Wie lassen sich die hohen Verluste der Franzosen in den 3 Schl. Kriegen erklären?

Brissotin

Aktives Mitglied
Ich habe mehrfach beim Vergleich der eingesetzten Truppen festgestellt, dass die Franzosen sowohl im Österreichischen Erbfolgekrieg als auch im 7-jährigen Krieg bei in der Regel bedeutend nummerisch überlegenen Truppen weitaus höhere Verluste einstecken mussten.

Selbst bei den Siegen des berühmten Maréchal de Saxe war dies der Fall. Gibt es dafür eine grundsätzliche Erklärung oder muss man die Problematik jeweils gesondert betrachten?

Hier einige ( ;) ) Zahlen zur Verdeutlichung.

eingesetzte Soldaten/Verluste

Es handelt sich natürlich immer um ungefähre Werte und ich habe mich entschlossen zumindest fast immer 3 Schätzungen nebeneinander zu schreiben. Auf die Gefahr hin, dass die "Quellen" voneinander abschrieben, könnten ja zur besseren Veranschaulichung andere Forianer sicherere Zahlen beisteuern.

Schlachten:

1.) Österr. Erbf.krieg:

Dettingen (1743)
Sieger: Alliierte

Franzosen:
70.000/8.000*
70.000/4.000**
26.000/4.000***

Alliierte:
50.000/2.400*
35.000/3.000**
25.000/2.500***

Fontenoy (1745)
Sieger: Franzosen

Franzosen:
56.000/7.100*
49.000/7.300**
49.000/7.300***

Alliierte:
50.000/5.100*
48.500/7.500**
48.500/7.500***

Roucoux (1746)
Sieger: Franzosen

Franzosen:
60.000/10.000*
60.000/10.000**
60.000/5.000***

Alliierte
40.000/5.000*
40.000/5.000**
40.000/4-5.000***

Lauffeldt (1747)
Sieger: Franzosen

Franzosen:
80.000/10.000*
80.000/10.000**
80.000/9.000***

Alliierte:
60.000/8.000*
60.000/4.000**
60.000/8.000***


2.) Siebenjähriger Krieg


Hastenbeck (1757)
Sieger: Franzosen

Franzosen:
60.000/2.300**
60.000/2.600***

Alliierte:
36.000/1.400**
35.000/1.300***

Krefeld (1758)
Sieger: Alliierte

Franzosen:
47.000/3.000***

Alliierte:
32.000/2.200***

Bergen (1759)
Sieger: Franzosen

Franzosen:
30.000/4.000**
35.000/1.800***

Alliierte:
24.000/2.400**
28.000/2.400***

Minden (1759)
Sieger: Alliierte Briten und Deutsche

Franzosen und Sachsen:
51.000/10-11.000*
55.000/8.300**
51.000/7.000***

Briten und Deutsche
41.000/2.600*
40.000/2.800**
41.000/2.600***

Emsdorf (1760)
Sieger: Briten und Deutsche

Franzosen und Hilfstruppen:
3.000/2.600 (davon 1.600 Gefangene)*
4.600/1.100**
3.000/2.600***

Briten und Verb.:
3.000/190*
5.000/170**
3.000/190***

Warburg (1760)
Sieger: Briten und Deutsche

Franzosen:
130.000 (20.000 eingesetzt)/6-8.000*
21.500 [wohl nur die Eingesetzten]/8.000**
130.000 (20.000 eingesetzt)/6-8.000***

Briten und Deutsche:
62.000 (16.000 eingesetzt)/1.200*
24.000[wohl nur die Eingesetzten]/1.500**
62.000 (16.000 eingesetzt)/1.200***

Kloster Kamp (1760)
Sieger: Franzosen

Franzosen:
25.000/3.100*
25.000/3.100**
25.000/3.100***

Alliierte:
20.000/1.600*
20.000/1.600**
20.000/1.600***

Vellinghausen (1761)
Sieger: Alliierte

Franzosen:
92.000/5.000*
140.000/5.000**
80.000/5.000***

Alliierte:
65.000/1.400*
70.000/1.300**
100.000/1.400***

Wilhelmsthal (1762)
Sieger: Alliierte

Franzosen:
70.000/4.500 (davon 3.000 Gefangene)*
70.000/1.500***

Alliierte:
50.000/700*
50.000/700***



1.) 3/1
2.) 6/3
Verhältnis Siegen/Niederlagen

* British Battles - analysing and documenting British Battles from the previous centuries
** derzeitige Zahlen aus dt. Wikipedia
*** derzeitige Zahlen aus franz. Wikipedia
 
Für den Siebenjährigen Krieg ist es ja eigentlich schon eine selektive Auswahl der Schlachten. In Nordamerika liegen die Franzosen meist von den Verlustzahlen unter den Engländern (große Ausnahme: Plains of Abraham), bei Minorca dürfte es vermutlich auch besser aussehen und bei Saint-Cast ebenfalls.

