das Interesse ja nicht soo groß ist.

Ist es auf meiner Seite durchaus, ich muss mich noch entschuldigen darauf noch nicht reagiert zu haben, ich war in den vergangenen Tagen leider verhindert.

Berlin wünschte als zusammengefasst das Folgende:

Ein Defensivbündnis mit Russland für die Dauer des russisch japanischen Krieges zu schließen mit der Wirkung, das im Falle des Angriffs einer europäischen Macht auf einen Vertragspartner, der andere verpflichtet sein sollte, ihm mit allen Land- und Seestreitkräften zu unterstützen.

Weißt du zufällig, wie man in Berlin auf die zeitliche Begrenzung kam?

Denn die erscheint mir in dieser Konstellation eher als der Wunsch Russland in jedem Fall freien Rücken zu signalisieren, als der nach der Begründung einer tatsächlichen strategischen Partnerschaft.

Passt natürlich etwas zu Bülows außenpolitischem Schlingerkurs, aber was wollte man mit einem temporären Bündnis erreichen, dass keine dauerhaften Sicherheitenn bot, dafür aber in London, so es veröffentlicht würde mit Sicherheit nicht besonders wohlwollend aufgenommen worden wäre?
 
Deutscherseits erweckten diese Verhandlungen deswegen Interesse und vor allem Besorgnis, weil nach Mitteilung der Königin-Mutter von Spanien Frankreich ein Schutz- und Trutzbündnis angeboten hatte (1),

Auch wenn das ein anderes Thema berührt, inwiefern stellte ein projektiertes Defensivbündnis zwischen Frankreich und dem völlig herunter gewirtschafteten Spanien (Armee und Flotte veraltet, Kolonien verloren, niedrige Alphabetisierungsrate, stockende industrielle Entwicklung auf niedrigem Niveau etc.) etwas dar, das Berlin alarmieren musste?

Verständigungen zwischen England und Frankreich waren sicherlich ein anderes Kaliber.
 
Auch wenn das ein anderes Thema berührt, inwiefern stellte ein projektiertes Defensivbündnis zwischen Frankreich und dem völlig herunter gewirtschafteten Spanien (Armee und Flotte veraltet, Kolonien verloren, niedrige Alphabetisierungsrate, stockende industrielle Entwicklung auf niedrigem Niveau etc.) etwas dar, das Berlin alarmieren musste?

Verständigungen zwischen England und Frankreich waren sicherlich ein anderes Kaliber.

Das war doch "nur" ein Teil des Gesamtbildes. Jedenfalls wurden durch diese Mitteilung doch das deutsche AA merkwürdigerweise doch aufgescheucht. Immerhin war die Königinmutter Marie Christine ja eine geborene Erzherzogin Österreichs, die den Wunsch einer Anlehnung an Deutschland hatte. Man war doch der Auffassung, das die eigene" politische Weltstellung" und darüber hinaus die wirtschaftlichen Interessen eine Kompensation erfordere. Voreilig meldete der deutsche Botschafter Radowitz als Kompensation das Gebiet südlich von Sus an. Der spanische Außenminister wies diese Ansinnen deutlich zurück, das diese Gebiet an Spanien falle.

Es dauerte ja dann auch nicht mehr lang, bis die Entente Realität wurde.
 
Dabei war es gerade Lamsdorff in Verbund mit Nelidow auf russischer Seite, die das Abkommen von Björkö praktisch durch einen Anhang vollkommen entwerteten.

Sergeij Witte (Witte Erinnerungen) beschreibt eine Diskussion zwischen ihm und Lambsdorff dazu.
Der Witte ist gerade von den erfolgreichen Friedensverhandlungen mit Japan aus den USA zurück (Friede von Portsmouth) zurück, als ihm der Außenminister Lamsdorff erklärt der Zar habe einen ganz unmöglichen Vertrag unterzeichnet. „Aufgeregt“ zeigt er ihm diesen.
Denn dieser enthält eine Bombe: Im Falle einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Deutschland muss Russland letzteres unterstützen. Und das tritt in Kraft mit der Ratifizierung des Friedensvertrags.
„Auf diese Weise also verpflichtete sich Rußland, vom Tage der Ratifikation des Vertrages von Portsmouth an, Deutschland im Falle eines Krieges mit Frankreich zu schützen.“ S. 289ff

(Na super Leistung des Nikolaus.
Ratifiziert man nicht flammt der Krieg gegen Japan wieder auf.
Ratifiziert man, dann bricht man auf eklatante Weise die bisherigen Verträge mit Frankreich auf dessen Kredite man angwiesen ist. Denn man ist schlicht pleite während man Revolution im Land hat.)

