Was hat Wilhelm II. mit dem 1. Weltkrieg zu tun

Tib. Gabinius schrieb:
Def. nicht Manganite.
Und er sah nicht nur gerne bei Manövern zu.
Er nahm mehrere Jahre hintereinander an verschiedenen Manövern teil. So führte er des öfteren Kavvallerie zum Angriff.
Natürlich war diese schon längst veraltet, und der neigte dazu klassische Frontalangriffe zu reiten, die im scharfen Einsatz zu einer Katastrophe geführt hätten, aber da er der zukünftige Kaiser war....
Zuschauen, mitmachen... Das ist nicht der Punkt. Er war glaube ich eher ein Sandkastensoldat, als ein Frontkämpfer. Oder meinst Du seine Majestät hätten sich bei einem Manöver (außer natürlich durch eigene Dummheit) verletzen können?

Es ist ein großer unterschied, ob man fürs militärische schwärmt, an Manövern teilnimmt oder wirklich einen Krieg führen will. Wie das bei Wilhelm wirklich war, weiß ich natürlich nicht, aber es kommt oft so rüber...
 
Papa_Leo schrieb:
Naja, Stichworte "Boxeraufstand", "Hunnenrede" und "Panthersprung" - benimmt sich so jemand, der Kriege vermeiden möchte?
Wenn er einfach nur ein Großmaul ist, dass sich gerne pathetisch ausdrückt? Mit Worten kann man sehr leicht Kriege führen, es wirklich zu tun ist ein Unterschied...
 
Papa_Leo schrieb:
Naja, Stichworte "Boxeraufstand", "Hunnenrede" und "Panthersprung" - benimmt sich so jemand, der Kriege vermeiden möchte?

Wie oben schon ausgeführt, war er ein Aufschneider der sich in Wortwahl oft vergriff.
Getönt hat er gerne.
Er führte auch regelrechte Hetztiraden gegen seinen Vater und dessen (kurzer) Herrschaft, genau wie er versprach Bismarck sofort zu verweisen.
Beides wurde aber von der Zeit als leeres Geschwaffel entarnt, denn der Tot seines Vaters traf ihn doch tief und Bismarck blieb noch lange im Amt.

Charakteristisch ist hingegen seine Reaktion nachdem er dem Volk auf seinem Balkon erklärte, dass Krieg herrsche.
Die Zeugen beschreiben wie er danach einen zutiefst depremierten Eindruck machte und sich zurückzog, nachdem er vorher lange zögerte dem Volkswillen nachzukommen.

Auch griff er nicht mehr maßgeblich in die Kriegsführung ein und nach 15/16 zieht er sich fast völlig zurück. Sieht so jemand aus der hat, was er wollte? ;)
 
manganite schrieb:
Zuschauen, mitmachen... Das ist nicht der Punkt. Er war glaube ich eher ein Sandkastensoldat, als ein Frontkämpfer. Oder meinst Du seine Majestät hätten sich bei einem Manöver (außer natürlich durch eigene Dummheit) verletzen können?

Es ist ein großer unterschied, ob man fürs militärische schwärmt, an Manövern teilnimmt oder wirklich einen Krieg führen will. Wie das bei Wilhelm wirklich war, weiß ich natürlich nicht, aber es kommt oft so rüber...

Er hätte sich verletzen können. Ein Sturz vom Pferd... :D Nein im ernst, damit wollte ich nur der Vollständigkeit nachkommen (und komplett ungefährlich ist es trotz allem nicht, so mancher Adlige kam beim reiten zu Tode).
Er war nicht mal ein Sandkastensoldat. Grünwald attestiert ihm eine komplette milit. Unfähigkeit, und die Manöver scheinen dies zu bestätigen. Er liebte halt nur einfach das militärische Auftreten. Begründet wird dies von Röhl durch die Tatsache, das seine militärische (Zwangs)Laufbahn ihm eine Zuflucht vor seinem Erzieher bot...aber das würde jetzt hier zu weit führen.

