Da stellt sich mir die Frage:
Wie kam es gerade zu dieser Feindschaft?
Angefeindet wurde Dutschke ja von allen Seiten, schließlich zettelte er ja auch eine richtige Revolution an. Aber warum Axel Springer? Tat er mehr als andere gegen die Studentenbewegung?
Lynxxx erwähnt die Manipulation, aber mE ist das nicht alles. Im genannten Verlag kommt nicht nur das bekannteste Vierbuchstabenblatt heraus, sondern zb auch die 'Welt', also ein weiteres. In diesen Publikationen wurde seinerzeit ein strikt antikommunistisches und konservatives Weltbild angeboten. Es war daher nicht orthographischen Erwägungen geschuldet, daß Publikationen aus diesem Verlag sich lange nur über eine "sogenannte 'DDR'" äußerten (wobei wir gerne diskutieren können, ob hier nicht die mathematische Weisheit greift, daß minus mal minus plus ergibt...), oder weder die sowjetische oder die DDR-Regierung anders nennen mochten als 'der Kreml' und 'Pankow'.
Wir haben also auf der einen Seite einen Verlag, dem der Antikommunismus geradezu Religionsersatz ist; auf der anderen Seite haben wir Studenten, die mehr oder weniger sozialistisch orientiert sind, die das in der BRD gegebene System reformieren bis revolutionieren möchten sowie auch erstmals offen und deutlich eine Aufarbeitung des Faschismus einfordern und zb kritisieren, daß einige Amtsträger bereits vor 45 in Würden waren.
Die Studenten demonstrieren (zwar nur unter anderem, aber das war natürlich das am besten Sichtbare) für&gegen, und die Vierbuchstabenblätter machen in diesen Studenten ihren ärgsten Feind aus, der genau das einführen will, was man im Verlag so strengstens ablehnt. Die Blätter schüren dabei Wut, aber auch Unverständnis bei der normalen Bevölkerung mit vierlerlei Parolen, die man heute als populistisch bezeichnen würde (Früher hätte man denen..., die sollen doch erstmal arbeiten, die haben noch nix geleistet & meinen, Arbeitslager, Nestbeschmutzer, die sollen doch rüber wenns ihnen hier nicht paßt, etc pp). Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Vierbuchstabenblätter dabei den sogen Studentenführern (=Rädeslführern), zu denen auch Dutschke gezählt wurde. Ein weiteres, liebes Feindbild waren zB die Leute aus der KommuneI.
Du mußt dir außerdem vorstellen, daß wir zwar damals bereits lt Grundgesetzt einige Freiheiten und Rechte hatten, wie zb das Demonstrationsrecht, daß aber eine Teilnahme an der Politik und eine Meinungsäußerung auf der Straße durch Demonstrationen als eher ungehörig angesehen wurde. Viele Menschen waren 45 desillusioniert, wollten mit Politik nichts zu tun haben und dies eher für sich erledigen lassen als selbst aktiv etwas zu gestalten oder gar zu verändern. Die Möglichkeit von Alternativen wurde eher mit dem Hinweis auf 'drüben' abgeschmettert, bevor diese auch nur richtig durchdacht waren: es gehörte sich einfach nicht, es ist so und aus. Es war außerdem noch ein beträchtliches Obrigkeitsdenken in den Köpfen; viele erwarteten, gesagt zu bekommen, was sie zu tun hätten und meinten, genauso sei es richtig und dies dürfe nicht in Frage gestellt werden oder andere Wege gesucht oder gar beschritten.
Das Schüren der Wut ging so weit, daß auf Dutschke ein Attentat verübt wurde - von einem Hilfsarbeiter, der seine politischen Ansichten aus einem der Vierbuchstabenblätter bezog. Dutschke ist letztlich an den Folgen dieses Attentats gestorben.
Man könnte also sagen: da ist wer nachtragend bis weit über den Tod hinaus, und der Anstifter nimmt es dem Opfer heute noch übel... Das wäre aber arg polemisch. Es hat mE zumindest nicht viel mit Pietät zu tun, den Namen einer Straße abzulehnen, weil es sich um eine Figur der Zeitgeschichte handelt, gegen deren Meinung man etwas hatte.
Andererseits haben diese Vierbuchstabenblätter zB damals auch gegen Willi Brandt polemisiert und in eindeutiger Art und Weise immer wieder dessen Emigration angestichelt und diese zwischen den Zeilen so darzustellen gewußt, daß eine Emigration aus Nazideutschland als Vaterlandsverrat erschien.