Wie konnte es geschehen, daß alles dieses ohne uns gemacht wurde, und daß Sie bis vor wenigen Tagen nichts davon gewußt haben? Ist denn unserem Kaiser der Vertrag mit Frankreich unbekannt ?“
Lamsdorff erwiderte: „Wieso unbekannt? Durchaus bekannt! Vielleicht auch hatte er ihn vergessen. Aber wahrscheinlich hat er, von Wilhelm benebelt, sich die Sache überhaupt nicht überlegt.
….
„Es ist unbedingt notwendig,“ erwiderte ich, „diesen Vertrag um jeden Preis zunichte zu machen, und sollte man auch die Ratifikation des Vertrages von Portsmouth deswegen hinausschieben müssen. Das ist Ihre Pflicht.“

Und nun wird beraten wie man aus der Nummer wieder herauskommt.
Das ist die Story nach Witte, der als herausragender russischer Staatsmann zur deutschfreundlichen Richtung der Außenpolitik gehört.

Na, da waren ja zwei Genies in Björkö zugange.
Der außenpolitische Blindgänger Willy durfte sich mal wieder kurzzeitig am Glückserlebnis der Großartigkeit berauschen,
und der Nikki war halt fast stets ein wenig dämlicher als für seine Stellung erforderlich.
Dessen war er sich meist bewusst, aber in Björkö hat er das, wahrscheinlich gutgelaunt, vergessen und einen Vertrag unterzeichnet der nicht möglich ist.
Und so schaut der Vertrag aus : https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Björkö#/media/Datei:Vertrag_von_Björkö.jpg
Ein hingeschmierter Fetzen mit Unterschrift derer von Gottes Gnaden.
Die Uhrzeit ist nicht vermerkt...:D
 
Sergeij Witte (Witte Erinnerungen) beschreibt eine Diskussion zwischen ihm und Lambsdorff dazu.
Der Witte ist gerade von den erfolgreichen Friedensverhandlungen mit Japan aus den USA zurück (Friede von Portsmouth) zurück, als ihm der Außenminister Lamsdorff erklärt der Zar habe einen ganz unmöglichen Vertrag unterzeichnet. „Aufgeregt“ zeigt er ihm diesen.
Denn dieser enthält eine Bombe: Im Falle einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Deutschland muss Russland letzteres unterstützen. Und das tritt in Kraft mit der Ratifizierung des Friedensvertrags.
„Auf diese Weise also verpflichtete sich Rußland, vom Tage der Ratifikation des Vertrages von Portsmouth an, Deutschland im Falle eines Krieges mit Frankreich zu schützen.“ S. 289ff

(Na super Leistung des Nikolaus.
Ratifiziert man nicht flammt der Krieg gegen Japan wieder auf.
Ratifiziert man, dann bricht man auf eklatante Weise die bisherigen Verträge mit Frankreich auf dessen Kredite man angwiesen ist. Denn man ist schlicht pleite während man Revolution im Land hat.)

Wie konnte es geschehen, daß alles dieses ohne uns gemacht wurde, und daß Sie bis vor wenigen Tagen nichts davon gewußt haben? Ist denn unserem Kaiser der Vertrag mit Frankreich unbekannt ?“
Lamsdorff erwiderte: „Wieso unbekannt? Durchaus bekannt! Vielleicht auch hatte er ihn vergessen. Aber wahrscheinlich hat er, von Wilhelm benebelt, sich die Sache überhaupt nicht überlegt.
….
„Es ist unbedingt notwendig,“ erwiderte ich, „diesen Vertrag um jeden Preis zunichte zu machen, und sollte man auch die Ratifikation des Vertrages von Portsmouth deswegen hinausschieben müssen. Das ist Ihre Pflicht.“

Und nun wird beraten wie man aus der Nummer wieder herauskommt.
Das ist die Story nach Witte, der als herausragender russischer Staatsmann zur deutschfreundlichen Richtung der Außenpolitik gehört.

