[FONT="]Hallo ELQ,
da sprichst Du komplizierte Themen an.
Zur Bauweise:
Ja, im atlantischen Raum gab es in der Vorgeschichte diese Rundbauweise - und zwar wohl schon ziemlich früh. - Müsste man mal gucken oder untersuchen, ob sich das in irgendeiner Weise (teilweise) mit der Verbreitung der Megalithkultur überschneidet - ich tippe drauf. Außerdem wird wohl da die "Beaker-Culture" (Becher-Kultur) im Westeuropäischen (u. a. auch auf den britischen Inseln) mit in Beziehung stehen. (Nicht ganz identisch mit den Becherkulturen in Dtl. - Glockenbecher und Schnurbecher - aber die Glockenbecherkultur ist eher westlich orientiert und hat, meines Wissens nach, auch im atlantischen Bereich mitgemischt. - Da gibt es Funde bis auf die Inseln. Ein Teil der "Beaker-Cultures" in Westeuropa/den Inseln ist wohl der Glockenbecherkultur zuzuordnen.) - Aber das ist Endneolithikum.
Weder Nordwestspanien noch Portugal waren später (und ich spreche von der späteisenzeitlichen Latènekultur auf dem europäischen Kontinent und ihrer Kernregionen) richtig in den "keltischen" Kulturkreis integriert. Es gibt dort "keltische" latènezeitliche und an die Latènekultur angelehnte Befunde. - Aber zum "kulturellen Kern" dieser Kultur gehörten diese Regionen nie. Das war im Bezug auf „die Kelten“ immer kulturelle Peripherie. Die Forschung spricht daher auch von "Kelt-Iberer" nicht von "Kelten".
Und du gehst in deiner Argumentation wieder auf die Sprache ein. Die ist - meiner Einschätzung nach - aber höchstens zweit- (eher dritt-) rangig, wenn es um "keltisch" oder nicht geht. Das ist aber eben meine persönliche Herangehensweise, da ich aus der Archäologie komme und Bedenken bezüglich der Linguistik habe.
Für meine Einschätzung sind die archäologischen Funde und Befunde erst mal vorrangig. Damit kann man das, was von einer materiellen Kultur entdeckt wurde, beschreiben und mit anderen Fundorten vergleichen. Da braucht man erst mal keine kulturelle und erst recht nicht historische Zuordnungen - da sind einfach mal Fakten: Wir haben die und die Schichten gefunden, da waren in dem und dem Zusammenhang, die und die Befunde oder Funde, die so oder so in der Erde steckten. - Fotos, Aufmessungen, Zeichungen dazu usw..
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[FONT="]Archäologen gehen von dem aus, was sie tatsächlich materiell greifbar haben und vergleichen das mit anderen Funden und Befunden aus anderen Grabungen – auch aus anderen Regionen (die diversen Filter für die Überlieferungsbedingungen archäologischer Befunde, habe wir dabei (hoffentlich) immer im Blick). [/FONT]
[FONT="]Wo gibt es ähnliche Befunde und Funde? Wo sehen sie anders aus? Das Beobachtete allein aufgrund von schriftlichen Quellen historisch einordnen zu versuchen, ist aus Sicht der Archäologie methodisch nicht sauber. Sie fordert da deutlich mehr Quellenkritik von den Historikern und ... ups, dass sie sich intensiver mit den – sorry böse Worte - ARCHÄOLOGISCHEN Befunden auseinandersetzen. (Damit meine ich nicht dich.)[/FONT]
[FONT="]Gerade was die vorrömischen Kulturen in Mittel- und Westeuropa angeht, die keine eigenen schriftlichen Quellen, dafür aber Massen von archäologischen Funden und Befunden, überliefert haben, ist - meiner Einschätzung nach – der Archäologie der deutliche Vorrang vor anderen Quellen (insb. Schriftquellen) einzuräumen. [/FONT]
[FONT="]Für die materiellen Kulturen, die die Archäologie üblicherweise mit „den Kelten“ gleichsetzt, die Späthallstattkultur (oder zumindest den nordwestalpinen Kreis davon) sowie die Latènekultur gibt es nur wenige schriftliche Quellen und die regelmäßig von „Außen“, wobei einige der historischen Autoren nicht nur „von außen“ sondern zusätzlich als militärische Gegner schrieben. [/FONT]