Man kann es mit den romantischen Bildern vergleichen die einige heute vom antiken Leben oder dem bäuerlichen haben. Schein und sein sind zwei Welten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tib. Gabinius schrieb:
Beides wurde aber von der Zeit als leeres Geschwaffel entarnt, denn der Tot seines Vaters traf ihn doch tief und Bismarck blieb noch lange im Amt.
Weniger als 2 Jahre? Das ist doch keine lange Zeit? Es scheint vielmehr so gewesen zu sein, daß Wilhelm die erste Gelegenheit, die sich mit 1890 bot, Bismarck loszuwerden, nutzte. Denn immerhin war es der Blut- und Eisenkanzler, der Deutschland geeint hatte, eine lebende Legende, die Wilhelm II. 1888 gegenüberstand. Die konnte er nicht einfach grundlos entlassen. Gerade Bismarck ist das beste Beispiel, daß es nicht leeres Geschwafel war, was der zweite Wilhelm da von sich gab.
Und wenn da jemand regelmäßig Angst vor der eigenen Courage hat, so heißt das keineswegs, daß er nichts anzetteln kann.
Was den letzten Punkt betrifft, daß er während des Krieges sich zusehends aus der Politik zurückzieht: dies kann schwerlich als Beweis herhalten, daß er da 1914 nicht gezündelt haben kann. Wie oft in unserem eigenen Leben wollten wir etwas haben und, als wir es in Händen hatten, merkten wir, daß wir es nicht beherrschen und legten es dann wieder weg.
Natürlich wollte Wilhelm II. den Krieg. Was ist schon ein Monarch - und dazu noch ein Hohenzollern - der keinen Krieg gewonnen hat?
 
Moment - zwischen reden und tatsächlich ein Expeditionskorps bzw ein Schlachtschiff losschicken ist ein Unterschied. Er hat eben nicht nur geredet.
 
Papa_Leo schrieb:
Moment - zwischen reden und tatsächlich ein Expeditionskorps bzw ein Schlachtschiff losschicken ist ein Unterschied. Er hat eben nicht nur geredet.
Es gibt aber auch noch einen Unterschied dazwischen, ein Schlachtschiff loszuschicken (damals was ziemlich normales) und einen Weltkrieg entfesseln zu wollen!
 
Über den Weltkrieg habe ich auch nicht geredet. Meine Anmerkung bezog sich allein auf die Aussage, dass er eigentlich nicht "scharf auf Kriege" war.
Und das mit dem Schlachtschiff kann so normal nicht gewesen sein, sonst wäre es von den anderen Mächten nicht als solcher Aussetzer empfunden worden.
 
manganite schrieb:
Es gibt aber auch noch einen Unterschied dazwischen, ein Schlachtschiff loszuschicken (damals was ziemlich normales) und einen Weltkrieg entfesseln zu wollen!
Was er losschickte war ein sogenannter "ungeschützter Kreuzer", was nicht einmal ein "normales" Schlachtschiff ist, sondern nur ein winziges und unbedeutendes. Dennoch war dies eine eindeutig kriegerische Geste, die weit - und zwar sehr weit - über ein "Getöse" hinausging. Daß dann wieder alles zurück genommen wurde, bedeutet nicht, daß er den Krieg nicht wollte, sondern nur, daß er Deutschland noch nicht für kriegsbereit hielt (dies ist aber keine realistisch-objektive Einschätzung, sondern die Wilhelms und seiner einflußreichen Berater).
 