Na, da waren ja zwei Genies in Björkö zugange.
Der außenpolitische Blindgänger Willy durfte sich mal wieder kurzzeitig am Glückserlebnis der Großartigkeit berauschen,
und der Nikki war halt fast stets ein wenig dämlicher als für seine Stellung erforderlich.
Dessen war er sich meist bewusst, aber in Björkö hat er das, wahrscheinlich gutgelaunt, vergessen und einen Vertrag unterzeichnet der nicht möglich ist.
Und so schaut der Vertrag aus : https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Björkö#/media/Datei:Vertrag_von_Björkö.jpg
Ein hingeschmierter Fetzen mit Unterschrift derer von Gottes Gnaden.
Die Uhrzeit ist nicht vermerkt...:D

Witte war vorher noch in Berlin gewesen und hatte dort von Wilhelm II. über den Vertrag als solches Kenntnis bekommen. In Berlin war Witte noch durchaus von einen Kontinentalbündnis angetan gewesen. Vom englischen Journalisten Dillon ist Witte darüber informiert worden, das auußer dem Monarchenschriftwechsel
Ist es auf meiner Seite durchaus, ich muss mich noch entschuldigen darauf noch nicht reagiert zu haben, ich war in den vergangenen Tagen leider verhindert.



Weißt du zufällig, wie man in Berlin auf die zeitliche Begrenzung kam?

Denn die erscheint mir in dieser Konstellation eher als der Wunsch Russland in jedem Fall freien Rücken zu signalisieren, als der nach der Begründung einer tatsächlichen strategischen Partnerschaft.

Passt natürlich etwas zu Bülows außenpolitischem Schlingerkurs, aber was wollte man mit einem temporären Bündnis erreichen, dass keine dauerhaften Sicherheitenn bot, dafür aber in London, so es veröffentlicht würde mit Sicherheit nicht besonders wohlwollend aufgenommen worden wäre?

Der eigentliche Zweck war so bald als irgend möglich Frankreich durch den Zaren heranzuziehen und aus dem Dreibund und dem russisch-französischen Zweierverband einen Fünferverband zu machen.
 
Sergeij Witte (Witte Erinnerungen) beschreibt eine Diskussion zwischen ihm und Lambsdorff dazu.
Der Witte ist gerade von den erfolgreichen Friedensverhandlungen mit Japan aus den USA zurück (Friede von Portsmouth) zurück, als ihm der Außenminister Lamsdorff erklärt der Zar habe einen ganz unmöglichen Vertrag unterzeichnet. „Aufgeregt“ zeigt er ihm diesen.
Denn dieser enthält eine Bombe: Im Falle einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Deutschland muss Russland letzteres unterstützen. Und das tritt in Kraft mit der Ratifizierung des Friedensvertrags.
„Auf diese Weise also verpflichtete sich Rußland, vom Tage der Ratifikation des Vertrages von Portsmouth an, Deutschland im Falle eines Krieges mit Frankreich zu schützen.“ S. 289ff

(Na super Leistung des Nikolaus.
Ratifiziert man nicht flammt der Krieg gegen Japan wieder auf.
Ratifiziert man, dann bricht man auf eklatante Weise die bisherigen Verträge mit Frankreich auf dessen Kredite man angwiesen ist. Denn man ist schlicht pleite während man Revolution im Land hat.)

Wie konnte es geschehen, daß alles dieses ohne uns gemacht wurde, und daß Sie bis vor wenigen Tagen nichts davon gewußt haben? Ist denn unserem Kaiser der Vertrag mit Frankreich unbekannt ?“
Lamsdorff erwiderte: „Wieso unbekannt? Durchaus bekannt! Vielleicht auch hatte er ihn vergessen. Aber wahrscheinlich hat er, von Wilhelm benebelt, sich die Sache überhaupt nicht überlegt.
….
„Es ist unbedingt notwendig,“ erwiderte ich, „diesen Vertrag um jeden Preis zunichte zu machen, und sollte man auch die Ratifikation des Vertrages von Portsmouth deswegen hinausschieben müssen. Das ist Ihre Pflicht.“

Und nun wird beraten wie man aus der Nummer wieder herauskommt.
Das ist die Story nach Witte, der als herausragender russischer Staatsmann zur deutschfreundlichen Richtung der Außenpolitik gehört.

