Warum war der Axel-Springer-Verlag bei Rudi Dutschke so verhaßt?

Barbarossa

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Hallo Leute!

Heute habe ich in der Zeitung gelesen, daß eine Straße in Berlin per Bürgerentscheid nach Rudi Dutschke benannt wurde, die direkt in die Axel-Springer-Str. einmündet. Der Verlag will rechtliche Schritte einleiten...
Man hat dem Studentenführer von 1968 anscheinend sein Vorgehen gegen den Verlag bis heute nicht verziehen.

Da stellt sich mir die Frage:
Wie kam es gerade zu dieser Feindschaft?
Angefeindet wurde Dutschke ja von allen Seiten, schließlich zettelte er ja auch eine richtige Revolution an. Aber warum Axel Springer? Tat er mehr als andere gegen die Studentenbewegung?

Bin gespannt auf eure Antworten.
;)
 
, schließlich zettelte er ja auch eine richtige Revolution an.
Na, unter einer richtigen Revolution, verstehe ich aber etwas anderes.

Wer war er denn. Ein hochstilisierter, im damaligen Jargon Studentenführer.

Schon der Ausdruck "Studentenführer" ist ja genial. Als ob Deutschland nur aus Studenten bestanden hätte.
 
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Die "Bild" war damals sehr einseitig gegen die Demonstranten ausgerichtet. Die waren für "Bild" Chaoten, langhaarige Spinner etc.
Bei Rudi Dutschke gab es noch ein spezielles Problem: Nach Ansicht vieler war es die Berichterstattung der Bild-Zeitung, die indirekt dazu führte, dass der Hilfsarbeiter Josef Bachmann das Attentat auf Dutschke verübte.
Auf jeden Fall war der Konflikt zwischen 68ern und Bild-Zeitung sehr heftig; am bekanntesten wurden folgende Aktionen:

1968 - heftige Demonstrationen am Springer-Verlagshaus in Berlin; diverse Versuche, die Auslieferung der Zeitungen zu verhindern.

1972 - Sprengstoffanschlag der RAF auf das Springer-Hochhaus in Hamburg, 17 Verletzte.

1977 - der Reporter Günter Wallraff "tarnt" sich als Bild-Reporter, arbeitet einige Monate für die Bild-Redaktion in Hannover und veröffentlichte das Enthüllungsbuch "Der Aufmacher".
 
Da stellt sich mir die Frage:
Wie kam es gerade zu dieser Feindschaft?
Angefeindet wurde Dutschke ja von allen Seiten, schließlich zettelte er ja auch eine richtige Revolution an. Aber warum Axel Springer? Tat er mehr als andere gegen die Studentenbewegung?

Lynxxx erwähnt die Manipulation, aber mE ist das nicht alles. Im genannten Verlag kommt nicht nur das bekannteste Vierbuchstabenblatt heraus, sondern zb auch die 'Welt', also ein weiteres. In diesen Publikationen wurde seinerzeit ein strikt antikommunistisches und konservatives Weltbild angeboten. Es war daher nicht orthographischen Erwägungen geschuldet, daß Publikationen aus diesem Verlag sich lange nur über eine "sogenannte 'DDR'" äußerten (wobei wir gerne diskutieren können, ob hier nicht die mathematische Weisheit greift, daß minus mal minus plus ergibt...), oder weder die sowjetische oder die DDR-Regierung anders nennen mochten als 'der Kreml' und 'Pankow'.

Wir haben also auf der einen Seite einen Verlag, dem der Antikommunismus geradezu Religionsersatz ist; auf der anderen Seite haben wir Studenten, die mehr oder weniger sozialistisch orientiert sind, die das in der BRD gegebene System reformieren bis revolutionieren möchten sowie auch erstmals offen und deutlich eine Aufarbeitung des Faschismus einfordern und zb kritisieren, daß einige Amtsträger bereits vor 45 in Würden waren.

Die Studenten demonstrieren (zwar nur unter anderem, aber das war natürlich das am besten Sichtbare) für&gegen, und die Vierbuchstabenblätter machen in diesen Studenten ihren ärgsten Feind aus, der genau das einführen will, was man im Verlag so strengstens ablehnt. Die Blätter schüren dabei Wut, aber auch Unverständnis bei der normalen Bevölkerung mit vierlerlei Parolen, die man heute als populistisch bezeichnen würde (Früher hätte man denen..., die sollen doch erstmal arbeiten, die haben noch nix geleistet & meinen, Arbeitslager, Nestbeschmutzer, die sollen doch rüber wenns ihnen hier nicht paßt, etc pp). Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Vierbuchstabenblätter dabei den sogen Studentenführern (=Rädeslführern), zu denen auch Dutschke gezählt wurde. Ein weiteres, liebes Feindbild waren zB die Leute aus der KommuneI.