Fischhof, dass die Kriegsentwicklung komplett in die Hände der OHL gelegt wurde (und der Kaiser kaum bis gar nicht Einfluß nahm) darauf zu schieben, dass er hinterher merkte dass es ihm zu groß geworden war ist eine ebenso wacklige Theorie, wie meine Vermutungen hinsichtlich der Bismarckentlassung, die wie ich zugeben muß ziemlich dünn ist.
Denn, wie erklärst du dann seine ständigen Gespräche mit dem Zaren (seinem "lieben Niki"), seine Intervention in der Balkankrise 1912 und seine Hoffnungen auf den österrischen Thronfolger als gemäßigten Regenten? Klingt nicht wie jemand der den Krieg wirklich in Kauf nehmen wollte oder? Denn schon 1912 wollten die Österreicher in Serbien klare Verhältnisse schaffen, und der Kaiser war maßgeblich daran beteiligt, sie davon abzuhalten.
Als Franz Ferdinand ermordet wurde sprach er "Jetzt muß ich wieder von vorne Anfangen" und meinte damit den Balanceakt zu versuchen, zwischen einem Krieg (wie er dann ausbrach) zwischen Serbien/Slawen und Österreich und seinen Verbündeten, und den KuK Hof zu verärgern indem man sich raushielt oder sie weiter in ihren Ambitionen zu mässigen versuchte.

Wilhelm trägt unter seinen Biographen und den Historikern die sich mit ihm auseinandersetzen viele Namen, je nach Periode. "Soldatenprinz", "Reisekaiser" aber auch "Schattenkaiser". Diesen Namen bekommt er, nachdem er begann sich fast nur noch auf See oder seinem Anwesen auf Korfu aufzuhalten.
Er ging sogar noch am 6. Juli auf Nordlandreise, nach seiner RÜckkehr bekam er Akten verspätet....sogar das Ultimatum an Serbien kam verspätet ihm zu Händen und so kommentierte er noch kurz vor der Kriegserklärung KuK-Serbien "Das ist mehr als wir erwarten konnten, damit fällt jeder Kriegsgrund fort."




Große Worte und kaum Taten sind ein Bild der Zeit, dass auch Reichskanzler Bethmann Hollweg einhielten, ebenso wie Moltke. Hollweg sagte so z.B.:" Wird uns ein Krieg aufgenötigt, so werden wir ihn schlagen und mit Gottes Hilfe nicht dabei untergehen."

Er glaubte die Sache schnell beenden zu können, indem man Belgrad nehme bevor der Russe mobilisiert hätte.

Auch der viel zitierte Blankscheck ist nichts anderes als ein Bericht des österr. Botschafters (Laszlo irgendwas...) aus einem Gespräch mit dem Kaiser, bei dem diesen, mal wieder, Worte entlockt werden.



Jetzt noch kurz zur Flotte und zum Panthersprung:
Zu dieser Zeit war es keinesfalls eine Kriegserklärung ein Schiff zu entsenden. England und auch die USA praktizierten dies schon lang und erfolgreich.
Einzig die Tatsache, dass Wilhelm Probleme mit dem englischen Königshaus (insbesondere seinem zu dem Zeitpunkt glaube ich schon lang verstorbenen Onkel) hatte und nun eine Flotte schuf, die den Seemächten natürlich unliebsame Konkurrenz bedeutete läßt diese Fakten und Taten viel heller leuchten als sie waren.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Fischhof, dass die Kriegsentwicklung komplett in die Hände der OHL gelegt wurde (und der Kaiser kaum bis gar nicht Einfluß nahm) darauf zu schieben, dass er hinterher merkte dass es ihm zu groß geworden war ist eine ebenso wacklige Theorie, wie meine Vermutungen hinsichtlich der Bismarckentlassung, die wie ich zugeben muß ziemlich dünn ist.