Na, da waren ja zwei Genies in Björkö zugange.
Der außenpolitische Blindgänger Willy durfte sich mal wieder kurzzeitig am Glückserlebnis der Großartigkeit berauschen,
und der Nikki war halt fast stets ein wenig dämlicher als für seine Stellung erforderlich.
Dessen war er sich meist bewusst, aber in Björkö hat er das, wahrscheinlich gutgelaunt, vergessen und einen Vertrag unterzeichnet der nicht möglich ist.
Und so schaut der Vertrag aus : https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Björkö#/media/Datei:Vertrag_von_Björkö.jpg
Ein hingeschmierter Fetzen mit Unterschrift derer von Gottes Gnaden.
Die Uhrzeit ist nicht vermerkt...:D

Witte war vorher, am 27.September 1905, noch in Berlin gewesen und hatte dort, genauer in Rominten, von Wilhelm II. über den Vertrag als solches Kenntnis bekommen. In Berlin war Witte noch durchaus von einen Kontinentalbündnis angetan gewesen. Witte behauptete später, nicht so ganz zutreffend, seinem Freund, den englischen Journalisten Dillon, gegenüber, "Ich wußte weder, noch ahnte ich, daß die beiden Monarchen während meines Aufenthaltes in Portsmouth einen Vertrag geschlossen hatten. Es ist wahr, das der Kaiser eine Andeutung gemacht hatte, das sie etwas ähnliches getan hätte, aber er gab mir nicht zu verstehen, dass es eine Allianz oder irgendein Vertrag von internationaler Bedeutung war."

Wilhelm behandelte Witte in Rominten außerordentlich zuvorkommend und verlieh ihm die Kette zum Roten Adlerorden, schenkte Witte ein Bildung mit persönlicher Widmung "Portsmouth, Björkö, Rominten". Darüber hinaus bat Wilhelm II. Witte im Bedarfsfall Mitteilungen direkt an ihm zu senden.

Frankreich sollte diesem Vertrag ja beitreten, das war ja der ausdrückliche Wunsch vom Zaren aber auch der von Wilhelm II. . Da waren beide wohl etwas naiv, denn das Frankreich dies nicht tun würde, ach ja, die beiden Provinzen standen da wieder im Wege,, die Marokkokrise war auch nicht gerade dazu angetan, obwohl Frankreich gewiss nicht unschuldig war, hätte bei sorgfältiger Betrachtung der aktuellen internationalen Situation und der Hinzuziehung der Auswärtigen Minister wohl klar sein müssen.

Aber soweit kam es ja gar nicht. Auf russischer Seite wurde das Ganze so betrachtet, das es Wilhelm.II durch Schmeicheleien gelungen war, das Schwergewicht der russischen Politik nach Ostasien zu verlegen. Der Zweck war klar, Deutschland war bemüht die Beziehungen zwischen England und dem Zarenreich zu vergiften. Des Weiteren sollte Russland vom Balkan abgedrängt werden, um die Eisenbahnlinie Hamburg-Persischer Golf zu bauen. Unter diesem Gesichtspunkt hätte Wilhelm II. Russland zum Kriege gegen Japan geraten. Gewann Russland den Krieg mit der englisch-japanischen Gruppe, wäre der deutsche Einfluss weiter gestiegen. Wilhelm II. würde es nicht aufrichtig mit Russland meinen und so weiter und so weiter. Nicht ein gutes Haar blieb an Deutschland und seinem Kaiser hängen. Auch die Revolution sei natürlich durch Deutschland gefördert worden. Deutschland war wie immer an allem schuld.


Witte war einer Annäherung an Deutschland gewiss nicht abgeneigt. Witte hätte es gern so gesehen, das Frankreich Russland mit Krediten und Deutschland mit seiner militärischen Kraft unterstützte.

