Weltbild im Mittelalter im Unterricht

argisti

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Hallo,
ich unterrichte Physik in einem Südtiroler Gymnasium und behandle laut Lehrplan für 16jährige auch die Geschichte der Weltbilder vom Altertum bis zur Neuzeit. Obwohl wir recht ausführlich besprochen hatten, dass die große Mehrheit der Gelehrten, Fürsten, Päpste, Könige, Dichter und Künstler im Mittelalter an die Kugelgestalt der Erde glaubten, haben viele SchülerInnen bei der Klassenarbeit am Mythos der Scheibenerde im Mittelalter festgehalten, und zwar mit dem Hinweis, dass sie das so in Geschichte gelernt hätten (s. Anhang).

Die Lehrperson für Geschichte hat mir schließlich doch zugestimmt, dass zumindest Gelehrte an die Kugelgestalt glaubten. Allerdings hätte die einfache Bevölkerung weiterhin eine Scheibenerde vetreten.

Im Unterricht betone ich zwar, dass wir leider keine Quellen dazu haben, woran der einfache Bauer geglaubt hat. Aber durch die ganze Ei- und Apfelsymbolik in Predigtbüchern und Ikonographie könnten wir zumindest die Hypothese aufstellen, dass ein einfacher Bauer - sofern er überhaupt über diese Problematik nachgedacht hat - am wahrscheinlichsten das zur Grundlage seiner Vorstellungen gemacht hat, was er in die Kirche gehört oder auf Bildern gesehen hat, nämlich eine Kugel.

Ganz unwahrscheinlich scheint mir aber zu sein, dass in einer Welt, in der die Gelehrten, die Kirche und die Ikonographie schon seit über 1000 Jahren ganz selbstverständlich (bis auf eine Handvoll Ausnahmen) von der Kugelgestalt der Erde ausgingen, ein Bauer in der Kirche von der Erde als Ei hört und dann nach Hause geht und felsenfest an die Scheibengestalt glaubt. Der würde dann ja nicht an etwas "festhalten", sondern seine ganz eigene Idee verfolgen.

Ohne Quellen lässt sich nicht gut diskutieren, aber darf ich trotzdem fragen, wie Ihr das seht und wie Ihr mit dieser Fragestellung im Unterricht umgehen würdet?
Vielen Dank
 

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@Ralf.M
Ja, den und seine Methode zur Berechnung des Erdumfangs besprechen wir im Physikunterricht natürlich. Die Streitfrage an unserem Gymnasium ist aber nicht, was hellenistische Gelehrte dachten, sondern was das wahrscheinlichste Weltbild der einfachen Bevölkerung im europäischen Mittelalter war.
 
Mortimer, Ian, The Time Traveller's Guide to Medieval England. A Handbook for Visitor's to the Fourteenth Century, New York 2008, p.73: "Although most people do know that the world is a globe, they do not think about the logical consequences of this - that one could sail to China westward from England, for example.(15)"
Endnote 15: '[Zitat aus Simek hier wiedergegeben] "The spherical shape of the Earth was taken for granted and had been so since Aristotle. This fact had been an integral part of scholarly knowledge since the Carolingian renaissance of the eighth century...By the thirteenth century the spherical shape of the earth...had found its way not only into scholarly but also popular literature." Simek, Heaven and Earth, p.25'
Simek, Rudolf, Heaven and Earth in the Middle Ages, Woodbridge 1996. Es handelt sich hier um eine Übersetzung, womöglich eines deutschsprachigen Titels
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist eben der Punkt, dass wir tatsächlich nicht wissen, was die Bevölkerungsmehrheiten über die Jahrhunderte dachten. Das gilt in Übrigen auch für die Antike. Wie viele in der Kirche eine Sphäre oder einen Globus sahen und wie viele den Transfer zur Kugelgestalt der Erde leisteten, lässt sich weder posi- noch negativ sagen.

Dass man nicht auf die Idee kam, einfach nach China zu segeln, lag auch daran, dass man ungefähr wusste, dass der Weg zu weit war. Kolumbus, der auf falsche Berechnungen Toscanellis, der den Erdumfang zu gering berechnete, vertraute, hatte Glück.
 