Nun sind Saint-Cast, Minorca und viele der Schlachten in Amerika eigentlich keine normalen offenen Feldschlachten. Ausnahme: Plains of Abraham. Vielleicht Schwächen der Armee, die bei solchen Schlachten besonders zutage treten?
 
Bei Fontenoy dürfte das wohl an den coolen Sprüchen der
französischen Offiziere gelegen haben:
"Messieurs les Anglais - tirez en premier!"
(Liebe Engländer - ihr dürft zuerst schießen...) :scheinheilig:


Ernsthafter: Die erste Frage an die Quellen:
Wie sind "Verluste" definiert?
Zählen auch Deserteure mit dazu ( in schlechten Armeen
oder nach verlorenen Schlachten Verlusttreiber)
Zählen auch in der Schlacht verletzte, später verstorbene
Soldaten mit dazu? (niedrige Zahlen sind ein Qualitätseffekt für
den Sanitätsdienst - also eher selten *hüstel*)
Zählen überhaupt Verwundete zu den Verlusten? Welches
Kriterium muss erfüllt sein, um als "Verlust" durch Verwundung
zu gelten? Heimatschuss?
Im übrigen, liebe Quelle, auf wessen Seite stundest Du, als Du
deren Verluste "zähltest", während Du die Verluste der Gegenseite
"schätztest".

Ich unterstelle, dass Wikipedia hier eher schwächeln dürfte...
 
Ich habe mehrfach beim Vergleich der eingesetzten Truppen festgestellt, dass die Franzosen sowohl im Österreichischen Erbfolgekrieg als auch im 7-jährigen Krieg bei in der Regel bedeutend nummerisch überlegenen Truppen weitaus höhere Verluste einstecken mussten.
Selbst bei den Siegen des berühmten Maréchal de Saxe war dies der Fall. Gibt es dafür eine grundsätzliche Erklärung oder muss man die Problematik jeweils gesondert betrachten?

Das ist eine Fragestellung aus der Elementarstatistik, die eine vielköpfige Rotte von Forianer einige Zeit beschäftigen könnte...

  1. Deine Hypothese lautet, wenn ich sie recht verstehe: Die Verluste französischer Heere in Gefechten eines ausgewählten Zeitraums sind höher als die Verluste anderer Heere.
    - Höher in absoluten oder relativen Werten?
    - Welches Signifikanzniveau?
  2. Du warst schon so lieb, abweichende Zahlen aus drei Quellen nebeneinander zu stellen. Es dürfte schwierig sein, die "Wahrheit" willkürfrei zu ermitteln?
    - Mittelwerte bilden?
  3. Was bedeutet "Verlust" bzw. welche Werte gehen in die Rechnung ein (Gefallene, Verwundete, Vermisste, Gefangene)?
  4. Wie AnDro anmerkt, ist die Stichprobe nicht repräsentativ. Zwischen 1741 und 1748 etwa fehlen wenigstens 9 Gefechte mit französischer Beteiligung (Zohay, Deggendorf, Weißenburg, Coni, Pfaffenhofen, Bassignana, Piacenza, Rottofreno, Col de l'Assiette).
  5. Wenn diese Fehlerquellen bereinigt sind, müsste man einen geeigneten statistischen Test durchführen.
Wenn sich hiernach ergäbe, dass Deine Hypothese zutritt, läge eine Gesetzmäßigkeit vor.

Willst Du das wirklich auf Dich nehmen? :winke:

PS: Neddy hat mich überholt, aber ich lasse das mal so stehen.
 
Händel komponierte das Dettingen Te Deum zum Sieg der Österreicher / Briten über die Franzosen. (nur nebenbei als Threadausschmückung :D)

Ansonsten kauf ich ein "E" und löse "Entwicklung".
Gab es Mitte des 18. Jh. noch technologische Unterschiede zwischen den Gegnern oder war das Niveau ausgeglichen?
 
@ Neddy
Angegeben habe ich Verluste an Verwundeten, Gefangenen und Gefallenen zusammen genommen. Falls ich eine präzise Angabe fand, welche die Gefangenen anführte, meinte ich, diese am besten hier auch angeben zu sollen. Zwischen Verwundeten und Gefallenen wollte ich nicht aufschlüsseln, da mir nicht bekannt ist, dass es da gravierende Unterschiede in der Verwundetenversorgung auf einer der Seiten gegeben hätte.

Das ist eine Fragestellung aus der Elementarstatistik, die eine vielköpfige Rotte von Forianer einige Zeit beschäftigen könnte...