Nun, genau genommen habe ich nur festgestellt, daß Deine These, Wilhelm habe den Krieg nicht gewollt, mit dem Argument, er habe in dem Krieg an Macht verloren, nicht haltbar ist. Natürlich muß auch das Gegenteil bewiesen werden und dies tat ich nicht, ich stellte es nur in den Raum. Es ist aber bekannt, daß Wilhelm während des Krieges zunehmend an psychischen Schwierigkeiten litt, die ihn genauso zunehmend regierungsunfähig machten. Woran das gelegen haben mag, kann ich Dir nicht sagen, weil ich 1. kein Experte für Wilhelm II. und auch kein Arzt bin. Soweit ich davon gehört habe, sind diese Nevenleiden zum Teil zumindest auf die Aufregung des Krieges, das Wechselbad der Gefühle bei all den schnell aufeinanderfolgenden Hochs und Tiefs zurückzuführen. Und er wäre nicht der einzige Monarch, der davon mitgenommen wurde. Auch der Kaiser und König Österreich-Ungarns Karl machte das durch. Jetzt ist er letztlich dafür selig gesprochen worden, weil er friedenswillig war, nachdem ihm Hiobsbotschaften überbracht wurden (zuwenig Nahrungsmittel für den Winter, Meutereien von Truppen, Niederlagen, Nationalitätenkonflikte). Daß er sich während der letzten Isonzooffensive, nach den Beginn der deutschen Ludendorffoffensive oder Kaiserschlacht gar sehr kriegslüstern zeigte gehört aber genauso zu diesem Monarchen. Nur blieb er, obwohl entscheidungsschwach, entscheidungsfähig.

Tib. Gabinius schrieb:
Denn, wie erklärst du dann seine ständigen Gespräche mit dem Zaren (seinem "lieben Niki"), seine Intervention in der Balkankrise 1912 und seine Hoffnungen auf den österrischen Thronfolger als gemäßigten Regenten? Klingt nicht wie jemand der den Krieg wirklich in Kauf nehmen wollte oder? Denn schon 1912 wollten die Österreicher in Serbien klare Verhältnisse schaffen, und der Kaiser war maßgeblich daran beteiligt, sie davon abzuhalten.
Als Franz Ferdinand ermordet wurde sprach er "Jetzt muß ich wieder von vorne Anfangen" und meinte damit den Balanceakt zu versuchen, zwischen einem Krieg (wie er dann ausbrach) zwischen Serbien/Slawen und Österreich und seinen Verbündeten, und den KuK Hof zu verärgern indem man sich raushielt oder sie weiter in ihren Ambitionen zu mässigen versuchte.

Zum lieben Niki: Hast Du mal in Archiven in Akten gestöbert und gesehen, wie die sich da anreden, in ihren hochoffiziellen Briefen. Nehmen wir das Jahr 1850, denn da habe ich ein paar solcher Monarchenschreiben mal in den Händen gehabt. Österreich und Preußen nähern sich kontinuierlich in der Frage der Neugestaltung Deutschlands einem Krieg (der dann in letzter Minute abgewendet werden kann, aber das ist noch in der Ferne). Da wird ein Attentat auf Friedrich Wilhelm IV. verübt, wird aber nicht - zumindest nicht ernsthaft - verletzt. Natürlich muß man da in Österreich reagieren und Franz Joseph schreibt einen Brief. Und wie spricht er denjenigen an, der gerade versucht, ihn aus Deutschland zu schmeißen und gegen den er bereit ist, in Bälde Krieg zu führen? "Liebster Vetter, Eure königliche Majestät!" Was ist der Standartschlußsatz eines jeden Ministerialschreibens unter Ministern (auch bei größten und unüberwindlichen Differenzen)? "Genehmigen Excellenz den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung darzubringen, mit der ich verbeibe Eurer Excellenz ergebenster Diener, ..." Das nennt sich Diplomatiesprache.
Genauso verhält es sich übrigends mit dem Blancocheck. Es war "nur" eine Zusicherung an den österreichisch-ungarischen Gesandten oder Militärattachee im Berlin. Aber eine hochoffizielle, an deren Formulierung sicher lange beraten wurde und eines sein sollte, ein Blancocheck.
In Österreich-Ungarn gab es seit 1903 ständig Überlegungen, mit Serbien "mal aufzuräumen". So 1906, 1908 und auch 1912. 1906 wurde zum sogenannten "Schweinekrieg", 1908/09 war es Rußland, das Serbien zum Einlenken zwang und 1912 konnte sich der Generalstabschef Conrad nicht durchsetzen (u.a. starb der k.u.k. Außenminister Aehrenthal während der Krise und der neue Außenminister Berchthold galt als Vertreter der Ungarn, die den Krieg vehement ablehnten). Außerdem lief in Österreich-Ungarn, ich glaube auch in Deutschland, ein neues Wehrgesetze an, das erst mal wirken mußte. Ein guter Grund, den Krieg NOCH NICHT zu beginnen.
Wenn Du den mäßigenden Einfluß Wilhelms auf Österreich-Ungarn 1914 erwähnst, da muß Wilhelm ziemlich alleine gewesen sein, denn die kriegsermutigenden Zusicherungen anderer hochrangiger Deutscher sprechen die gegenteilige Sprache und waren für Österreich-Ungarn ausschlagebend.