Die Anhänger der Scheiben- oder anderer Theorien im Mittelalter (oder Spätantike) waren oftmals krude Theologen oder Laien auf diesem Gebiet, die sich vor allem gegen heidnische Vorstellungen richteten, denn die Kugelgestalt der Erde war ja eine Entdeckung von Heiden. Davon steht ja nichts in der Bibel, also muss es falsch sein. Aber es waren durchweg gebildete Personen, die so etwas in die Welt setzten.

Eigentümlich ist hierbei Cosmas Indicopleustes, ein ägytischer Kaufmann, der Mitte des 6. Jh gelebt hat und ein (Mach-)Werk namens "Christliche Kosmographie" geschrieben hat, daraufhin wahrscheinlich Mönch wurde. Die wahre Gestalt der Erde ist in der Bibel beschrieben: denn Moses hat seinen Tabernakel als ein Miniaturmodell des Universums erstellt, das demnach einem Tabernakel gleicht. (Ich denke, Exodus Kap. 25 ist hier Vorbild.)

Dadurch ist die Erde ein Rechteck, dessen Länge doppelt der Breite ist (Ex. 25.9 gibt aber 1.5 zu 2.5). Der Himmel liegt gewissermaßen im 2. Stockwerk, über der Erde, an vier Wänden mit der Erde nach unten verbunden (=> Tabernakel!). Das Firmament ist die Decke zwischen den beiden Geschossen (Himmel, Erde), die Erde wiederum, das untere Geschoss, ist der untere Teil des Universums. Es gibt nichts weiter darunter. (Und wo ist die Hölle, frage ich?). usw.

Diese Anregungen hatte Cosmas aus den Werken des Theodor von Mopsuestia, einem Theologen aus Antiochia, der gilt als Anreger des Nestorianismus gilt. Ich kenne die Schriften Theodors nicht, bin aber überzeugt, dass er selbst nicht solche Thesen wie Cosmas von sich gegeben hat, aber hier und da missverstanden werden konnte.
Die wiki hat hier durchaus Recht, wenn sie über Cosmas sagt: "der Versuch, natürliche Ereignisse aus einer vollständig christlichen Sicht zu interpretieren".
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde vermuten, dass die Kugelgestalt der Erde im Mittelalter von gebildeten Klerikern zwar angenommen wurde, dass die Gestalt des Kosmos aber außerhalb von Kloster- oder Domschulen nicht thematisiert wurde. Was dann an Vorstellungen blieb, war eine Oben-Unten-Welt: Ich glaube an Gott, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde . .. hinabgestiegen in das Reich des Todes . . auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel..
 
Das mit der Kugelgestalt der Erde ist auch schwer zu verstehen, wenn man keine Ahnung von der Kraft namens Gravitation hat: Erst Newton hat das endgültig gelöst. Aber wie sollte sich ein einfacher Mensch der Antike und des Mittelalters das Gehen - oder das Fallen eines Apfels vom Baum - auf der unteren Hälfte der Kugel vorstellen? Das Wissen um die Kugelgestalt der Erde beruhte auf den Beobachtungen und Berechnungen (Krümmung des Horizonts, etc.), aber auch die damaligen „Wissenschaftler“ haben die Frage (wie Gehen/Fallen auf der unteren Hälfte funktioniert) nicht beantworten können. Und solange man das nicht schlüssig erklären konnte, blieb die Kugelgestalt der Erde nur eine Vorstellung, an die man glaubte oder auch nicht glaubte. Erst nach der Weltumseglung durch Ferdinand Magellan war die Kugelgestalt bestätigt.

PS: Dazu kam die Schwierigkeit, die Länder und Kontinente auf einer dreidimensionalen Kugel nun auf einem zweidimensionalen Medium (Papier) darzustellen. Das endete meist mit einer auf dem Meer schwimmenden Scheibe, was der Kugelgestalt der scheinbar widersprach.
 
Das mit der Kugelgestalt der Erde ist auch schwer zu verstehen, wenn man keine Ahnung von der Kraft namens Gravitation hat: Erst Newton hat das endgültig gelöst.