  1. Deine Hypothese lautet, wenn ich sie recht verstehe: Die Verluste französischer Heere in Gefechten eines ausgewählten Zeitraums sind höher als die Verluste anderer Heere.
    - Höher in absoluten oder relativen Werten?
    - Welches Signifikanzniveau?
  2. Du warst schon so lieb, abweichende Zahlen aus drei Quellen nebeneinander zu stellen. Es dürfte schwierig sein, die "Wahrheit" willkürfrei zu ermitteln?
    - Mittelwerte bilden?
  3. Was bedeutet "Verlust" bzw. welche Werte gehen in die Rechnung ein (Gefallene, Verwundete, Vermisste, Gefangene)?
  4. Wie AnDro anmerkt, ist die Stichprobe nicht repräsentativ. Zwischen 1741 und 1748 etwa fehlen wenigstens 9 Gefechte mit französischer Beteiligung (Zohay, Deggendorf, Weißenburg, Coni, Pfaffenhofen, Bassignana, Piacenza, Rottofreno, Col de l'Assiette).
  5. Wenn diese Fehlerquellen bereinigt sind, müsste man einen geeigneten statistischen Test durchführen.
Wenn sich hiernach ergäbe, dass Deine Hypothese zutritt, läge eine Gesetzmäßigkeit vor.

Willst Du das wirklich auf Dich nehmen? :winke:

PS: Neddy hat mich überholt, aber ich lasse das mal so stehen.
1. Ich habe erstmal garkeine Hypothese. Hätte ich eine, hätte ich sie einfach hierher geschrieben. Ich hatte nur den grundsätzlichen Eindruck, dass die Franzosen bei häufigem zahlenmäßigem Übergewicht, höhere Verluste hatten.
Eben da die Verlustangaben variieren, habe ich relative Verhältnisse noch nicht ausgerechnet. Bis jetzt habe ich mir zu diesen auch noch keine Gedanken gemacht.

2. Um einen Mittelwert geht es mir nicht. Vielmehr war es mir wichtig zu veranschaulichen, dass ich grundsätzlich die Zahlen hinterfrage. Interessant ist ja auch, bei allen Abweichungen, dass die II. und III. Zahl ja im Normalfall scheinbar auch nicht der Tendenz widerspricht, dass die Franzosen oftmals mit nummerischen Übergewicht höhere Verluste hinnahmen.

3.
Es schließt immer alle von Dir dargestellten Aspekte von "Verluste" ein.

4.
Können wir gern nachtragen.:)

@ geschichtsfan07
Mir ist keine bedeutende technologische Überlegenheit auf einer der Seiten bekannt. Gleichwohl war die Zusammensetzung der Armeen, z.B. den Anteil an Kavallerie zur Infanterie oder der Menge an Artillerie auf den Infanteristen, unterschiedlich. Gerade bei der Bewaffnung kenne ich keine nennenswerten Vorteile einer Seite. Die selbstaufschüttende Pulverpfanne kam erst deutlich später auf.

Denkbar wäre vielleicht, dass eine der Parteien schneller ladende Infanteristen hatte.

@ AnDro
Den nordamerikanischen Kriegsschauplatz wollte ich lieber vernachlässigen. Da die Kampfweise dort eine ganz andere waren und gerade die bewaffneten Ureinwohner einen schwer einzuschätzenden Faktor darstellen.
 
Weitere Zahlen

Diemal nur aus dem engl. Wikipedia:
1.)

Villafranca (1744)
Französisch-Spanischer Sieg

Spanier und Franzosen:
40.000/14.000

Sarden und Briten:
12.000/5.000

Casteldelfino (1744)
Französischer Sieg

Franzosen:
5.000/1.900

Sarden:
2.000/2.000 (inkl. Gefangene)

Madonna dell'Omo (1744)
Französisch-Spanischer Sieg

Franzosen und Spanier:
26.000/2.700

Sarden:
25.000/4.400 (inkl. Gefangene)

Bassignano (1745)
Französisch-Spanischer Sieg

Franzosen und Spanier:
70.000/500

Sarden:
54.000/1.500 (inkl. Gefangene)

Piacenza (1746)
Österreichischer Sieg

Franzosen und Spanier:
40.000/13.000 (inkl. Gefangene)

Österreicher:
55.000/3.400

2.)

Rossbach (1757)
Preußischer Sieg

Franzosen und Reichstruppen:
42.000/10.000 (davon 5.000 Gefangene)

Preußen:
22.000/548

Korbach (1760)
Französischer Sieg

Franzosen:
7.000-12.000 [20.000]/700-800

Verbündete:
15.000-20.000/800-1.000 (inkl. Verbündete)
 
Sehr interessante Frage, vielen Dank Brissotin.

