Hi Leute,
bin wieder da.
Eine interessante Diskussion, die sicher unendlich verlaufen könnte, da der Zeitrahmen nicht eng gesteckt ist, und jeder "seine" Historiker "seines Lieblingslandes" zitieren könnte und zum "mächtigsten" erklären könnte...
Ich finde die Ausführungen von traian und brissotin u.a. interessant.
Die Mode als Gradmesser der Zeitgenossen zu nehmen, inwiefern eine andere Macht von eben jenen als führend anerkannt wird und modisch nachgemacht wird, ist schon oft beschrieben worden.
Interessant am Osmanischen Reich ist, dass dieser Einfluss auf das Abendland erst dann stärker wird, als die tatsächliche militärische Macht rückläufig oder zumindest am stagnieren war. (Trotzdem blieb es noch lange in den Augen der Gesandten und westl. Herrscher zu recht oder unrecht als imposantes und riesiges reiches Imperium)
Zitat:
" Dieser kulturelle Auftakt mit einem Porträtisten ist bezeichnend für die späteren Türkenmoden, die im Gegenzuge im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts Furore machten."
Turquerie, Turkomanie, "alla turca" - Die Türkenmoden Europas
Also quasi ein zeitversetzter Einfluss der Mode, befördert durch die osmanischen Gesandtschaften in die jeweiligen Hauptstädte.
Und Brissotin, wenn man sich bei der Ausdehnung des Osmanischen Reiches auf SO-Europa die Machtverhältnisse der dortigen Staaten anschauen muss, und auch die Machtverhältnisse innerhalb der verschiedenen Regionen, dann könnte man sich auch das Osmanische Reich direkt mal anschauen
, und erkennt, dass es über einen Großteil seiner Periode den Rücken nie ganz frei hatte (Persien - trotz Bündnisse mit den Usbeken im Rücken der Perser), so dass der Großteil der Armee zum Winterlager nach Thrakien zurückbeordert wurde, um ggf. für einen Feldzug im kommenden Frühjahr Richtung Osten bereit zu stehen.
Wenn man sich mal eine Karte anschaut, und sich vorstellt, der "Nabel der Welt" aus der Sicht eines Herrschers wäre nicht London, Paris oder Rom, sondern Istanbul, dann wird verständlich, warum die immensen Entfernungen von einem Ende des Reiches zum anderen Ende, trotz hervorragender Logistik immer schwieriger für ein großes Heer wurden.
Karte:
Distance of potential battlefields with reference to Istanbul
Wenn ich mir nur mal fiktiv vorstelle, dass im 16./17. Jahrhundert ein weiterer Sultan den Thron bestiegen hätte, wie ein Sultan Selim I., der die Perser besiegte und Irak, Aserbaidschan, etc. eroberte, und dann die Mamluken in Ägypten besiegte, und dabei das Heer nicht nach Istanbul zurückführte, sondern in der Levante im Winter beließ. Dann vermag ich es nicht mir vorzustellen, was gewesen wäre, wenn ein solcher Sultan den Rücken frei gehabt hätte, und somit sein Heer z.b. in Belgrad hätte stationieren können und sie statt drei Wochen mal drei Monate Wien belagert hätten...
Die beliebte Frage was wäre wenn...
Wahrscheinlich war es einfach für ein stabiles Staatswesen eine weitere Ausdehnung zu der damaligen Zeit nicht ratsam gewesen, und zu teuer, zumindest Ausdehnung in besiedeltere Regionen.
Denn man sollte sich mal auch mit der Karte oben die Ausdehnungen vor Augen führen:
Entfernung
Luftlinie (!) mit Google Earth gemessen:
Hamburg - München: 600 km
Gibraltar- Barcelona: 840 km
Istanbul - Neuhäusel/Györ (Nordungarn) 1170 km / bis Budapest 1070 km
Istanbul - Wien: 1270 km
Istanbul - Hamadan/Iran (östl. temp. Eroberungen): 1850 km
Calais am Kanal bis zur französischen Mittelmeerküste: 830 km
Paris - Moskau: 2490 km
Agier - Baku/Aserbaidschan: 4050 km
Istanbul - Mekka: 2400 km
Istanbul - Nordkap in Norwegen: 3350 km
Istanbul - Aden/Jemen: 3470 km
Istanbul - Aleppo: 895 km -> Jerusalem 525 km -> Kairo 430 km (Also Istanbul - Kairo 1850 km in "gebogener Luftlinie")
Moskau - Asow am Schwarzem Meer 950 km
Kopenhagen - Neapel: 1655 km
Istanbul - Hamburg: 1950 km
Istanbul - Basra/Irak: 2150
größte von mir gefundene Ausdehnung in einer Google Earth Linie des Osmanischen Reiches: 5300 km
Moskau - Pazifische Küste: 5600 km
(Vielleicht verwundern einige diese Zahlen: Dann liegt es vielleicht an den allermeisten Karten, die wir konsumieren, und die nicht flächenneutral sind und je nördlicher man kommt, umso größer werden scheinbar die Staaten. Wenn Schweden und Norwegen z.B. gemeinsam auf ner Karte größer erscheinen als die Türkei, dann zeigt es die Wirkung der Verzerrung, haben beide Staaten mit 775000 qkm doch fast die Fläche der Türkei mit 780000 qkm)
Wozu nun diese ganzen Zahlen?
Um mal die Dimensionen zu vergegenwärtigen, welch gewaltige Entfernungen das Reich über drei Kontinente umfasste, wo überall Janitscharen herumschwirrten und sich niederließen.
Klar, im Habsburgerreich ging die Sonne auch niemals unter, aber ich denke, man kann nicht alle spärlichst besiedelte Kolonien, die in Karten selbstverständlich als spanisch/portugiesisch/... bezeichnet und komplett eingefärbt werden, mit den doch anderen Verhältnissen im fruchtbaren Halbmond mit seinen Städten und Festungen, oder mit dem Niltal vergleichen, oder? Klar war die Herrschaft intelligenterweise mal mehr mal weniger direkt.
Jedenfalls werden anhand obiger Zahlen die Beweggründe etlicher wiss. Autoren deutlich, die von dem osmanischen
Weltreich sprechen.
Ausserdem wollte ich hier noch einwerfen, dass das Osmanische Reich immerhin in der Lage war, das aufstrebende Spanien in Nordafrika in seine Schranken zu verweisen (Z.B. Tunis), womit diese sich dann auch verstärkt dem Atlantik zuwandten, neben anderen Faktoren.
Good night, LG lynxxx