Tib. Gabinius schrieb:
Wilhelm trägt unter seinen Biographen und den Historikern die sich mit ihm auseinandersetzen viele Namen, je nach Periode. "Soldatenprinz", "Reisekaiser" aber auch "Schattenkaiser". Diesen Namen bekommt er, nachdem er begann sich fast nur noch auf See oder seinem Anwesen auf Korfu aufzuhalten.
Er ging sogar noch am 6. Juli auf Nordlandreise, nach seiner RÜckkehr bekam er Akten verspätet....sogar das Ultimatum an Serbien kam verspätet ihm zu Händen und so kommentierte er noch kurz vor der Kriegserklärung KuK-Serbien "Das ist mehr als wir erwarten konnten, damit fällt jeder Kriegsgrund fort."

Das ist doch der alte Bismarcktrick von 1870. Erst läßt der die Emser Depesche los und fährt dann seelenruhig auf sein Landgut mit dem ausdrücklichen Befehl, um dann vom Kriegsbeginn "überrascht zu werden". Die Nordlandreise sollte nur eines, Normalität in unnormalen Zeiten präsentieren. Dies kann zweierlei bedeuten: Normalität, um die hohen Wogen zu glätten, oder Normalität als Tarnmantel, um dahinter den Krieg vorzubereiten. Auch die beweist gar nichts.
Die Kriegserklärung [Ausbesserung von mir, das ursprünglich hier stehende Ultimatum war falsch] an Serbien wurde übrigends auch Franz Joseph in seiner endgültigen Form erst im Nachhinein zur Kenntnisnahme vorgelegt.
Dies Wilhelmzitat habe ich auch gehört. Aber die Militärs kannten ja ihren (Umfall-)Kaiser, der diesmal versprochen hatte, diesmal nicht Umzufallen, aber sich war sicher und daher wurde trotz dieses Aussage Wilhelms an Ö-U telegraphiert, man sehe das in Berlin als Ablehnung des Ultimatums. Als ich in einem vorigen Post schrieb, Wilhelm hatte Angst vor der eigenen Courage, meinte ich genau dies Umfallen. Denn nichts anderes war das und wurde auch nicht anders gesehen.

Tib. Gabinius schrieb:
Große Worte und kaum Taten sind ein Bild der Zeit, dass auch Reichskanzler Bethmann Hollweg einhielten, ebenso wie Moltke. Hollweg sagte so z.B.:" Wird uns ein Krieg aufgenötigt, so werden wir ihn schlagen und mit Gottes Hilfe nicht dabei untergehen."
Er glaubte die Sache schnell beenden zu können, indem man Belgrad nehme bevor der Russe mobilisiert hätte.
Auch der viel zitierte Blankscheck ist nichts anderes als ein Bericht des österr. Botschafters (Laszlo irgendwas...) aus einem Gespräch mit dem Kaiser, bei dem diesen, mal wieder, Worte entlockt werden.
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Übrigends, was Wilhelm II. als einzelne Person dacht, ist die eine Frage und darüber diskutieren wir. Daß der Staat Deutschland den Weltkrieg wollte und ihn planmäßig vorbereitete, steht außer Frage. Zumindest die Zitate eines Bethmann Hollwegs oder wie sie alle heißen, sind das was sie scheinen zu sein, Erklärungen und Unschuldigkeitserklärungen für den damals zukünftigen Krieg.