Eine Ahnung hatten allerdings auch schon die Leute im Mittelalter:

Zur Gravitation noch ein interessantes Zitat von Thomasîn von Zerclaere, Verfasser "des ersten monumentalen Lehrgedicht des Mittelalters in deutscher Sprache" (1215/16):
bibliotheca Augustana

Zem centrum ziuhet elliu swære:
diu erd anders zervallen wære. [2620]

"Zum Zentrum strebt alles Schwere,
Die Erde sonst zerfallen wäre."
 
Das ist eben der Punkt, dass wir tatsächlich nicht wissen, was die Bevölkerungsmehrheiten über die Jahrhunderte dachten. Das gilt in Übrigen auch für die Antike. Wie viele in der Kirche eine Sphäre oder einen Globus sahen und wie viele den Transfer zur Kugelgestalt der Erde leisteten, lässt sich weder posi- noch negativ sagen.

Das wird schwierig. Denn da werden sich ja keine Aufzeichnungen finden lassen.

Das sehe ich auch so. Nur frage ich mich, warum man dann im Unterricht immer betonen sollte, dass die mittelalterliche einfache Bevölkerung unbedingt an eine Scheibe geglaubt haben müsste und warum man das als Abgrenzungsmerkmal zur Antike oder zur frühen Neuzeit verkaufen sollte. Diese Epochen haben schließlich ungefähr gleich viel mit dem Scheibenmodell zu tun wie das Mittelalter.

Am Besten wird es sein, sich auf keine Hypothese zu versteifen und zu akzeptieren, dass wir für ganze Epochen nicht wissen, welche Weltbilder die einfache Bevölkerung vetrat.
 
Wäre das nun Deine Rückmeldung an die besagte Lehrperson für Geschichte? Was steht in Euren Schulbüchern?
(Zumindest hier in Deutschland hinken die gefühlt dem Forschungsstand um mindestens 20 Jahre hinterher, sicherlich aus durchaus nachvollziehbaren, aber dennoch nicht guten Gründen.) Ich frage das, da es doch inzwischen doch recht viele, auch populärwissenschaftliche Veröffentlichungen zu geben scheint, die die alte Bildgemengelage aus a) tapfere Ritter, holde Maiden und trutzige Burgen und b) fürwahr Finsteres Mittelalter, und ungewaschen dazu, zurechtzurücken versuchen...
 
@Neddy
Ja, an so eine Art der Rückmeldung habe ich gedacht. Was würdest Du vorschlagen?
Das Arbeitsblatt im Anhang des ersten Beitrags stammt anscheinend aus einem im Unterricht verwendeten Buch. Ich müsste nachfragen, wie es heißt; üblicherweise werden deutsche oder österreichische Geschichtsbücher verwendet. (Übrigens fällt mir dabei gerade auf: Gehört C. Ptolemäus nicht ins 2. Jahrhundert?)
 
Ich finde die entsprechende Rückmeldung an die Lehrperson ganz vernünftig - sie scheint ja auch für konstruktive Kritik offen zu sein, wenn ich Dich recht verstehe.
Die Geschichtslehrer am Gymnasium meiner Tohnes verwenden kaum mehr Schulbücher. Das hab ich erfahren, als er mal wieder Kopiergeld haben musste und ich alter Beamtensohn schnappatmend "Schulbücher?", "Lehrmittelfreiheit" geäußert habe.

Spannend: Er kann mir keinen konkreten Grund sagen, warum das so ist. Zu meiner Überraschung haben sie ein recht neues Werk (Klett, Geschichte und Geschehen von 2012, zu den Autoren zählt u. a. Michael Epkenhans, was mich positiv überraschte). Die möglichen Gründe von "passt nicht zum Lehrkonzept, Lehrer bringen lieber von sich selbst ausgewählte Texte, "nutzt es als Nachschlagwerk" bis "schleppt eh keiner mit". Ich muss mir in diesem Fall aber selber den Zahn ziehen, dass die nur alten Mist haben, der auch materiell auseinanderfällt (so sah es bei uns früher teilweise aus).