Ich befürchte nur, daß man deutlich tiefer bei diversen Schlachten einsteigen muß, bevor man überhaupt vergleichbare Zahlen ermitteln und eine mögliche Tendenz herausfinden kann. Noch mehr in die Breite zu gehen (noch dazu mit wenig bekannten Schlachten gegen Sarden etc.) verwirrt eher.

Von der Definition her dürften "Verluste" m. E. bei allen Armeen dieser Zeit gleich, nämlich als Summe von Toten, Verwundeten, Gefangenen und Deserteuren definiert sein. Es werden schlicht alle gezählt, die nicht mehr voll kampffähig zur Verfügung stehen.
Es wäre aber schon wichtig erst einmal zu prüfen, wer diese Zahlen jeweils ermittelt und gemeldet hat - da mag es nationale Unterschiede geben.

Meinen direkten Senf kann ich zu zwei Schlachten geben, die wegen ihres 250-jährigen Jubiläums derzeit besonders aufgearbeitet wurden, zu beiden habe ich bei Ortsterminen mit Fachhistorikern sprechen können.

Da wäre erst einmal die Schlacht bei Bergen.
Das war strategisch ein französischer Sieg, aber taktisch (und da wird es für die Verlustzahlen relevant) ein Unentschieden. Soll heißen, die Alliierten haben angegriffen, wurden zurückgeschlagen, und haben sich dann gut sortiert wieder zurückgezogen (ohne Verfolgung, die sorgt ja meist für große Verluste).
Ein großer Teil der alliierten Truppen nahm gar nicht teil, sondern erschien erst, als die Sache schon entschieden war - solche Effekte machen dann relative Verlustangaben zum Problem.
Um vom Schlachtverlauf her (die Franzosen verteidigen sich in guter Deckung) sind die Verlustangaben der deutschen Wikipedia unglaubwürdig.

Dann die Schlacht bei Minden.
Hier führten zwei schwere taktische Fehler der französischen Generäle zu horrenden Verlusten.
Erstens griff die Kavallerie mehrfach und massiert stabil stehende Infanterie frontal an. Das gelingt eigentlich nie und führte zu sehr hohen Verlusten. Bemerkenswert ist, daß diese französischen Reiter zu den besten Truppen des Landes gehörten und den unsinnigen Angriffsbefehl ohne Zögern ausführten, mit allen Konsequenzen (das erinnert etwas an die ähnlichen Angriffe bei Crécy und Agincourt).
Zweitens stoppte der rechte Flügel das geplante Vorrücken, als unerwartete (aber schwache) Verteidigungsstellungen der Alliierten erreicht wurden. General de Broglie ließ die Truppen warten, um sich beim Oberbefehlshaber neue Orders zu holen. Und da die Schlacht sich insgesamt unübersichtlich entwickelt hatte, dauerte das einige Stunden.
Und während dieser Stunden stand die Infanterie (auch hier die absoluten Elite-Regimenter) wie auf dem Exerzierplatz wartend - aber in bester Reichweite der alliierten Artillerie. Die Ärmsten standen also die ganze Zeit da und wurden heftigst dezimiert - bis dann der Rückzugsbefehl kam.

Umgekehrt hatte die französische Artillerie keine Ziele, weil die deutsche Infanterie sich hinter einer leichten Bodenwelle hinkniete und versteckte. Die Briten stellten sich zuerst ebenso vorschriftsmäßig auf wie die Franzosen - aber nachdem sie einige Salven einstecken mußten, folgten sie dem Beispiel ihrer deutschen Verbündeten und knieten sich in Deckung.

Für diese eine Schlacht könnte man also zum Schluß kommen, daß die enormen französischen Verluste daher rühren, daß sie deutlich mutiger als schlau agierten (und die Verluste wären noch deutlich höher gewesen, wenn nicht der englische Kavallerie-Befehlshaber wegen Dummheit/Unfähigkeit/Sabotage den Befehl zur Verfolgung verweigert hätte).

Falls die geschilderten Verhaltensweisen auch in anderen Schlachten eine Rolle spielten, könnte Brissotins Beobachtung eine reale Basis haben.

Es könnte aber auch noch ein anderer Aspekt eine Rolle spielen (obwohl ich keine Idee habe, welche): Bei allen Schlachten des diskutierten Zeitraums kämpften die Franzosen im Ausland (Frankreich war wegen des Vauban'schen Festungsgürtels und der exzellenten Nachschubchausseen nicht wirklich angreifbar). Es ist vorstellbar, daß das Kämpfen auswärts zu höheren Verlusten führt - obwohl wir hier noch deutlich vor der Zeit von größeren Guerilla-Aktivitäten sind.
 