Tib. Gabinius schrieb:
Jetzt noch kurz zur Flotte und zum Panthersprung:
Zu dieser Zeit war es keinesfalls eine Kriegserklärung ein Schiff zu entsenden. England und auch die USA praktizierten dies schon lang und erfolgreich.
Einzig die Tatsache, dass Wilhelm Probleme mit dem englischen Königshaus (insbesondere seinem zu dem Zeitpunkt glaube ich schon lang verstorbenen Onkel) hatte und nun eine Flotte schuf, die den Seemächten natürlich unliebsame Konkurrenz bedeutete läßt diese Fakten und Taten viel heller leuchten als sie waren.

Wenn Schiffe irgendwo vor das - von Europa so gesehene - afrikanische Niemandsland, oder eine pazifische Insel oder eine chinesische Stadt geschickt wurden, so hast Du recht. Aber wenn Deutschland ein Kriegsschiff vor ein Gebiet schickt, das gerade Frankreich für sich beansprucht hat, so ist das was anderes. Denn es war eine Machtdemonstration, sprich, eine Drohung. Nur, wem droht man, den Samoanern oder der europäischen Großmacht Frankreich. Ich will hier nicht die Kolonialpolitik gutheißen oder marginalisieren. Aber zu einem großen europäischen Krieg hätte das eine nicht geführt und hätte auch nicht dahin führen sollen. Das andere aber schon und zwar führen und sollen, wenn da nicht jemand wieder schlapp gemacht hätte.
 
Erstmal direkt etwas zu den schreiben: 1850 ist nicht mehr 1914. Da liegen etliche Jahre und Entwicklungen dazwischen.
Zudem ist Österreich nicht Russland. Der Zar stand temporär dem Kaiser wesentlich näher als Beispielsweise Franz Ferdinand.
Zudem bezieht sich "Mein lieber Niki" (mit einem oder zwei k entzieht sich meiner Erinnerung) ebenso wie andere Kosenamen auf kleinere Notizen z.B. am Rand von Briefen oder anderen Dokumenten, also ganz privater Schriftstücke. Ich weiß nicht welche Briefe du in der Hand hattest, im Seminar wurden uns zwei Originale (!) der Umbruchszeit in die Hand gegeben, und der Ton war schon sehr vertraulich, besonders die Marginalien. Natürlich nicht so wie in einem Tagebuch zu erwarten wäre oder wie wir dies in heutiger Zeit gewohnt sind, aber doch sehr locker.
Das ein gewisser Ton oblige war, brauchte nicht wirklich erwähnt zu werden, Kosenamen und Kürzel sind dabei allerdings deutliche Zeichen.



Laszlo war Botschafter (ich krame mal bei Gelegenheit dessen kompletten Namen, der Nachname ist nur schwer zu merken....)

Die Krise rund um die Besetzung Serbiens und dessen mögliche Annexion durch Österreich ist so alt wie das durch den Verfall des Osmanischen Reiches entstandene Machtvakuum. Auch darüber brauchen wir uns hier an der Stelle nicht zu unterhalten. Aber 1912 gab es starke Tendenzen TROTZ der russischen Stellungnahme wenigstens Belgrad zu nehmen. Das dies nicht durchgeführt wurde hat viele Gründe, und auch wenn das wirken des Kaisers da vernachläßigt werden kann ist sein freies Bemühen darum zu bemerken und angesichts der ihm unterstellten Kriegstreiberei einzurechnen. Wäre er wirklich an Krieg interessiert gewesen hätte er dort bestimmt nicht erst gewartet, auch wenn verschiedene politische Faktoren vielleicht nicht ideal waren, aber das war 1914 auch der Fall. Nicht umhin wirft man gerne mal solche Sätze ein, wie: "Um von inneren Problemen abzulenken..." usw., auch wenn mir ein solcher in dem zusammenhang nicht geläufig ist.