Am 29.September traf Witte in Petersburg ein. Am gleichen Tage hatte er sich mit Lamsdorff getroffen. Hier wurde der Vertrag von Björkö noch nicht berührt. Am 30.September wurde Witte vom Zaren empfangen. Nikolaus fragte Witte, ob er vom Deutschen Kaiser über den Vertragstext informiert worden war. Witte verneinte. Der Zar ließ Witte dann wissen, das er bald über dem Vertragstext informiert werden würde. Witte ließ sich dann noch über die Zweckmäßigkeit eines russisch-deutsch-französischen Zusammengehens aus und der Zar folgerte daraus, das Witte für Björkö sei. Der Zar hielt diese Lamsdorff, der am gleichen Tage Vortrag bei Nikolaus hatte, vor.
Danach trafen sich Lamsdorff und Witte und Lamsdorff war wohl nun ein wenig misstrauisch geworden. Jedenfalls fragte er Witte was er denn von dem Vetrag von Björkö hielte. Als sich Witte denn hierzu im Sinne eines Vorteils für Russland aussprach, entgegnete Lamsdorff entsetzt mit der Frage, ob er denn Kenntnis vom Inhalt des Vertrages korrekt unterrichtet sei? Witte informierte Lamsdorff über die Vorgänge in Rominten. Lamdsdorff gab Witte nunmehr den Vertrag zu lesen. Witte war nun gegen die Ratifizierung des Vertrages. Begründung: Russland sei niemals in Gefahr von England und Frankreich in Europa angegriffen zu werden, während Deutschland nicht zur Hilfe in Ostasien verpflichtet sei.
Zur Erinnerung: In Artikel 4 des Vertrages steht zu lesen: "Der Kaiser aller Russen wird, nachdem dieser Vertrag in Kraft getreten ist, die notwendigen Schritte tun, um Frankreich in diese Vereinbarung einzuweihen, und es auffordern, ihr als Verbündeter beizutreten." Es handelte sich um ein defensives Bündnis, welches auf Europa beschränkt war. Witte und Lamsdorff sahen den Vertrag negativ; der Verbündete Frankreich wurde in der Frage gar nicht konsultiert. Nelidow spach mit Rouviert akademisch und oberflächlich über das Thema, aber nicht konkret. Es wurde gar nicht versucht, die Möglichkeit auszuloten.


Lamsdorff setzte alle Hebel in Bewegung, um den Vertrag zu Fall zu bringen, was ihm ja auch gelungen ist. Benckendorff, Iswolski, Nelidow, Osten-Sacken zogen alle mit Lamsdorff an einem Strang.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der außenpolitische Blindgänger Willy durfte sich mal wieder kurzzeitig am Glückserlebnis der Großartigkeit berauschen,

Immerhin hat er die Gefahr der "Einkreisung" früher wahrgenommen, als die "Experten" im Auswärtigen Amt. Dort wurden doch die sich abzeichnende Entente für ausgeschlossen gehalten. Ebenso, das sich England und Russland einiges würden. Und Bülow war auch gegenüber Italien lange Zeit blind.
 
Frankreich sollte diesem Vertrag ja beitreten, das war ja der ausdrückliche Wunsch vom Zaren aber auch der von Wilhelm II.
"Wenige Tage vor der Ratifikation des russisch-japanischen Friedensvertrag (14. Oktober 1905) machte der Zar allen Spekulationen ein Ende, als er sich auf den Standpunkt stellte, dass das Abkommen von Björkö nicht eher in Kraft treten dürfe, bis der Beitritt zur deutsch-russischen Defensivallianz gesichert sei."
Peter Winzen - Reichskanzler Bernhard von Bülow - S.346
Klingt ganz vernünftig ist aber schlicht unmöglich, und damit auch der Vertrag insgesamt.

Davon abgesehen stieß der Björkö-Vertrag auf bei Bülow auf so starke Ablehnung, dass dieser um seine Entlassung bat.
Folgt man McMillan - The War that ended Peace - S.190 fiel schon damit der Traum des Wilhelm auseinander und in einem hochemotionalen Brief an Bülow erklärt er, dass dieser ihm persönlich einen furchtbar Schlag versetzt habe und er selbst ganz zusammengebrochen sei und fürchte er müsse nun unter "serious nervous trouble" leiden.
 