Du mußt dir außerdem vorstellen, daß wir zwar damals bereits lt Grundgesetzt einige Freiheiten und Rechte hatten, wie zb das Demonstrationsrecht, daß aber eine Teilnahme an der Politik und eine Meinungsäußerung auf der Straße durch Demonstrationen als eher ungehörig angesehen wurde. Viele Menschen waren 45 desillusioniert, wollten mit Politik nichts zu tun haben und dies eher für sich erledigen lassen als selbst aktiv etwas zu gestalten oder gar zu verändern. Die Möglichkeit von Alternativen wurde eher mit dem Hinweis auf 'drüben' abgeschmettert, bevor diese auch nur richtig durchdacht waren: es gehörte sich einfach nicht, es ist so und aus. Es war außerdem noch ein beträchtliches Obrigkeitsdenken in den Köpfen; viele erwarteten, gesagt zu bekommen, was sie zu tun hätten und meinten, genauso sei es richtig und dies dürfe nicht in Frage gestellt werden oder andere Wege gesucht oder gar beschritten.

Das Schüren der Wut ging so weit, daß auf Dutschke ein Attentat verübt wurde - von einem Hilfsarbeiter, der seine politischen Ansichten aus einem der Vierbuchstabenblätter bezog. Dutschke ist letztlich an den Folgen dieses Attentats gestorben.

Man könnte also sagen: da ist wer nachtragend bis weit über den Tod hinaus, und der Anstifter nimmt es dem Opfer heute noch übel... Das wäre aber arg polemisch. Es hat mE zumindest nicht viel mit Pietät zu tun, den Namen einer Straße abzulehnen, weil es sich um eine Figur der Zeitgeschichte handelt, gegen deren Meinung man etwas hatte.

Andererseits haben diese Vierbuchstabenblätter zB damals auch gegen Willi Brandt polemisiert und in eindeutiger Art und Weise immer wieder dessen Emigration angestichelt und diese zwischen den Zeilen so darzustellen gewußt, daß eine Emigration aus Nazideutschland als Vaterlandsverrat erschien.
 
1977 - der Reporter Günter Wallraff "tarnt" sich als Bild-Reporter, arbeitet einige Monate für die Bild-Redaktion in Hannover und veröffentlichte das Enthüllungsbuch "Der Aufmacher".


Hat der Wallraff nicht auch "ganz unten" geschrieben?
Als Türke verkleidet und so arbeitete.

Ich bin zwar ossi und mich ging das damals nichts an, aber ich habe auch gemerkt, das er wusste, wie man Kohle machen kann.

Das Buch "ganz unten " wurde sogar in der DDR verlegt. (blödes Wort) es wurde natürlich nicht verlegt, sondern ein Verlag sorgte dafür, das wir es lesen konnten.
 
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Die "Bild" war damals sehr einseitig gegen die Demonstranten ausgerichtet. Die waren für "Bild" Chaoten, langhaarige Spinner etc.
Bei Rudi Dutschke gab es noch ein spezielles Problem: Nach Ansicht vieler war es die Berichterstattung der Bild-Zeitung, die indirekt dazu führte, dass der Hilfsarbeiter Josef Bachmann das Attentat auf Dutschke verübte.
Das ist ein Stichwort, mit dem speziellen Problem: das lag wohl auch darin, daß Dutschke ja aus der DDR kam und durch sein Studium im Westen 'gelandet' war - er hatte also 'drüben' erlebt und statt sich im Westen ein Loch in die Büx zu freuen und Hosianna zu singen, will der Kerl doch glatt hier auch den Sozialismus einführen.... Das kann bei entsprechender Sichtweise natürlich als 'unbelehrbar' rüberkommen.

Auf jeden Fall war der Konflikt zwischen 68ern und Bild-Zeitung sehr heftig; am bekanntesten wurden folgende Aktionen:

1968 - heftige Demonstrationen am Springer-Verlagshaus in Berlin; diverse Versuche, die Auslieferung der Zeitungen zu verhindern.
Nach meiner Erinnerung gab es diese Demos mit entschlossenen Versuchen, die Auslieferung zu ver/behindern aber erst nach dem Attentat auf Dutschke und als Reaktion darauf. Nicht nur in Berlin, auch in Hamburg, Frankfurt und weiteren Städten.

1972 - Sprengstoffanschlag der RAF auf das Springer-Hochhaus in Hamburg, 17 Verletzte.
Das hat aber nichts mehr mit Dutschke zu tun.