Wilhelm war in seinen Bemühungen ziemlich allein. Das dürfte angesichts seiner Reden auch nicht verwundern. Wer will sich um Frieden bemühen, wenn der Kaiser von Krieg redet und sich dann hintenrum doch wieder mit dem Zaren verständigt?

Die Reden anderer Deutscher als exemplarisch zu bezeichnen ist auch nicht 100% stimmig. Wie schon oben erwähnt wurde z.B. vom Kanzler nur ein Krieg gutgeheißen, wenn er schnell durchgezogen würde (also vollendete Tatsachen geschaffen würden), so daß Rußland und seine Verbündeten keinen Grund mehr gehabt hätten einzugreifen. Generäle, die sich skeptisch äußerten hatten auch kaum Chancen in der OHL zu verbleiben oder erst hinzugelangen.


Bismarcks Talent mit Wilhelm zu vergleichen ist ziemlich hoch gegriffen. Zum einen mangelt es Wilhelm doch an der nötigen Pfiffigkeit, zum anderen Widersprechen die Fakten.
Bismarck war auch auf dem Landgut zu erreichen und wurde durchgehend informiert.
Wilhelm hatte zwar das neue kabellose Verständigungssystem an Bord, wurde jedoch, wie oben schon beschrieben, nicht gut informiert, hinkte sogar hinter dem Verlauf der Dinge her.
Als es sich die Ereignisse dann doch entwickelten, und sogar er es mitbekam kehrte er am 15. zurück. Zu früh! Sein Ausflug hätte Normal noch wesentlich länger gedauert. Und der Kanzler erscheint seinen Notizen darüber auch nicht erfreut, dass der Kaiser schon wieder mitspielen will.
Das, was Wilhelm bekam, und wann ist archiviert und vermerkt, so dass dies sehr wohl als Beweis gelten kann, nur wird es gerne bei Seite geschoben im bemühen den Kaiser in die erste Reihe zu rücken.



Was du als "Umfallen" siehst, interpretieren andere als eine ständige "aufplustern" Taktik, starke Worte um abzuschrecken. Aufrüsten, seinen Verbündeten die Treue halten usw. etc.
Was nun exakt seine Motive sind wird wohl ungeklärt bleiben, denn wer kann sagen was im Kopf eines anderen vorgeht? Aber: beides deutet nicht auf den Willen, einen handfesten, kontinentalen Krieg vom Zaun zu brechen.
Er wäre vielleicht bereit gewesen Scharmützel oder kurze Invasionen in kauf zu nehmen, vielleicht sogar nochmal ein solches "Überrennen" wie 1870/71 aber bestimmt kein ringen mit gleichstarken und gut gerüsteten Bündnissen.
Die Biographen schreiben zu dem Thema mehr als ausführlich, und ich verweise noch einmal gerne auf die Experten, die das Thema durchgekaut haben. Mein Seminar liegt leider schon wieder 1 1/2 Jahre zurück, so dass ich mich nicht mehr an alle Fakten erinnere und aufzählen kann.
Ließ einfach mal Röhl und Mommsen :)


Das ein Kriegsschiff eine Provokation ist kann keiner in Abrede stellen. Das es dadurch zu einem Krieg kommen kann, ebensowenig. Das dies aber eine so ungewöhnliche und auf den Ausbruch getrimmte Tat war, bleibt jedoch Stilisierung. Andernfalls wärs nicht bei diesem einen Schiff geblieben.
So solltest du die Umstände, die zum Panthersprung führen, auch nicht vergessen, welche ja an sich auch schon eine Provokation darstellten, vor der im vorhinein sogar gewarnt worden war (ich glaube durch Kiderlen-Wächter).
Der Kaiser sagte zu diesem Zeitpunkt "es ist nur günstig, wenn sich die Franzosen mit Truppen und Geld in Marokko engagierten." Wiederrum nicht gerade ein Anzeichen für einen Kriegstreiber.

