Trommler hat sich nun nicht mehr gemeldet.
Dem Thema sollte aber unbedingt das Stichwort
Auschwitz-bombing-Debatte angefügt werden, das seit 40 kursiert. Hintergrund ist die gestellte Frage: warum wurde speziell Auschwitz-Birkenau nicht bombardiert. Dazu zunächst mal Wikipedia:
Auschwitz bombing debate - Wikipedia, the free encyclopedia
Besser aber:
Foregger, Richard, Two sketch maps of the Auschwitz-Birkenau exterminationcamps, in: JoMH 1995, S. 687
James H. Kitchens III, The Bombing of Auschwitz Reexamined, JoMH 1994, S. 233
Zunächst ist es das Problem der Skizzen und Informationen, die die Westalliierten im Sommer 1944 aus Polen erreichten, und die das Vernichtungslager sowie das Konzentrations- und Zwangsarbeitslager betrafen.
Foregger hat in seinem Aufsatz den Schluss gezogen, dass diese Skizzen plus Luftfotografien 1944 nicht ausreichten, um die Details für eine Bombardierung der Lager auszuwählen. Behauptungen - auch in revisionistischen Debatten -, dass diese Informationen zusätzlich hätten beschafft werden können, sind reine Spekulation.
Kitchens III analysiert dann die gesamte Debatte anhand der verfügbaren Informationen, die zT auch erst nach dem Krieg von Auswertungsstellen an höhere Dienststellen gelangten. Umgekehrt gab es bereits im Sommer/Herbst 1944 auch von jüdischer Seite die Forderung einer Bombardierung, die in dem oben schon skizzierten Zeitfenster jedenfalls theoretisch machbar war. Dabei ist auch das Thema der Bahnlinien angesprochen, dessen Bombardierung als erstes wohl ein Rabbi (Dov Weismandel aus der Slowakei) forderte (die Bahnlinie Kosice-Presov). Dessen Forderung erreichte die US-Flüchtlingsbehörde am 18.6.1944, womit das Thema "amtlich" war. Eine parallele Anfrage kam von Yitzak Gruenbaum, Geschäftsführer der jüdischen Flüchtlingsagentur, danach vom Jüdischen Flüchtlingskongress Ende Juni 1944 aus der Schweiz.
Spekulationen über die westalliierte "Inaktivität" begannen bereits Ende der 1940er, als das volle Ausmaß des Holocaust bekannt war. Es folgten dazu einige Publikationen, die sich bis in eine "Mitschuld", quasi aus unterlassener Hilfeleistung bzw. Passivität, steigerten. Inzwischen war auch bekannt geworden, dass "brauchbare" Luftfotos von Auschwitz seit April 1944 verfügbar waren. Es gingen dann wüste Spekulationen los, mal waren es P-38 Lightning, mal B-25 oder britische Mosquito-Bomber, die nachträglich als geeignet für den (Punkt-)Angriff bezeichnet wurden.
Die Debatte spiegelte sich auch in der Presse wieder, so in der New York Times 1984. In die Diskussion schaltete sich sogar ein ehemaliger B-24-Navigator ein (Milton Groban, 15th USAAF), der sich zu möglichen Präzision von Langstreckenbombern äußerte. Die Diskusison blieb lange rein akademisch, ohne einen wissenschaftlichen Hintergrund zu den militärischen und technischen Optionen der Bombardierung (die Effizienz wurde immer nur behauptet, nicht untersucht). Quellenstudien im USAF Historical Research Center blieben aus, ebenso die NARA RG 18 und 243, die das Hauptarchiv der USAAF abbildeten.
Missachtet wurde insbesondere, dass zwar die Luftaufnahmen existierten, die Auswertung derselben (in der richtigen Interpretation, was dort passierte) aber unterblieb, ebenso wie es keine quellengestützten Belege dafür gibt, dass die Luftbild-Auswertestellen speziell auf die Konzentrationslager hingewiesen wurden. Die in Rede stehende 15th USAAF im Mittelmeer, die die Bombardierung technisch realisieren konnte, war allerdings im Sommer 1944 mit der "Öl-Kampangne" voll "beschäftigt", worauf auch die Luftbild-Auswertestellen der 15th fokussiert waren. Intelligence-Reports, die auf den laufenden Holocaust hinwiesen, fehlten ebenfalls bei der 15th Luftflotte. In den vorgeordneten Stäben erreichten die oben geschilderten Informationen der jüdischen Stellen nur untergeordnetes militärisches Personal. Das galt auch für den
Vrba-Wetzler-Report. Nur das Birkenau nahegelegene
Monowitz der I.G.Farben kam in den Fokus der Aufklärung, und wurde am 20.8.1944 trotz der schweren Flak-Konzentration (20 schwere Batterien) bombardiert.
Der Vollständigkeit halber ist hier auch der Angriff auf Buchenwald vom 24.8.1944 zu erwähnen, der nach der Zielauswahl einer vermuteten Montagestätte für V-2-Raketen und einer Waffenfabrik galt (Angriff durch 129 B-17, Operation Nr. 568 - er galt dem "Gustloff-Komplex").
Zu der Option, Eisenbahnlinien anzugreifen, ist oben schon einiges erwähnt worden. Wegen der relativ schnellen Instandsetzung kann man hier auf die Erfahrungen der Eisenbahn-Kampangnen in Frankreich (im Umfeld der Invasion) und in Deutschland zurückgreifen. Um damit den Betrieb zu unterbinden, hätten die Angriffe tagein-tagaus mit einer großen Zahl von Flugzeugen unternommen werden müssen. Selbst bei den kriegsentscheidenden Kampagnen war so eine Operation nur über wenige Wochen möglich, und hätte kein Abschneiden der Vernichtungslager bedeutet. Über die Frage, welche deutsche Ressourcen dann in die dortige Instandsetzung geflossen wären, kann man auch nur spekulieren: zB war die Deportation der ungarischen Juden bei der Reichsbahn priorisiert gegenüber der gleichzeitig an der Ostfront hart bedrängten Wehrmacht (der rollendes Material und Versorgung fehlte, während die Deportationen liefen).
Man kann wohl ausschließen, dass die allierte Bindung für eine solche Operation - konträr zu den konkurrierenden militärischen Anforderungen der Fronten in Italien und Frankreich - erfolgt wäre, selbst wenn die Aufklärung der Abläufe gelungen wäre.