Davon abgesehen stieß der Björkö-Vertrag auf bei Bülow auf so starke Ablehnung, dass dieser um seine Entlassung bat.

Der wurde schnell von Holstein wieder auf Kurs gebracht.

"Wenige Tage vor der Ratifikation des russisch-japanischen Friedensvertrag (14. Oktober 1905) machte der Zar allen Spekulationen ein Ende, als er sich auf den Standpunkt stellte, dass das Abkommen von Björkö nicht eher in Kraft treten dürfe, bis der Beitritt zur deutsch-russischen Defensivallianz gesichert sei."
Peter Winzen - Reichskanzler Bernhard von Bülow - S.346

Na klar, seine Diplomaten haben den schwachen Nikolaus in ihrem Sinne massiv bearbeitet und entsprechend beeinflusst. Beispielsweise wurde die Weisung des Zaren in Paris entsprechend, nicht nur akademisch anzufragen, sondern konkret der aktuellen Situation entsprechend, erst gar nicht ausgeführt; Lamsdorff läßt auch schön grüßen.
Seit dem Sommer waren ja auch einige Monate vergangen und Wilhelm hatte zwischenzeitlich viermal bei Nikolaus wegen des Vertrages nachgefragt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Der Albertini schreibt über den Vertrag von Björkö (Bd1 III.7) und bezieht sich dabei auf GP Band XIX und da u.a. auf die Dokumente 6220 und 6226.
Den Band XIX der GP habe ich nicht.
Hast Du den?
 
Ja, habe ich.

Dokument 6220 ist ein längeres Schriftstück, welches Wilhelm unter dem Datum des 25.07.1905 an Bülow geschrieben hatte.

Wilhelm II. informierte Bülow, dass "das Werk der Annäherung und der große Wurf gelungen sei." Des Weiteren erfährt Bülow, das der § 4 geändert worden war; nämlich, das Frankreich nach Unterzeichung des Friedensvertrages zum Beitritt eingeladen werden soll. Wilhelm II klärte weiter darüber auf, das der § 1 sich jetzt nur noch auf eine europäische Macht in Europa eingefügt worden war.

Wilhelm II. schreibt dann noch so einiges über die freundliche Atmosphäre, ja die große Herzlichkeit des Treffens.

Dann wird noch über die Einleitung und Durchführung des Friedens geschrieben und das der Zar hoffe, das Roosevelt, dem der Zar vertraue, Japan exorbitante Forderungen auf ein vernünftige Maß zurückführt.

Auch über Dänemark und wie man den König Christian sein Territorium garantieren könne wurde gesprochen.

Dann meinte Wilhelm II. noch Nikolaus hinsichtlich der innenpolitische Lage Russlands Ratschläge zu geben.

Zu Dokument 6226 schreibe ich später was.
 
Dokument 6226 ist ein Schriftstück vom Reichskanzler Bülow an das Auswärtige Amt.

Er informiert darüber, das er (Bülow; Anmerkung von mir) an Seine Majestät telegraphiert hat:

"Ganz geheim. Eurer Majestät ist durch den Abschluss des Vertrages ein großer Wurf gelungen. Jetzt kommt es darauf an, das der Zar am Leben und Ruder bleibt. Der Vertrag tritt erst in Kraft, wenn der russisch-japanische Krieg aufhört. Bis dahin muss der Vertrag strikt geheim gehalten werden, denn sonst suchen die Engländer und vielleicht auch die Franzosen die japanischen Friedensbedingungen deraartig hinaufzuschrauben, daß der Krieg infinitium fortdauert. [...] Bei dieser Sachlage halte ich es für unmöglich jetzt schon irgend etwas von unserem Vertrag Präsident Roosevelt mitzuteilen, und habe Eurer Majestät Ermächtigung entsprechend nur den ersten Teil des Telegramms an den Präsidenten weitergegeben. Sobald der Frieden hergestellt, teilen Eurer Majestät den Präsidenten als erstem den Vertrag mit unter der vorzüglichen Motivierung, die Eure Majestät jetzt formuliert haben."