Ein kurzer Hinweis auf Losses of life in modern wars, von Bodart/Kellogg/Vernon:
Internet Archive: Free Download: Losses of life in modern wars, Austria-Hungary; France

Dort wird (S. 101) auf die sehr hohen Verluste aus Desertionen hingewiesen, die allerdings alle Armeen betrafen:
Ö-U 62.000
Preußen 80.000
Frankreich 70. - 80.000

Hier könnte ein Problem der Zählungen liegen, wenn die preußischen Statistiken die Deserteure nicht erfaßt haben sollten.

Daneben findet man die frz. Verluststatistiken für Siege zwischen 2 bis 5% (Ausnahme Kloster Kampen 14%) und Niederlagen 3 - 11% zuzüglich Gefangene zwischen 3 und 13 %.

Die österreichischen Verlusten findet man ab S. 36, prozentual bei Siegen nicht niedriger als bei der frz. Armee (4-12%).
 
Bodart/Kellogg/Vernon
Danke für diesen Link, sehr interessant.

Hier könnte ein Problem der Zählungen liegen, wenn die preußischen Statistiken die Deserteure nicht erfaßt haben sollten.
M. W. wurden sie auch bei den Preußen erfaßt.
Unterschiede kann es aber gegeben haben, ab wann eine Desertation gezählt wurde.
Je nach Schlachtverlauf (insbesondere der Armeebewegungen hinterher) und Geographie konnte es ja einige Zeit dauern, bis versprengte Truppenteile oder einzelne Soldaten wieder bei ihren Einheiten auftauchten. Und es war eine Frage der Kulanz, ob man aufgegriffene Soldaten als Deserteure behandelte oder ob man ihnen abnahm, daß sie sich verirrt hätten und auf der Suche nach ihrer Truppe wären.
Ich meine mich zu erinnern, daß gerade die ansonsten ja eher als streng geltenden Preußen da eher großzügig waren - weil sie ja auch in hoher Zahl echte "Landeskinder" in der Armee hatten, denen man solche Versicherungen glauben konnte.
 
Auf diesen Thread kam ich vor allem, da immer auf die Unfähigkeit der Franzosen im Siebenjährigen zu siegen hingewiesen wird. Das macht dann vielleicht kein Historiker sondern eher mein Freundeskreis. Insgesamt erreichten die Franzosen trotz eingesetzter Mittel nicht die Kriegsziele in Norddeutschland (dauerhafte Besetzung Braunschweig-Lüneburgs, um es im Frieden wieder zur Verhandlungsbasis zu nehmen).
Durch die Biographie zu Louis XV von Bernier bin ich bis jetzt eigentlich nur zu dem Eindruck gekommen, dass die unklare Führung mit einem Mangel an einem charismatischen Oberbefehlshaber eine Rolle gespielt haben müsste.

1.
Ich befürchte nur, daß man deutlich tiefer bei diversen Schlachten einsteigen muß, bevor man überhaupt vergleichbare Zahlen ermitteln und eine mögliche Tendenz herausfinden kann. Noch mehr in die Breite zu gehen (noch dazu mit wenig bekannten Schlachten gegen Sarden etc.) verwirrt eher.





Dann die Schlacht bei Minden.
2.
Hier führten zwei schwere taktische Fehler der französischen Generäle zu horrenden Verlusten.
3.
Erstens griff die Kavallerie mehrfach und massiert stabil stehende Infanterie frontal an. Das gelingt eigentlich nie und führte zu sehr hohen Verlusten. Bemerkenswert ist, daß diese französischen Reiter zu den besten Truppen des Landes gehörten und den unsinnigen Angriffsbefehl ohne Zögern ausführten, mit allen Konsequenzen (das erinnert etwas an die ähnlichen Angriffe bei Crécy und Agincourt).
4.
Zweitens stoppte der rechte Flügel das geplante Vorrücken, als unerwartete (aber schwache) Verteidigungsstellungen der Alliierten erreicht wurden. General de Broglie ließ die Truppen warten, um sich beim Oberbefehlshaber neue Orders zu holen. Und da die Schlacht sich insgesamt unübersichtlich entwickelt hatte, dauerte das einige Stunden.
Und während dieser Stunden stand die Infanterie (auch hier die absoluten Elite-Regimenter) wie auf dem Exerzierplatz wartend - aber in bester Reichweite der alliierten Artillerie. Die Ärmsten standen also die ganze Zeit da und wurden heftigst dezimiert - bis dann der Rückzugsbefehl kam.

5.
Für diese eine Schlacht könnte man also zum Schluß kommen, daß die enormen französischen Verluste daher rühren, daß sie deutlich mutiger als schlau agierten (und die Verluste wären noch deutlich höher gewesen, wenn nicht der englische Kavallerie-Befehlshaber wegen Dummheit/Unfähigkeit/Sabotage den Befehl zur Verfolgung verweigert hätte).