1977 - der Reporter Günter Wallraff "tarnt" sich als Bild-Reporter, arbeitet einige Monate für die Bild-Redaktion in Hannover und veröffentlichte das Enthüllungsbuch "Der Aufmacher".
Das eigentlich auch nicht. Kommentare zum Vierbuchstabenblatt kursierten 'im Volk' ja auch schon vor 68, die deutlich machten, daß man sich sehr wohl über die Qualität und die Praktiken im Klaren war:
"B... sprach zuerst mit der Leiche"
"Sensation: der Sprung aus dem Kellerfenster: B... war dabei"
 
Hat Dutschke nicht sogar eine zeitlang Sportberichte für Springer-Blätter verfasst? Natürlich vor 1967.
"Springer-Presse halt die Fresse"
Wenn ich an die alten Sprüche denke wirds mir immer so .........., soeben habe ich die Krawatte in die Ecke gepfeffert und die Ärmel hochgekrempelt. Das Jacket kommt in die Lumpensammlung!!!!!!!!!!!!!!
10.00 Uhr habe ich Termin, reicht gerade noch die Krawatte wieder umzubinden!
 
Man muss sich vor Augen halten, dass Axel Springer damals all das verkörperte, was die Studentengeneration der 60er Jahre bekämpfte. Als Benno Ohnesorg 1967 erschossen wurde, und die Berichterstattung der BILD diesbezüglich sehr einseitig war, begannen die Proteste und Demonstrationen der überwiegend links ausgerichteten Studentenschaft gegen die so genannte "Springer-Presse".

In der Tat war die BILD-Zeitung - damals wie heute - ein eher bürgerliches und wertkonservatives Blatt, dass sowohl den Kommunismus als auch die studentische APO unter ihrem Führer Rudi Dutschke entschieden bekämpfte. Die linksgerichteten Studenten warfen Axel Springer und seiner BILD "Anstiftung zu Straftaten" sowie Herabsetzung der Gegner der Hitler-Diktatur vor, ferner eine rigorose Zensur. Als Folge kam es zu Brandanschlägen auf Dienstfahrzeuge des Springer-Konzerns.

Als dann 1968 das Attentat auf Rudi Dutschke erfolgte, gab man der Springer-Presse die Schuld daran und brandmarkte sie als Anstifter und Brunnenvergifter. Nur mühsam konnte damals die Erstürmung des Springergebäudes in Hamburg durch Demonstarnten verhindert werden.
 
Das Buch "ganz unten " wurde sogar in der DDR verlegt. (blödes Wort) es wurde natürlich nicht verlegt, sondern ein Verlag sorgte dafür, das wir es lesen konnten.
Was in der Fachsprache tatsächlich "verlegt" heißt - daher "Verlag".
Ich bedanke mich für eure vielen Antworten. Es war für mich sehr interessant und aufschlußreich.
Übrigens, was mir zu den Zeitungen, die Axel Springer herausgibt, noch eingefallen ist: Es gehört ja nicht nur "Bild" und "Die Welt" dazu, sondern z. B. auch die "Berliner Morgenpost" - eine Zeitung, die in Berlin und im "Speckgürtel" von Brandenburg (das ist der Berlinnahe Rand) auch eine sehr hohe Auflage hat.
:winke:
 
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Übrigens, was mir zu den Zeitungen, die Axel Springer herausgibt, noch eingefallen ist: Es gehört ja nicht nur "Bild" und "Die Welt" dazu, sondern z. B. auch die "Berliner Morgenpost" - eine Zeitung, die in Berlin und im "Speckgürtel" von Brandenburg (das ist der Berlinnahe Rand) auch eine sehr hohe Auflage hat.
Nur als ein Beispiel von vielen.
In Schleswig-Holstein/Hamburg hat der Springer-Verlag praktisch ein Zeitungsmonopol aufgebaut. Die vorhandenen lokalen und regionalen Tageszeitungen sind nach und nach von Springer aufgekauft worden. Soweit ich weiß, sind nur noch drei Tageszeitungen unabhängig vom Springer-Verlag: zum einen die Morgenpost (früher im Besitz der SPD) und die Flensborg Avis, die Zeitung der dänischen Minderheit hier (aber zusammengelegt mit der Zeitung der deutschen Minderheit in Dänemark sowie einigen kleineren regionalen Tageszeitungen fusioniert). Die dritte ist die taz, die aber zb ihre Regionalbeilagen reduziert hat.

Und sorry zwar nicht wg :eek:fftopic:, sondern weil nicht historisch :oops:
Ich bin jetzt auch :still:
 
... also ich würde die Frage genau umgekehrt stellen : "Warum war Rudi Dutschke beim Axel Springer Verlag so verhaßt?"
 
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.... ich nehme meine Frage zurück.

Wir kommen in Bereiche, zu denen ich vielleicht einiges zu sagen hätte, aber nichts sagen möchte.

schönen Abend noch
 
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