Bülow informiert über Nachrichten, die Schliemann aus Russland erhalten habe, das Attentate und allgemeine Aufstände zu erwarten seien, wenn nicht in der Verfassungsfrage etwas geschehe.

Radolin habe gedrahtet, das er ausführlich mit Rouvier gesprochen hat.Rouvier berichtete über eine Unterhaltung mit Witte, die genau mit dem stimmt, was letzterer auch mir über die Aussichten der Friedensverhandlungen gesagt. Wenn Russland auf der verblendeten Weigerung einer Kriegsentschädigung Japans beharrt, meint Rouvier, sei wenig Aussicht auf Frieden ujd Russland würde woh schlimmeren Enttäuschungen entgegensehen. In finanzieller Hinsicht würde Russland ei Fortführung des Krieges in Frankreich kein Geld hierfür finden.

Ich hoffe, ich konnte dir hiermit helfen.
 
Ich versuch das mal irgendwie zusammenzukriegen, denn die Story ist ja schon irre.
Also am 24. Juli 1905 findet ein Rendezvous in den Wassern von Björkö statt. Der Willy und der Nicki sind mit ihren Jachten angereist.
Björkö ist ein versteckter Ankerort in Finnland, das damals zu Russland gehörte, wenngleich es Sonderrechte genoss.
Über dieses Treffen schreibt der Kaiser Wilhelm ein sehr wortreiches Telegramm am 25. Juli. Dokument 2220.
Es ist geschafft! Hurrah.
Er schreibt wie er den Nikolaus II geschickt manipuliert habe, und wie nett das gewesen sein und wie herzlich.

Und auch den kleinen Thronfolger habe der Nicky mitgebracht.. Welch eitel Freude!, schreibt der Willy an den Bülow, und dass man bis zum Morgengrauen zusammengesessen sei, und schließlich am Nachmittag des Folgetages, sei es ihm, von Gottes Gnaden und Fügung gelungen mit einem Taschenspielertrick den Zaren hereinzulegen, während sein Herz gepocht habe und der Nikolaus dann unterschrieben habe und schließlich wieder einmal in Tränen ausgebrochen sei und ihn umarmt habe.

Und freilich heult der Zar. Denn während er mit dem Willy vor Björkö „brüderlich“ vertäut ankert, brennen in den Weiten seines Reiches die Herrenhäuser und bald wird auch St. Petersburg von der Telegrafie und Eisenbahn abgeschnitten sein. 1)
Und das ist auch die Zeit als dem Nikolaus und der Alix klar wird, dass der kleine Thronfolger (welch eitel Freude!) unheilbar krank ist.
Und der Willy brüstet sich mit wortreicher Selbstgefälligkeit seinen „lieben Freund“ hereingelegt zu haben.
In Verbindung mit Wilhelms Brief vom 27. Juli 3) an den „Dearest Nicki“ schreibt der Albertini über den Willy: „Einem solchen Mann war ein so großer Teil des Schicksals der Welt anvertraut! Jene die ihm dienten, allen voran Bülow fragten sich oft ob er recht bei Verstand sei (sound of mind), und ob er nicht unter Kontrolle genommen werden müsse, doch wagten sie es nicht. Sie wagten es nicht, ob brilliant oder einfältig, denn sie alle, außer Bismarck, waren Höflinge.“ 2)
(Übersetzung durch mich aus dem Englischen welche eine Übersetzung aus dem Italienischen ist)

Aber erst einmal muss der Zar überleben, wie der Bülow dem AA in Dokument 2226 mitteilt:
Jetzt kommt es darauf an, daß der Zar überlebt und am Ruder bleibt.

Das ist eine ziemlich irre Geschichte und der Albertini sagt schließlich dazu: Und so scheiterte der letzte Versuch, den Fehler den Bismarckschen Rückversicherungsvertrag nicht verlängert zu haben wieder gut zu machen.


1) https://geschichtsforum.de/thema/die-russische-revolution-1905-06-ein-versuch.49997/#post-737817
2) Albertini, Luigi; Massey, Isabella Mellis (2005): The origins of the War of 1914. New and updated ed. New York: Enigma Books. S.159ff

3) https://archive.org/details/Willy-n...zarnicholasIi/page/n101/mode/2up?view=theater
 
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