Falls die geschilderten Verhaltensweisen auch in anderen Schlachten eine Rolle spielten, könnte Brissotins Beobachtung eine reale Basis haben.
1.)
Ich habe die Schlachten gegen die Sarden mit dazu genommen, weil ich damit ausschließen wollte, dass ich ein einseitiges Bild vermittle (ich hätte ja zufälligerweise immer die Schlachten gegen die schwersten Gegner sonst gezeigt haben können). Bassignano (1745) bspw. scheint mir von den eingesetzten Truppen her eine Generalschlacht gewesen zu sein.

Ich habe ja auch nur Schlachten genommen, von denen ich auf Anhieb möglichst klare Zahlen fand.

Im Prinzip müsste man also von den jeweiligen Schlachten die einzelnen Ursachen der Verluste aufschlüsseln(?).

2.)
Wohl richtig. Wobei mir die Heerführer verschiedene Male mit der Größe der Körper einfach überfordert scheinen.

3.)
Ist das fast typisch für die Franzosen?

4.)
Eine interessante Sache. Sie steht ja ein bisschen im Gegensatz zum gewöhnlichen Gerangel bei den Marschällen, wer denn welche Befugnisse hat. Hier hingegen kam es zu Problemen, da sich ein General bestimmte Kompetenzen nicht zutraute.

5.)
Kann sein.



Da frage ich mich, ob das nicht genauso gut Fehler der Disziplin waren.

"Die Mißerfolge der Armee und ihre Niederlagen während des Siebenjährigen Krieges gegenüber Herzog Ferdinand von Braunschweig in Westdeutschland sind primär einer Disziplinkrise im Oberkommando zuzuschreiben, die sich unvermeidlich nach unten übertrug."
*

Kommt es nicht desöfteren vor, dass bei Kompetenzgerangel an der Spitze, nach unten um so energischer auf den Befehlsweg beharrt wird? Und wenn ja, könnte sowas nicht zu solchen Fehlern wie unter 4.) führen?

* Siegfried Fiedler: "Taktik und Strategie der Kabinettskriege" Bechtermünz, Augsburg, 2005
S. 49-50
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein kurzer Hinweis auf Losses of life in modern wars, von Bodart/Kellogg/Vernon:
Internet Archive: Free Download: Losses of life in modern wars, Austria-Hungary; France

Dort wird (S. 101) auf die sehr hohen Verluste aus Desertionen hingewiesen, die allerdings alle Armeen betrafen:
Ö-U 62.000
Preußen 80.000
Frankreich 70. - 80.000

Hier könnte ein Problem der Zählungen liegen, wenn die preußischen Statistiken die Deserteure nicht erfaßt haben sollten.

Daneben findet man die frz. Verluststatistiken für Siege zwischen 2 bis 5% (Ausnahme Kloster Kampen 14%) und Niederlagen 3 - 11% zuzüglich Gefangene zwischen 3 und 13 %.
...
Erst einmal, vielen Dank für die Hinweise.

Kommst Du zu bestimmten Unterschieden zwischen den Schlachten des 7-jährigen und des Österreichischen Erbfolgekrieges?
 
In Prozent einzelne Beispiele

Eingesetzte Mannzahl
Franzosen/Gegner
Französische Verluste/Gegnerische Verluste

Minden (1759)

51.000/41.000*
21,57%* oder 14%**/6,34%*

Emsdorf (1760)

3.000/3.000
86,66%*/6,33%

Warburg (1760)

20.000/16.000* (effektiv eingesetzt)
40%* oder 22%**/7,5%*

Kloster Kamp (1760)

25.000/20.000*
12,4%* oder 14%**/8%*

Vellinghausen (1761)

92.000/65.000*
5,43%* oder 5%**/2,15%*

Wilhelmsthal (1762)

70.000/50.000*
6,43%* oder 18%**/1,4%*

* folgend den Zahlen von Battle of Wilhelmstahl - Seven Years War
** folgend den prozentualen Verlusten von: Bodart/Kellogg/Vernon: "Losses of life in modern wars" Clarendon Press, Oxford, 1916
 
Speziell zu Minden gibt es übrigens auch etwas, zum 150sten
Auch sehr schön!
Allerdings (verständlicherweise) sehr aus britischer Sicht.

Und die Aktionen der britischen Infanterie auf dem rechten Flügel waren zwar spektakulär, ebenso umgekehrt die Verweigerung der britischen Kavallerie.

Aber entschieden wurde die Sache in der Mitte bzw. dem linken Flügel, durch die hessische Infanterie und die Bückeburg'sche Artillerie - das kommt in der englischen Darstellung kaum vor.
 
