@el_mercenario
Genauso sicher ist, dass die Kräfte ebensowenig reichten, um den Schlieffenplan durchzuführen. Ein schnelles Ende war also so oder so nicht zu erreichen.
Da hast Du mich missverstanden. Mit dem "Plan" meinte ich den Schlieffenplan!
Deswegen bin ich ja auch der Meinung, dass ein schnelles Ende so oder so nicht zu erreichen war.
Russland war aber nicht niederzuwerfen, sonst hätte der Generalsstab ja nicht den irrwitzigen Schlieffenplan ausbaldowert. Eine Kriegführung aus der strategischen Defensive hätte natürlich auf Status-quo-Frieden abgezielt.
Wenn ich daran erinnern darf, hat Deutschland Russland niedergeworfen.
Der Schlieffenplan selbst war m.E. zwar fehlerhaft in seinen Prämissen hinsichtlich Russland, aber nicht irrwitzig. Die Idee, den stärkeren Gegner zuerst aus dem Feld zu schlagen, bevor der andere Feind ernsthaft in den Krieg eingreifen kann, ist durchaus nachvollziehbar. Allerdings gingen Schlieffen und Moltke davon aus, dass die Russen lange für die Generalmobilmachung benötigen würden und zudem noch durch ihren Konflikt mit Japan geschwächt seien.
Was einen reinen Defensivkrieg angeht, so besteht hier ein erhebliches Problem: wie schaffe ich es, dass die anderen rechtzeitig friedensbereit werden?
Die historischen Beispiele für rein defensiv geführte Kriege, die zu einem erfolgreichen Ende gebracht wurden, sind m.E. überschaubar. Darüber hinaus ist Deutschland auch ein rohstoffarmes Land. Je länger ein Krieg gedauert hätte, desto schwieriger wäre die Lage insbesondere für die deutsche Bevölkerung geworden. Nicht ohne Grund entsprechen kurze Kriege eher der deutschen militärischen Tradition. Nahezu alle Beispiele jahrelanger Konflikte stehen für (nahezu) katastrophale Ereignisse. Der dreißigjährige Krieg, der siebenjährige Krieg, beide Weltkriege. Die großen Kolonialreiche wie Frankreich, Russland oder GB hatten da ganz andere Möglichkeiten.
Das bezweifle ich. Ohne allgemeine Wehrpflicht und massive Umstellung der Wirtschaft auf Rüstung, war 1914 kein Krieg mehr zu gewinnen. Ohne das Parlament konnte Grey höchstens etwas Kosmetik betreiben, aber kaum eine Armee aufstellen, die beim drohenden französischen Zusammenbruch in die Bresche springt.
Wir reden hier von kriegsvorbereitenden Maßnahmen, also noch bevor der Kriegsfall eingetreten ist. Und da gibt es eine ganze Reihe vorgesschalteter Eskalationsstufen und -einzelmaßnahmen. Streichung von Urlaub, Aufstockung an Vorräten, Übungen, Vorbereitungen hinsichtlich der konkreten Heeresorganisation, etc.
Wieso reitest Du eigentlich auf einem drohenden französischen Zusammenbruch rum?
Er trat historisch nicht ein, wäre ohne Schlieffenplan vermutlich nicht eingetreten und warum die Briten bis zu einem drohenden Zusammenbruch hätten warten sollen, mit der Folge, dass ihre Bemühungen zu spät kämen oder beschwerlicher wären, ist und bleibt mir unergründlich.
Nur war Frankreich alleine zu schwach, um gegen das Deutsche Reich und ÖU Krieg zu führen. Wenn Russland und England auf Verhandlungen drängen, hätte Frankreich wohl keine große Wahl gehabt. Man beachte wie leicht die USA und GB selbst nach dem Sieg Frankreichs Ambitionen auf die Rheingrenze abgebogen haben.
Das wäre vor dem Krieg richtig gewesen.
Ich sehe aber keine Anhaltspunkte, dass Frankreich während des Krieges eingelenkt hätte, solange es militärisch nicht besiegt wurde. Zumal ein solcher Frieden ein noch stärkeres Deutschland hinterlassen hätte, bei gleichzeitigem Wegfall eines starken russischen Verbündeten. Der Vergleich mit dem Versailler Vertrag hinkt deshalb. Frankreich war da in einer ganz anderen Position und das dortige Deutschland ein geschlagener Gegner, dem der Gewinn im Osten wieder abgenommen wurde und darüber hinaus. Zudem wurden Frankreichs Interessen auf vielfältige Weise Genüge getan.
Das ist aber ein Standpunkt, den ich so noch nie gelesen habe. Wieso hatte Bismarck die "le cauchemar des coalitions", wenn er doch Kanzler des europäischen Hegemons war?
Das schließt sich nicht aus.
Hegemonie - Lexikon
Legt man diese anerkannte Definition zugrunde und betrachtet man das Machtpotential der einzelnen kontinentaleuropäischen Mächte, so war das Deutsche Reich jeder einzelnen anderen Macht überlegen. Sicher ist, dass erst das Zusammenwirken der Russen, der Franzosen und der nichtkontinentalen Briten genügte, um Deutschland niederzuringen. Der tatsächliche Kriegsverlauf bietet aber durchaus Anlass, einen deutschen Sieg über Frankreich und Russland zu vermuten, wenn Großbritannien nicht eingegriffen hätte.