Zur Scheibenwelt steht da übrigens auf S. 47 im Kapitel "Mittelalterliches Welt- und Menschenbild" (von Detlev Kraack): "[...] und die auch im Abendland nie ganz verloren gegangene Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde begannen, die Neugierde und den Wissensdrang der Menschen zu beflügeln "
(Ich werde heute abend wohl noch etwas schmökern.)
 
Zur Scheibenwelt...
... die ruht auf dem Rücken von vier Elefanten, die wiederum auf dem Panzer der Schildkröte Groß-A-Tuin stehen, welche unaufhörlich durch‘s Multiversum gleitet.

Bzgl. Schulbücher: Ich kenne einen abgebrochenen Geographem, der Schulgeschichtsbücher schreibt. Der hat nicht einmal die Fakultas für Geographie, geschweige denn die für Geschichte.
Man darf nicht erwarten, dass Geschichtslehrer jedes Faktoid, dass es ins Geschichtsbuch geschafft hat, als solches erkennen, was aber den Scheibenglauben im MA angeht, da sollten sie jedoch wirklich wissen, dass das ein Hoax ist. In Schulgeschichtsbüchern findet man dennoch oft das Bild von Flammarion aus dem 19. Jhdt., oft als mittelalterliche Darstellung apostrophiert. Dabei müsste jedem, der mehr als wenige Sekunden auf das Bild blickt doch auffallen, dass der Mensch darauf seinen Kopf durch die Atmosphäre steckt und über den Scheibenrand hinausschaut - selbst wenn man also nicht weiß, dass der Schöpfer dieses Bildes im 19. Jhdt. lebte, müsste doch anhand des über den Scheibenrand Schauenden eigentlich jedem Betrachter schnell klar werden, dass der Schöpfer dieses Bildes nicht an eine Scheibenwelt mit Himmelssphäre glaubte
 
... die ruht auf dem Rücken von vier Elefanten, die wiederum auf dem Panzer der Schildkröte Groß-A-Tuin stehen, welche unaufhörlich durch‘s Multiversum gleitet.

Bzgl. Schulbücher: Ich kenne einen abgebrochenen Geographem, der Schulgeschichtsbücher schreibt. Der hat nicht einmal die Fakultas für Geographie, geschweige denn die für Geschichte.
Man darf nicht erwarten, dass Geschichtslehrer jedes Faktoid, dass es ins Geschichtsbuch geschafft hat, als solches erkennen, was aber den Scheibenglauben im MA angeht, da sollten sie jedoch wirklich wissen, dass das ein Hoax ist. In Schulgeschichtsbüchern findet man dennoch oft das Bild von Flammarion aus dem 19. Jhdt., oft als mittelalterliche Darstellung apostrophiert. Dabei müsste jedem, der mehr als wenige Sekunden auf das Bild blickt doch auffallen, dass der Mensch darauf seinen Kopf durch die Atmosphäre steckt und über den Scheibenrand hinausschaut - selbst wenn man also nicht weiß, dass der Schöpfer dieses Bildes im 19. Jhdt. lebte, müsste doch anhand des über den Scheibenrand Schauenden eigentlich jedem Betrachter schnell klar werden, dass der Schöpfer dieses Bildes nicht an eine Scheibenwelt mit Himmelssphäre glaubte
Ich war ja bis heute auf dem selben Standpunkt wie Du. Eben darum ja meine positive Überraschung darüber, dass an dem oben zitierten Schulbuch Professoren, und das zum Teil aus der allerersten Reihe, mitgeschrieben haben.
Und das Flammarionbild ist auch nicht drin.
 
Ich würde vermuten, dass die Kugelgestalt der Erde im Mittelalter von gebildeten Klerikern zwar angenommen wurde, dass die Gestalt des Kosmos aber außerhalb von Kloster- oder Domschulen nicht thematisiert wurde.

Diese Vermutung lässt sich widerlegen.
Das lässt sich leicht widerlegen.

Wenn die einfachen Leute in die Kirche gingen, konnten sie in Predigten von der Kugelgestalt der Erde erfahren.