Und die Aktionen der britischen Infanterie auf dem rechten Flügel waren zwar spektakulär, ebenso umgekehrt die Verweigerung der britischen Kavallerie.

Aber entschieden wurde die Sache in der Mitte bzw. dem linken Flügel, durch die hessische Infanterie und die Bückeburg'sche Artillerie - das kommt in der englischen Darstellung kaum vor.
Haben die Hessen keine eigene Literatur dazu?
 
Auf diesen Thread kam ich vor allem, da immer auf die Unfähigkeit der Franzosen im Siebenjährigen zu siegen hingewiesen wird.
Verwandter Aspekt, aber eigentlich ja nicht dasselbe. Man könnte auch trotz (oder wegen) höherer Verluste (Bereitschaft/Fähigkeit Verluste zu nehmen) siegen.

Insgesamt erreichten die Franzosen trotz eingesetzter Mittel nicht die Kriegsziele in Norddeutschland
Wahrscheinlich waren die eingesetzten Mittel eben doch nicht ausreichend, um ein gutes Stück entfernt von den eigenen Nachschubbasen ein so großes Gebiet zu besetzen und zu halten.
Frankreich war zu dieser Zeit ja schon sehr finanzklamm. Die Alliierten haben nach der Schlacht in der Beute Briefe der französischen Regierung an den Oberkommandierenden gefunden - dort wurde offen gesagt, daß eine weitere Finanzierung des Feldzugs nicht mehr möglich sei und die Armee sich fortan aus dem Lande ernähren müsse. Falls die Schlacht anders ausgegangen wäre, wäre Westfalen wohl komplett ausgeplündert worden.

Durch die Biographie zu Louis XV von Bernier bin ich bis jetzt eigentlich nur zu dem Eindruck gekommen, dass die unklare Führung mit einem Mangel an einem charismatischen Oberbefehlshaber eine Rolle gespielt haben müsste.
Es hätte wohl die klare Führungsstruktur gereicht, die französischen Truppen waren gut genug, um sie auch ohne Charisma zu führen.

Es spielte aber wohl auch eine Rolle, daß die Franzosen zu sehr unter Erfolgsdruck standen. Sie galten als die beste Armee ihrer Zeit, waren es aber nicht mehr wirklich. Bei den Alliierten waren auch taktische Teilerfolge anerkennenswert (Friedrich hat den Herzog v. Braunschweig sogar nach der Niederlage von Bergen aufgemuntert, weil die Gesamtlage es verkraftet hat), der französische Hof dagegen erwartete glanzvolle Siege.
Und vor lauter Bemühen, nur ja nichts falsch zu machen, haben Contades und Broglie dann bei strategisch und taktisch besserer Situation und überlegener Zahl richtig ins Fettnäpfchen getreten.

Ich habe die Schlachten gegen die Sarden mit dazu genommen, ...
Völlig klar, ich kann die nur überhaupt nicht beurteilen.

Wohl richtig. Wobei mir die Heerführer verschiedene Male mit der Größe der Körper einfach überfordert scheinen.
Hier nicht. Im Gegenteil war der (von den Alliierten völlig unbemerkte) nächtliche Aufmarsch der französischen Armee eine Glanzleistung, die standen bei Sonnenaufgang korrekt sortiert in den geplanten Stellungen.
Auf der Gegenseite dagegen war Chaos, das nur durch den Dauereinsatz des Herzogs sortiert werden konnte. Genau diese Aktivität und Flexibilität fehlte dem französischen Oberkommando.

Zu den Kavallerieattacken:
Ist das fast typisch für die Franzosen?
So als Hypothese würde ich mal sagen: Ja.
Im Prinzip war es wohl eine generelle Haltung der europäischen Adelskavallerie, Mut und direkten Angriff höher zu schätzen als disziplinierte Taktik und geschicktes (feiges) Manövrieren. Aber die Franzosen hatten ja schon im Mittelalter den Ruf (und das Selbstbild), die Elite der Ritterschaft zu sein und diese Ideen am konsequentesten zu leben.

Zum Nicht-Angriff de Broglies:
Eine interessante Sache. Sie steht ja ein bisschen im Gegensatz zum gewöhnlichen Gerangel bei den Marschällen, wer denn welche Befugnisse hat. Hier hingegen kam es zu Problemen, da sich ein General bestimmte Kompetenzen nicht zutraute.
Die Befugnisse waren wohl klar, de Broglie hatte die Elite-Infanterie und einen klaren Auftrag für den rechten Flügel. Wobei wohl auch ein klarer strategischer Hintergrund kommuniziert wurde, daß es bei der Schlacht darum gehen würde, die exponierte Stellung von Wangenheims Truppen auszunutzen und diese mit einem übermächtigen Angriff auszuschalten.
Die Franzosen hatten strategisch keinerlei Grund, eine Schlacht zu riskieren und wollten nur kämpfen, wenn der Sieg sicher sei. Und das hat wohl de Broglies Angriffseifer gebremst, als es ums Ganze ging.