Die Ansicht einer deutschen kontinentaleuropäischen, hegemonialen Stellung findet sich z.B. hier:
Deutsche Aussenpolitik 1871-1918 - Google Buchsuche
(hier wird auch darauf eingegangen, warum die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland schlechter wurden ---> D versuchte, sich GB anzunähern, das den russischen Interessen an den Dardanellen entgegen trat)
Imperialer Machtzuwachs. Die deutsche Weltmachtstellung und die Hegemonialstellung in Europa. Die Ausschaltung Russlands und Frankreichs als Großmächte. Das was Ludendorff und seine Alldeutschen Anhänger in Brest-Litowsk, in Belgien, in Frankreich und an der Kanalküste durchsetzen wollten. Wofür sie bis zum letzten gekämpft haben.
Mit Verlaub, das sind nicht die Kriegsmotive, sondern die Motive beim Friedensschluss von Brest-Litowsk, anders gesagt: die im Krieg entwickelten Motive, die sog. Kriegsziele. Das sind nicht die Motive zum Krieg. Andernfalls wäre das dictum des Präventivkrieges eine Lüge. Diese Überlegung erscheint mir mit Blick auf Vorkriegssorge, von Russland und Frankreich überholt und erdrückt zu werden, unbegründet.
Eine sehr schöne Kurzdarstellung zum Einstieg bietet Tante Wiki:
Erster Weltkrieg ? Wikipedia
Absolut korrekt. Aber warum hat Deuschland sich den Russen auf dem Balkan mit Hilfe ÖUs und der Türkei in den Weg gestellt? Das deutsch-russische Verhältnis war ja erst sehr gut.
s. Quelle weiter oben
Deutschland hat sich nicht mithilfe ÖU den Russen in den Weg gestellt. Umgekehrt wird ein Schuh draus. ÖU hat sich mithilfe Deutschlands den Russen in den Weg gestellt.
Was die Türkei anbelangt, so waren es die Briten, die die Russen aufhielten.
Und da kommen wir zur Essenz der Angelegenheit, denn Du verknüpfst die beiden Sachverhalte zu Recht:
Deutschlands Dreikaiserbund war pragmatisch, krankte aber a priori am Interessengegensatz zwischen Russland und ÖU auf dem Balkan. Dieser Konflikt war eigentlich uralt und verschärfte sich durch den aufkommenden Nationalismus, wobei der sog. Panslawismus Russlands eine besondere Rolle spielte und bis heute nachwirkt, wie die Balkankriege in den 1990er-Jahren zeigten und noch einmal durch die russische Unterstützung Serbiens in der Kosovofrage unterstrichen wurde.
Bismarck als politisches Genie (m.M.n.) dürfte dies frühzeitig erkannt haben. Sein Bündnissystem sollte zwar Frankreich isolieren, war in sich aber so widersprüchlich, dass Deutschland in jedem Krieg, der nicht mit Frankreich geführt wurde, eigentlich vertragsbrüchig werden musste. Mit der Folge, dass man sich dann, wenn schon vertragsbrüchig geworden, auch heraushalten konnte. Zumindest vermute ich dies als Hintergedanken.
Hilfsweise versuchte er jedoch durchaus eine Annäherung an Frankreich.
Vor allem aber, als alter preußischer Junker geradezu selbstverständlich, versuchte er, Deutschland mit Preußens altem Verbündeten durch Verträge zu verbinden: Großbritannien. Noch 1870 standen sich Großbritannien, Frankreich und Russland als die führenden Kolonialreiche ausgesprochen gegensätzlich gegenüber. Dennoch scheiterten Bismarcks Bemühungen völlig. Was war der Grund?
Nun, GB verfolgte schon immer die Ansicht: divide et impera. Dieser Maxime folgende unterstützte GB immer den Kontrahenten der jeweils gerade führenden Macht Kontinentaleuropas. Erst war Spanien europäischer Hegemon, dann Frankreich. Immer stellte sich GB gegen den kontinentaleuropäischen Hegemon und so wurde erst das Reich, dann auch Preußen im Verlauf der Geschichte Großbritanniens Waffenbruder im Kampf gegen die französische Vormachtstellung.
Wenn nun GB statt mit dem Deutschen Reich Bündnisse mit Frankreich und Russland anstrebte, so bedeutet dies folgendes:
1. als Kontinentaleuropas neuer Hegemon galt nunmehr das Deutsche Reich
2. Großbritannien hielt an seiner "balance-of-power"-Doktrin fest
3. das europäische Gleichgewicht wurde durch die Gründung des Reiches erheblich und nachhaltig gestört
Daraus folgt aber nun, das die Gefahr eines weiteren Machtzuwachses GB als Akteur auf den Plan rufen musste.
Hauptsächlich an seinen verbalen Ergüssen. Wenn man etwa das Daily-Telgraph-Interview liest, fragt man sich schon, was im Kopfe des Schreibers eigentlich vorgegangen ist. Und Wilhelm hat das ja zugeschickt bekommen, durchgelesen und für gut befunden.
Und? Sowas kommt auch heute bei hochintelligenten Menschen vor.
Merkwürdige Ansichten zu haben beweist noch nicht Dummheit oder geistige Behinderung.
Auf der anderen Seite steht seine beachtliche Innenpolitik. Ich kann nicht nachvollziehen, warum behauptet wird, er sei geistig behindert gewesen oder einfach nur dumm.
Im übrigen vertrete ich den Standpunkt, dass folgender Sachverhalt bemerkenswert ist:
Tiere verfügen über bedeutend weniger Intelligenz als Menschen
Und Tiere reden bedeutend weniger Unsinn als Menschen