Bei Berthold von Regensburg lesen wir so ein einer Predigt aus dem Jahre 1272:
Wan diu erde ist rehte geschaffen alse ein bal. Swaz daz firmament begriffen hat - daz ist der himel, den wir da sehen, da die sternen ane stent - , swaz der umbe sich begriffen hat, daz ist geschaffen als ein ei. Diu uzer schale daz ist der himel den wir da sehen. Daz wize al umbe den tottern daz sind die lüfte. So ist der totter enmitten drinne, daz ist diu erde.
zit. nach:
Reinhard Krüger
moles globosa, globus terrae und arenosus globus in Spätantike und Mittelalter - Eine Kritik des Mythos von der Erdscheibe
Berlin 2012
S. 175

Und bestimmt haben auch die einfachen Leute im Mittelalter irgendwann mal eine Abbildung des Kaisers gesehen, mit dem Reichsapfel in der Hand.
Der symbolisiert die Erde.

Außerdem gab es in vielen Kirchen Abbildungen von Christus, der auf der Erdkugel steht oder die Erdkugel in der Hand hält.

https://de.academic.ru/pictures/dewiki/85/Ulm-Muenster-ReliefHauptportal-061104.jpg
Maria mit dem Jesuskind
https://www.kunstkaufen.at/wp-conte...na-skulptur-um-1480-lindenholz-1-1024x989.jpg
Fresken in Glonnbercha - Kirchen und Kapellen im Dachauer Land
 
Ich war ja bis heute auf dem selben Standpunkt wie Du. Eben darum ja meine positive Überraschung darüber, dass an dem oben zitierten Schulbuch Professoren, und das zum Teil aus der allerersten Reihe, mitgeschrieben haben.
Und das Flammarionbild ist auch nicht drin.
Aber das ist ja kein Widerspruch. Es gibt eben bessere und schlechtere Schulbücher. Das war schon immer so.
 
@Neddy
Ja, an so eine Art der Rückmeldung habe ich gedacht. Was würdest Du vorschlagen?
Das Arbeitsblatt im Anhang des ersten Beitrags stammt anscheinend aus einem im Unterricht verwendeten Buch. Ich müsste nachfragen, wie es heißt; üblicherweise werden deutsche oder österreichische Geschichtsbücher verwendet. (Übrigens fällt mir dabei gerade auf: Gehört C. Ptolemäus nicht ins 2. Jahrhundert?)

Ich denke, du kannst deinen Standpunkt durchaus als korrekt ansehen. Wie Silesia gezeigt hat, konnte auch ein einfacher Bauer oder Handwerker darüber Bescheid wissen, und ein Theologe wie Thomas von Aquin benutzt die Kugelgestalt der Erde sogar als veranschaulichendes Beispiel für ein anderes Argument. Er musste also davon ausgehen, dass der Sachverhalt selbst außer Frage stand.

Es ist meines Erachtens kein valides Gegenargument, dass irgendjemand vielleicht anders darüber gedacht hat oder haben könnte. Auch heute gibt es Menschen, die an eine flache Erde glauben und das sogar öffentlich vertreten. Eine Beschriftung des von Dir gezeigten Arbeitsblattes, bei der das mittlere Bild als "Das Weltbild des 21. Jh." bezeichnet würde, wäre aber trotzdem offenkundig falsch.

Dein Kollege könnte durchaus mit Recht darauf verweisen, dass wir nicht wissen, ob Bauer Alois (1251-1304) aus der Nähe von Regensburg Bertholds Predigt hörte oder ihm glaubte. Wir wissen nicht, was ein einzelner Mensch oder eine Dorfgemeinschaft des 12. oder 13. Jh. darüber dachte. Dasselbe gilt aber für Bauer Josef (1797-1861) aus derselben Gegend bzw. eine Dorfgemeinde des 18. oder 19. Jh.

Wenn wir so argumentieren, ergibt das dargestellte Weltbild im Wandel sogar noch weniger Sinn, außer man sieht Ptolemäus und Kopernikus tatsächlich bloß als einzelne Personen und nicht als Vertreter eines Weltbildes ihrer Zeit oder nachfolgender Generationen an. Dann wäre aber wiederum "Das Weltbild des Mittelalters" unpassend, weil Millionen von Menschen in einem Zeitraum von etwa 1000 Jahren zwei Einzelpersonen gegenübergestellt würden.

So oder so, das Arbeitblatt lässt sich vermutlich nicht retten.
 
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