Nach der Schlacht haben dann auch beide Generäle ihre Version der Vorgänge nach Paris geschickt und "ihre" Hofpartei für sich mobilisiert - de Broglie hat diese Intrigen dann gewonnen und bekam den Oberbefehl. Aber den Oberbefehl über so reduzierte Truppen und Möglichkeiten, daß es eben auch nichts mehr wurde.

Mutig/dummes Verhalten der französischen Truppen:
Da frage ich mich, ob das nicht genauso gut Fehler der Disziplin waren.
Wohl nicht, die Disziplin war bis zum Schluß beängstigend gut. Soll heißen: Wenn die Infanterie nur einige hundert Meter zurückgegangen wäre, wäre sie außer Artilleriereichweite gewesen und hätte tausende von Verlusten vermieden.

Die Hessen in der alliierten Mitte haben sich so verhalten. Und sich dann nach dem Zurückgehen wieder gesammelt um in guter Ordnung wieder anzugreifen. Und das dreimal - bis die Entscheidung erreicht war.
Die 100%-Disziplin der Franzosen war im Gegensatz zu diesem flexiblen Vorgehen verheerend.

Kommt es nicht desöfteren vor, dass bei Kompetenzgerangel an der Spitze, nach unten um so energischer auf den Befehlsweg beharrt wird? Und wenn ja, könnte sowas nicht zu solchen Fehlern wie unter 4.) führen?
Würde ich bejahen.
Das oberste Ziel beider französischer Generäle war wohl, nicht schuld zu sein, wenn etwas schief geht. Und deshalb konnten sie sich stundenlang nicht entscheiden, wie der verunglückte Schlachtplan zu retten wäre.
 
Haben die Hessen keine eigene Literatur dazu?
Mir ist keine bekannt (was aber nicht viel sagt ...).
Es gibt preußische Literatur (Generalstabsberichte, Archenholz, ...) und viel von den Engländern. Die Franzosen scheinen weniger daran interessiert gewesen zu sein, diese Schlacht zu beschreiben.

Generell gibt es wohl nicht viel über das hessische Militär. Und wir reden hier ja auch über Hessen-Kassel - das interessiert mich als Hessen-Darmstädter natürlich sowieso fast nicht ;-)
 
Wahrscheinlich waren die eingesetzten Mittel eben doch nicht ausreichend, um ein gutes Stück entfernt von den eigenen Nachschubbasen ein so großes Gebiet zu besetzen und zu halten.
Frankreich war zu dieser Zeit ja schon sehr finanzklamm. Die Alliierten haben nach der Schlacht in der Beute Briefe der französischen Regierung an den Oberkommandierenden gefunden - dort wurde offen gesagt, daß eine weitere Finanzierung des Feldzugs nicht mehr möglich sei und die Armee sich fortan aus dem Lande ernähren müsse. Falls die Schlacht anders ausgegangen wäre, wäre Westfalen wohl komplett ausgeplündert worden.
Damit ist wohl die bei Minden gemeint.

Viel Spaß in Minden übrigens! Gehe mal davon aus, Du gehst hin.:D

Wie es genau um die finanzielle Lage Frankreichs stand, weiß ich momentan nicht. Sicher ist wohl, dass alle Beteiligten ihre Kräfte enorm für diesen Krieg anspannen mussten. Friedrich konnte dabei als einziger mit dem sächsischen Mehlsack auch eine gewisse Kompenisierung des Aufwandes (wenn auch sicherlich lange nicht genügend) erobern.

Ansonsten: Danke für die Erläuterungen.:)
 
Damit ist wohl die bei Minden gemeint.
Richtig.

Viel Spaß in Minden übrigens! Gehe mal davon aus, Du gehst hin.
Danke - ich war schon da. Mit einer sehr qualitätvollen Führung über fast 10 Stunden durch Museum und Gelände - so viel habe ich wohl noch nie an einem Tag gelernt.

minden.de - Internet


Wie es genau um die finanzielle Lage Frankreichs stand, weiß ich momentan nicht.
Ich auch nicht. Aber m. W. hat keiner der beteiligten Staaten zu so radikalen Maßnahmen gegriffen. Requiriert wurde natürlich, aber so komplett den Feldzug aus dem Lande zu finanzieren wie hier geplant, das wäre ja ein Rückfall um einige Jahrhunderte gewesen.
 
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