[FONT="]Sicherlich ist Caesar der wichtigste Autor, wenn es um schriftliche Beschreibungen der Kelten der Spätlatènezeit geht. Aber er schrieb nicht nur als militärischer Gegner und mit deutlicher politischer Intention (nämlich seine persönlichen machtpolitischen und sicher auch wirtschaftlichen Ziele in Rom durchzusetzen). Er schrieb auch zu einer Zeit, als sich die keltische Spätlatènekultur rechts des Rheins (bis nach Böhmen/Mähren) in Auflösung befand. Das hatte sicherlich auch (wirtschaftliche) Auswirkungen auf die linksrheinischen Kelten (Gallier, Belgen, Aquitanier), die freilich genau zu dieser Zeit von Caesar unterworfen und dem Römischen Reich einverleibt wurden. – Will heißen, Caesar beschreibt nicht eine Kultur in der Blüte, sondern im Niedergang.[/FONT]
[FONT="]Also Vorsicht bei den schriftlichen Quellen.[/FONT]
[FONT="]Die Linguisten können sogar auf noch weniger Quellen zurückgreifen, wenn sie eine „altkeltische“ Sprache rekonstruieren und mit anderen verwandten Sprachen vergleichen: - Orts-, Gewässer- und Personennamen sowie einige schriftliche Aufzeichnungen, die freilich alle aus provizialrömischer Zeit stammen und Jahrzehnte bis Jahrhunderte nach der originären Latènezeit entstanden.[/FONT]
[FONT="]So – und dagegen stehen Massen von archäologischen Funden und Befunden der genannten Kulturen aus ganz Mitteleuropa. Die Publikationen füllen in den einschlägigen Bibliotheken Regalwände, nicht nur Regalmeter. Klar ist es mühsam, sich da durchzuarbeiten – aber DAS sind die wichtigsten Quellen zu diesen Kulturen. [/FONT]
[FONT="](Ach ja, neben Deutsch sollte man dazu mindestens Französisch und Englisch können. Latein oder Altgriechisch oder Gälisch helfen da leider nicht, aber Tschechisch, Italienisch und Spanisch könnten hilfreich sein (Tschechisch als vierte Fremdsprache neben Englisch, Französisch und Latein zu lernen steht noch auf meiner To-do-Liste – falls ich neben meinem (nicht-archäologischen) Job, Privatleben und ehrenamtlicher Arbeit noch Muße dazu finde.)[/FONT]
[FONT="]Doch zurück zum eigentlichen Thema. [/FONT]
[FONT="]Es ging darum, dass jemand wissen wollte, wie ein „keltisches“ Dorf aussah. Ich hatte interveniert als Haerangil die für die britischen Inseln dieser Zeit typische Bauweisen vorschlug, die aber genau NICHT typisch für die Hausformen im Kernbereich der „keltischen Kultur“, der auf dem europäischen Festland lag, sind. [/FONT]
[FONT="]Nur als Beispiel: Wenn ich heute eine „typische“ Gesellschaft beschreiben soll, in der Englisch gesprochen wird, und ich „typisch“ ernstnehme, suche ich mir Großbritannien, die USA oder Australien aus und nicht gerade Malta oder Kenia (wo Englisch auch Amtssprache ist), oder? - Und genau so ist das mit der Frage nach dem „keltischen“ Dorf. Da suche ich ein gutes Beispiel aus der
Kernregion der entsprechenden Kultur, nicht eines aus der Peripherie, die sogar in diesem Bereich einen Sonderweg gegangen war.[/FONT]
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@Biturigos – Ich kenne den Artikel von Raimund Karl seit Jahren und er wird durchaus Recht haben, was die Innenausstattung und das Obergeschoss „keltischer“ Wohnhäuser angeht. Ich glaube auch nicht an die extrem einfache Innenausstattung in Bundenbach. [/FONT]
[FONT="]Es ging mir darum, dass ein User hier die Rundhäuser in Steinbauweise, die eine ganz spezifische, regionaltypische Kulturäußerung vom äußersten Rand der keltischen Latènekultur waren (wenn da überhaupt von „Latènekultur“ gesprochen werden kann oder nur von der Übernahme einzelner Kulturaspekte) und im diametralen Gegensatz zu der Bauweise steht, die in den Kernregionen der Latènekultur archäologisch nachgewiesen sind, als „Beispiel für ein „keltisches“ Dorf“ vorgeschlagen hat.[/FONT]
[FONT="]Wenn ein „typisch keltisches“ Haus rechteckig, in Holz-Lehm-Bauweise, wohnlich eingerichtet, mit nettem Obergeschoss mit Gauben unter dem Strohdach (wie Raimund das vorschlägt) rekonstruiert werden sollte, bin ich vollständig d’accord.[/FONT]
[FONT="]Nur mal so viel – ja war jetzt viel Text. Aber es gibt wohl auch viel zu erklären und klarzustellen.[/FONT]
[FONT="]So, jetzt nehmt mich auseinander [/FONT]
[FONT="]Ich wünsche allen, einen schönen Freitag und bald ein Schönes Wochenende.[/FONT]
[FONT="]Viele Grüße[/FONT]
[FONT="]Nemetona [/FONT]