Ich versteh diesen Hype um Friedrich den Großen nicht,
Welchen Hype um Friedrich II. hast du denn in letzter Zeit wo wahrgenommen? Würde mich mal interessieren?
klar hat er viele gute Reformen (Kartoffel!!) etc eingeführt,
Interessant, dass bei den Reformen immer wieder die Annekdote mit der Kartoffen auftaucht, während ander Dinge, wie etwa die Abschaffung der Leibeigenschaft, mindestens auf dem Krondomänen oder die (weitgehende) Abschaffung der Folter relativ wenig im kollektiven Gedächtnis präsent sind.
aber war er in der ersten Linie nicht ein gewaltiger Glückspilz?
Außenpolitisch ja, da hat er sich auch in Teilen eher ungeschickt verhalten. Den letzten Krieg mit Österreich hat er dadurch seinen traditionellen Verbündeten Frankreich gegen Großbritannien auszutauschen ("Umkehrung der Allianzen") auch zu einem ordentlichen Teil mit heraufbeschworen.
Nichts desto weniger, hat sein Wirken und auch das Glück, dass er dabei hatte eine sehr einschneidende Wirkung auf die weitere Geschichte Europas gehabt, denn ohne dem, wäre Preußen wahrscheinlich eine Mittelmacht geblieben, und die Geschichte Europas ob zu Besseren oder Schlechteren, wahrscheinlich völlig annders verlaufen.
Wäre Russland vom Feind nicht zum Verbündeten geworden, hätte man ihn wohl kleingehauen.
Zum de faco Verbündeten gegen Österreich und Frankreich wurde es ja nie. Sicherlich hat Friedrich mit dem Tod Zarin Elisabehs und der Thronwechsel zu Peter III. in St. Petersburg Durchaus Glück gehabt, wobei man hier natürlich spekuliren kann, ob es möglicherweise auch zwischen Friedrich und der Zarin zu einem Arrangement gekommen wäre, weil Russland in der Dreierallianz eigentlich am Wenigsten Gewinn zu erwarten hatte.
Das einzige territorium, dessen Annexion für Russland Sinn eergeben hätte, wäre Ostpreußen (damals noch ohne das Ermland und die Gegend um Elbing, die noch zum königlichen, heißt polnischen Preußeen gehörten) und dass war relativ wenig attraktiv, weil bis auf Königsberg nicht besonders gut entwickelt, in Teilen (Masuren) mit ziemlich bescheidenen Bodenqualitäten und durch den Krieg selbst ziemlich heruntergewirtschaftet.
Durchaus denkbar, dass es da auch auf anderem Wege zwischen Preußen und Russland zum Frieden gekommen wäre.
Berlin war ja schonmal besetzt.
Ja, aber das sollte man durchaus nicht überbwerten. Die Krux an der Kriegsführung in der Zeit der Kabineettskriege war, dass die Söldnerheere, mit denen sie geführt wurden, zu klein waren, als dass man damit größere Landstriche flächendeckend hätte besetzen oder risikolos in großer Entfernung hätte agieren können.
Insofern bedeutete die Besetzung von Berlin eine mögliche Plünderung der Residenzen, allerdings war auch klar, dass die Besatzer die Stadt bald wieder verlassen mussten um den Kampf weiterführen zu können.
In der Napoleonik und später, als die Armeen Großen erreichen, dass die vollständige Besetzung von Territorien in der Größe Brandenburgs und Preußisch Pommerns problemfrei machbar gewesen wäre, hätte Preußen diesen Krieg nie überstehen können, aber in der Zeit der Kabinettskriege und der vergleichsweise kleinen Söldnerheere, konnte eine unterlegene Partei im Grunde genommen endlos lange einee hit-and-run Taktik betreiben, versuchen einee größere Streitmacht auszumanövrieren, teile von ihr in Scharmützel zu verwickeln und ihr ihre Naschublinien abzuschneiden und ihren Tross zu erbeuten, so dass diese die Kampagne abbrechen und sich zurückziehen musste (Aus dem Land leben und die Landbevölkerung ausplündern galt zu dieser Zeit als verpönt und gegen die anerkannten Regeln der Kriegsführung) und sich bei Misserfolg einfach in die Weite des Landes zurück zu ziehen.
Viele kriegerische Erfolge in der Eopche sind ein Stück weit einfach damit zu erklären, dass es bedingt durch diese Strukturen keine großen Besetzungen und Vernichtungsschlachten gab.
Das gilt nicht nur für Preußen.
Sondern z.B. auch für den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, in dem die Briten einfach vor dem Problem standen zwar die im Kampf weitgehend überlegenen Truppen zu haben, aber nicht in der Lage zu sein die riesigen Territorien zu besetzen und zu kontrollieren, wohingegen die Milizen der Kolonisten immer wieder ausweichen und sich vorteilhafte Schlachtfelder aussuchen konnten.
Ähnliche Probleme bewegten auch Preußen später aus der antifranzösischen Allianz des 1. Kaolitionskrieges auszuscheren.
