Die Antwort auf diese Frage liegt in der Herkunft des Schreibtischtäters Jack London, welcher sein Geschreibsel aus eurozentristischen kolonialistischen willkürlichen Zuschreibungen konstruiert und dafür von seinesgleichen zum Literaten hochstilisiert wird
Ich bin durchaus nicht der Ansicht, dass sich das Werk von Jack London als "Geschreibsel" bezeichnen lässt. Ich halte auch die Bezeichnung "Schreibtischtäter" für völlig unpassend, wenn nicht diskreditierend.
Wie man Züge entert, ohne "geschmissen" zu werden, wie man mit Dynamit fischt, wie man mit 30 Kg auf dem Buckel den Chilcoot Pass überwindet, wie es sich auf einem Robbenfänger, im Gefängnis oder in den Slums von London lebt, das hat Jack London nicht aus literarischen Vorlagen abgekupfert, sondern er konnte dabei auf autobiographische Erfahrungen zurückgreifen, und das merkt man seinen besten Werken auch an. Ob man Jack London alles glaubt, ist eine andere Frage.
Ich bin auch keineswegs der Ansicht, dass London zum Literaten hochstilisiert wurde- er war ein Literat!
Die Anerkennung der viktorianisch geprägten Literaturszene musste er sich mühsam verdienen.
Er hat sich seine Bildung autodidaktisch erworben, er war ein meisterhafter Erzähler, ein scharfer Beobachter, und er war vor allem authentisch.
Er hat sich aber auch die nötige sprachliche Finesse angeeignet. Der Seewolf, White Fang, The Call of the Wild sind stilistisch nicht zu beanstanden. Vor allem Martin Eden zeichnet sich durch eine hohe sprachliche Finesse aus.
London hat der amerikanischen Literatur zweifellos wertvolle Impulse geliefert. So etwas wie Jack London hatte im amerikanischen Literaturbetrieb vor ihm nur Herman Melville geliefert. Herman Melvilles "Moby Dick" erschien im gleichen Jahr wie Onkel Toms Hütte. Während Beecher-Stowes Roman ein Weltbestseller wurde, verkam Moby Dick zum Ladenhüter. Der amerikanische Literaturbetrieb war noch nicht reif dafür. Auf dem Markt waren Bulwer-Lyttons und Nathaniel Hawthornes historische Romane erfolgreich.
Die Themen, denen London sich widmete, galten als ungehörig. London war der Erste, der auch kommerziell erfolgreich wurde mit Abenteuergeschichten. Bei Boxkämpfen ließ auch London sich von der Hysterie nach der "Great White Hope" infizieren, und er konnte durchaus auch der amerikanischen Besetzung Kubas etwas abgewinnen, Jack London war aber alles andere, als ein Apologet des Imperialismus. Kipling sprach in einem Gedicht von "The White man´s burden", in Jack Londons Erzählungen ist aber mehr von der Last des Kapitalismus und der "Zivilisation" die Rede und wie diese indigene Völker zurückdrängen und vernichten. Jack London war ein Sozialist, dem gewisse sozialdarwinistische Ideen nicht ganz fremd waren. Er war aber kein Rassist, und er hat die Südsee und ihre Bewohner mit sehr viel Wärme und Sympathie beschrieben.
Jack London hat in Polynesien sehr viel Zeit damit verbracht, Kultur und Sprache der Polynesier zu studieren, er hat 100 von Fotos gemacht, und seine Berichte haben sehr viel zur ethnologischen Erforschung beigetragen. Er war sehr von Melvilles Werken über die Südsee begeistert, und er konnte beobachten, wie die einheimische Bevölkerung durch Krankheiten dezimiert worden war, wie die Zivilisation deren Kultur zerstörte, wie auf einigen Inseln de facto rassistische Sklaverei reanimiert wurde. In seinem Werk geht er durchaus äußerst kritisch mit Kolonialismus und Eurozentrismus ins Gericht. Londons Sozialismus hatte durchaus eigenwillige Züge, grundsätzlich aber ergriff er die Partei der sozial Unterdrückten.
Bei den Südseeberichten und Erzählungen kann man ihm kolonialistische Attitude und Eurozentrismus kaum vorhalten. Im Gegenteil bemühte er sich um ein Verständnis der polynesischen Kultur, erkannte deren Eigenwert an und bedauerte ihren Verlust.
Herman Melville oder Mark Twain haben in der amerikanischen Literatur des 19. Jahrhunderts einen bisher nie gekannten Realismus eingeführt.
Jack London hat das für das 20. geleistet.