Aber es stimmt schon: Die Römer hatten alles was es für Heissluftballon, Schwarzpulver, Magnetkompass, Buchdruck, und so weiter braucht. Dennoch haben sie nichts davon erfunden/gebaut.
Du gehst also davon aus, dass Erfindungen, wenn die Grundlagen dafür existieren, quasi zwangsläufig gemacht werden müssen, andernfalls man auf bestimmte Defizite der Kultur, die sie trotzdem nicht macht, schließen kann? So eine ähnliche Diskussion hatten wir neulich erst, und ich sehe es immer noch anders. Es ist leicht, hinterher zu sagen, diese und jene Erfindung war "logisch", und dann den Kopf zu schütteln, wieso sie nicht schon früher gemacht wurde. Trotzdem bedarf es aber jemandes, der die Erfindung macht. Auch im 19./20. Jhdt. wurden die meisten Erfindungen nur von einem oder einigen wenigen, die dann in der Regel auch auf frühere Vorarbeiten von einigen wenigen anderen zurückgreifen konnten, gemacht, obwohl die Grundlagen zig Millionen Menschen theoretisch zur Verfügung standen. Und auch in der Neuzeit wurde nicht alles sofort erfunden, sobald die technischen und materiellen Grundlagen dafür existierten.
Meine eigene Theorie basiert im wesentlichen auf zu geringer Bevölkerungsdichte in Kombination mit unzureichenden Kommunikationsmitteln. Wurde alles oben schon angesprochen.
Von einer Bevölkerung kann immer nur ein kleiner Prozentsatz die Musse haben, Erfindungen oder Wissenschaft zu machen. Der Prozentsatz ist natürlich unterschiedlich, aber wenn es wenig Menschen gibt, gibt es wenig Erfindungen pro Jahr.
Gab es ausser Rom und Alexandria zu der Zeit noch andere Zentren mit sowas wie Technologie und Wissenschaft? Konnten die kommunizieren oder waren die etablierten Postwege der Administration und dem Militär vorbehalten?
Die gegenseitige Anregung erfordert halbwegs schnelle bezahlbare Kommunikation (und damit meine ich auch die Reproduktion von Schriften) und eine gewisse Mindestmenge an teilnehmenden Individuen. Ist das nicht gegeben, stirbt die Entwicklung. Ich meine, das war im Römischen Reich der Fall. Wahrscheinlich gibt es eine kritische Masse an Kommunkationsmenge, unterhalb derer eine Entwicklung nicht möglich ist.
Das römische Reich hatte vermutlich ca. 50 Mio. Einwohner, einige Städte hatten mehrere hunderttausend Einwohner, und Ägypten allein hatte etwa 7 Mio. Einwohner, war also durchaus recht dicht besiedelt.
Was vielleicht ein bisschen ein Problem war, war, dass Naturwissenschaften teilweise ein bisschen ein Schattendasein fristeten, was das Ansehen betrifft. Wer sich wissenschaftlich betätigen und damit Ansehen erwerben wollte (und das war für die meisten ein wesentliches Motiv), der widmete sich primär der Geschichtsschreibung oder Philosophie, eventuell auch Literaturwissenschaft, Geographie, Mathematik oder Astronomie. Physik und Chemie waren eher Außenseiterwissenschaften, vor allem wenn es um praktische Anwendungen ging. Wenn schon, wurde eher über die Grundlagen theoretisiert. Leute wie Archimedes, die mathematische und physikalische Erkenntnisse praktisch umsetzten, waren eher die Ausnahme.