Ein weites Eindringen nach Frankreich hinein, war einfach nicht machbar, ohne die eigene Schlagkraft komplett einzubüßen.
Kalr XII. von Schweden machte am Beginn des 18. Jahrhunderts bei seiner Kampagne in Russland ganz ähnliche Erfahrungen.
Insofern, nach den Gegebenheiten der Zeit war des Fritzens Krieegsführung durchaus versiert und hätte wahrscheinlich auch noch eine Zeit lang länger durchgezogen werden können, zumal die Dreierallianz ohnehin nicht auf den festesten Fundamenten stand:
- Russland hatte wie gesagt nichts wirklich interessantes an Territorien zu gewinnen.
- Frankreich hatte vor allem ein Interesse Österreich als Verbündeten zu halten und sandte dementsprechend pflichtschuldig in paar Truppen hieelt sein Engagenemt in Europa aber auch in Grenzen, weil Preußen im Westen keine Territorien hatte, die für Frankreich wirklich interessant gewesen wären und für Frankreich in erster Linie Großbritannien der Gegner war.
Das heißt, man konzeentrierte sich auf den Krieg in Übersee gegen die Briten und war vor allem an der Besetzung des in Personalunion mit Großbritannien regieren Braunschweig-Lüneburg/Hannover interessiert um dieses gegebenenfalls gegen Zugeständnisse in Übersee einzutauschen, nicht so sehr an Preußen.
In der Hauptsache kämpfte Preußen gegen Habsburg, dem der Verlust Schlesiens wirtschaftlich sehr weh getan hatte und dessen Rückeroberung sich tatsächlich gelohnt hätte.
Bei den beiden Verbündeten Maria Theresias konnte man durchaus unterstellen, dass dise wahrscheinlich aus dem Krieg mit Preußen ausscheiden würden, wenn dieser zu teuer und zu langwierig würde.
Insofern war die Lage Preußens in diesem Krieg de facto nicht so verzweifelt, wie man sich das bei einem Blick auf die Karte vor dem Hintergrund moderner Krieegsführung mit flächendeckenden Besetzungen vielleicht vostellen mag.
Hab schon gehört man hatte sein "Glück" doch schon vorausahnen können, aber würde mal gerne eure Meinung hören.
Wie gesagt, man konnte durchaus darauf spekulieren, dass Frankreich und Russland eigentlich andere Kerninteressen hatten und ihr Engagenment in Grenzeen halten und es beenden würden, wenn das ganze zu kostspielig würde.
Insofern war das Ergebnis kein so großes Wunder, wie es in der nationalen Mythenbildung mitunter betrachtet worden ist, zumal wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch auf der anderen Seite Maria Theresia ihre Probleme hatte, insofern der Habsburgische Teerritorialverband eben noch kein durchorganisirtes absolutistisches Staatswesen war.
Maria-Theresia konnte relativ gut auf die Ressourcen alten Habsburgischen Erblande im Territorium des heutigen Österreichs und Sloweniens zurückgreifen, bereits in den Böhmischen Ländern stieß das aber an Grenzen.
Es gelang zwar im Zuge der Auseinandersetzung mit Preußen die böhmischen Stände dazu zu bewegen der gemeinsamen Verwaltung der böhmischen Angelegenheiten mit denen der österreichischen Länder mehr oder weniger zuzustimmen, aber bis das Früchte trug dauerte es seine Zeit und wirkte sich auf den Siebenjährigen Krieg kaum noch aus.
Die anderen habsburgischen Territorien, sprich die Österreichischen Niederlande (Luxemburg und Belgien ohne das Bistum Lüttich), das Herzogtum Mailand und das Königigreich Ungarn wurden zwar von Maria Theresia in Personalunion regiert, bildeten aber keine Realunion mit den anderen Territorien und was diese Gebiete an Geldmitteln und Soldaten zu stellen bereit waren, musste mit den jeweiligen Ständen/Magnaten immer wieder mühsam neu ausverhandelt werden und die wiederrum waren am Ende selten daran interessiert, dass ihre Ressourcen für Krieg in relativ weit entfernten Gegenden Europas aufgewendet wurden, statt für die eigene Sicherheit und die Entwicklung der eigenen Territorien, insofern konnte man sicherlich auch voraussetzen, dass die Motivation der Mailänder und der Oberschichten in den österreichischen Niederlanden, dauernd neue Truppen für einen Krieg um Schlesien zu finanzieren, das sie überhaupt nicht interessierte, eher gering sein und mit längerer Dauer und steigenden Kosten womöglich ausfallen würde.
Insofern, wie gesagt, standen des Fritzens Chancen nicht so schlecht, wie ein Blick auf die Landkarte das vielleicht weißmachen würde, dennoch war es am Ende ein hohes Risiko und es war aus Sicht Friedrich II. viel Glück dabei, dass es sich so entwickelte.
Allein es war kein Wundern, dass einen entsprechnden Kult rechtfertigen würde.