Und abschließend, nachdem ich ein allerletztes Mal auf die Biographen verweise, möchte ich darauf hinweisen, dass Wilhelm nach seiner Rückkehr nicht sofort in die Offensive ging, sondern es bei einer Reihe von Vorträgen der Offiziere zur Lage des Militärs beließ, und auf die Rückkehr der im Urlaub befindlichen Kommandeure wartete.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Erstmal direkt etwas zu den schreiben: 1850 ist nicht mehr 1914. Da liegen etliche Jahre und Entwicklungen dazwischen.
Zudem ist Österreich nicht Russland. Der Zar stand temporär dem Kaiser wesentlich näher als Beispielsweise Franz Ferdinand.
Zudem bezieht sich "Mein lieber Niki" (mit einem oder zwei k entzieht sich meiner Erinnerung) ebenso wie andere Kosenamen auf kleinere Notizen z.B. am Rand von Briefen oder anderen Dokumenten, also ganz privater Schriftstücke. Ich weiß nicht welche Briefe du in der Hand hattest, im Seminar wurden uns zwei Originale (!) der Umbruchszeit in die Hand gegeben, und der Ton war schon sehr vertraulich, besonders die Marginalien. Natürlich nicht so wie in einem Tagebuch zu erwarten wäre oder wie wir dies in heutiger Zeit gewohnt sind, aber doch sehr locker.
Das ein gewisser Ton oblige war, brauchte nicht wirklich erwähnt zu werden, Kosenamen und Kürzel sind dabei allerdings deutliche Zeichen.

Zwar nicht als Original, aber doch als NAchdruck habe ich solche Briefe auch schon gelesen. Die Antworten waren dann mit "Lieber Willi" betitelt...
 
Man sollte mal an den Bericht des deutschen Botschafters aus Wien vom 30. Juni 1914 an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg denken. Tschirschky war ja gegen den Krieg, aber Wilhelms II. Randnotizen nach, wusste man seine Position....:D
 
Gisele schrieb:
Man sollte mal an den Bericht des deutschen Botschafters aus Wien vom 30. Juni 1914 an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg denken. Tschirschky war ja gegen den Krieg, aber Wilhelms II. Randnotizen nach, wusste man seine Position....:D

Liebe Gisele,
Wilhelm II war für den Krieg, wenigstens den gegen Serbien. Er forderte Kaiser Franz Joseph auf, ur nichr weich zu werden. Er war sich anscheinend nicht darüber bewußt, dass dann Rußland als Bundesgeosee von Serbien eingreifen würe und da Rußland ein Bündnis mit Frankreich hatte, Frankreich ebenso, :(
 
Autobiographie

Ein kleiner Hinweis zum Thema: Wilhelm II. verfasste nach dem Weltkrieg seine Darstellung dieses Themas und natürlich seine persönliche Rechtfertigung.
Das Buch ist wahrscheinlich schwer vergriffen (ich hab's aus einem Antiquariat ..oder vom Flohmarkt) hier die Daten:

(Kaiser) Wilhelm II.*

Ereignisse und Gestalten
aus den Jahren
1878-1918

1922
Verlag von K.F. Koehler in Leipzig und Berlin (©)


*den "Kaiser" hat wohl der Verlag (und nur beim Vorstoß) vorangestellt; das Werk hat 290 Seiten und ein 16-seitiges Register (hat er ganz wissenschaftlich angelegt, der Willem)
 
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