Und damals erschien auch im Spiegel ein Verriß:
...
Wer es über sich bringen will, den Spiegel-Artikel sich anzusehen, kann es hier tun:
Völlig zu Recht hat der "Spiegel" eine kritische Beurteilung vorgenommen. Und die Art der negativen Bewertung des Spiegel Beitrags finde ich persönlich überraschend und erstaunlich.
War schon recht gruselig Anfang der Neunziger.
Richtig, das Buch "Vaterland" war in der Tat ausgesprochen gruselig. Und nicht nur das, es war peinlich. Und die Beurteilung durch den Spiegel legt auch offen, warum es historischer Unsinn ist, was Harris da verzapft. Und gleichzeitig chauvinistische Untertöne In GB bedienen wollte.
Zu einer Zeit, in der sich die "aufgeklärteren" Briten darüber lustig machten, weil sie sich teilweise fremdschämten, das auf "Schießplätzen" noch auf "Krauts" geschossen wurde. Selten habe ich damals so viele Briten erlebt, die sich für dieses Buch "fremdgeschämt" haben. War im Rahmen der ISPP zu der Zeit hin und wieder in Colchester / Uni Essex.
Anzumerken ist, dass der englische Wiki-Beitrag zu dem Buch erstaunlich unkritisch ist gegenüber dem Buch. Die Problematik des Buches und seine negative Bewertung findet beim englischen Wiki nicht statt. Unangenehm bemerkenswert!
Ansonsten teile ich eine Reihe zentraler Aussagen des Spiegel.
1. Spiegel: "
Hinter der Dämonisierung der Bundesrepublik verbirgt sich also zugleich eine Verharmlosung des Dritten Reiches."
Die üble historische Mixtur mit Analogien zur damaligen Situation einer befürchteten deutschen Hegemonie (die bei Thatcher virulent vorhanden war!) hat dafür gesorgt, dass es in chauvinistischen britischen Kreisen eine ausreichende Akzeptanz fand und "Mainstream"-Erwartungen bedienen konnte. Problematisch erscheint, dass es ein relativ gebildeter Brite ist, der diesen historischen Unsinn als sogenannte "alternative Geschichtschreibung" schreibt. Was schon in Bezug auf die Rolle von Heydrich in dem Buch mehr als dubios ist.
Gleichzeitig eröffnete sich die Zielgruppe der "Ewig Gestrigen", der "Alt-Nazis" oder der "Neo-Nazis" und natürlich auch der "querdenkenden anti-PC-Vertreter", die - vermutlich - nur ein wenig provozieren wollen mit ihrem positiven Votum für das Buch.
Spiegel 2:
"Allein die Vorstellung, Hitler hätte irgendwann Herr seiner Hybris werden und den Krieg zu einem militärisch günstigen Zeitpunkt stoppen können, verfehlt völlig den Charakter seines wahnwitzigen Regimes. Hitler mußte so lange siegen, bis er nur noch verlieren konnte"
Ein zentraler Punkt, der das Unverständnis von Harris gegenüber dem Weltbild von Hitler verdeutlicht. Ich wage zu bezweifeln, ob Harris das 2. Buch von "Mein Kampf" gelesen hatte. Es zielte auf die USA als finalen Gegner.
3. Spiegel: "
Kripo-Mann März gerät nämlich auf die Spur eines politischen Komplotts. Sicherheitspolizei-Chef Reinhard Heydrich, so entdeckt der brave Polizist, läßt nach und nach alle Teilnehmer der Wannsee-Konferenz vom Januar 1942 umbringen. Bis zum Hitler-Geburtstag des Jahres 1964 soll der gesamte Kreis jener Funktionäre ausgelöscht werden, die damals bei Kaffee und Kognak die "Endlösung" beschlossen. Die Nazis, so Harris'' Fiktion, wollen die letzten Zeugen des Holocaust beseitigen.
Aus dieser Melange unterschiedlicher Zielgruppen erklärt sich dann der wirtschaftliche Erfolg des Buchs.
Der historische Plot von Harris ist so blöde, dümmer geht es eigentlich nicht. Wer Herbert`s Buch über Werner Best gelesen hat, oder die anderen Bücher von Ingrao zur SS-Elite, wird sich vor Lachen krümmen, wenn ausgerechnet ein Heydrich, die "letzten Zeugen" beseitigen will. Am besten hätte Heydrich eine V3 direkt in das RSHA fliegen lassen sollen, so als vorgezogener 9/11, damit die ganzen Schreibtischtäter, als Initiatoren, als Organisatoren und Planer, auch mit getötet werden. :grübel:
Daß Heydrich den Krieg nicht überlebt hat und schon 1942 verstorben ist kümmert dann einen Harris nicht, der läßt ihn halt einfach wieder auferstehen. "Alternative Historie" kann halt Berge versetzen und Tote wieder auferstehen lassen. :yes:
Und möchte mich der Schlußbemerkung des Spiegels anschließen.
Spiegel:
"Anders als Harris gab Amery der Weltgeschichte eine gute Wendung: Die für die Zukunft Deutschlands so entscheidende Schlacht von Königgrätz, 1866, gewinnen nicht die Preußen, sondern Österreicher und Bayern. Bismarcks Reichsgründung fällt also flach, Bayern wird zur mitteleuropäischen Vormacht, ab sofort herrschen Bierseligkeit, viel Frohsinn und etwas Korruption.
Welch schöner Traum. Der preußische Fanatismus und manche Schrecken des 20. Jahrhunderts wären uns womöglich erspart geblieben - auch Harris'' "Vaterland". "
Und ich bin mir sicher, ich "kenne" mindestens einen "Wiener", der diese alternative Geschichte von Amery als die bessere Variante ansieht. Sicherlich besser wie der unsägliche Plot von Harris.