Wie waren die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert?

Die Römer standen also unter "Beobachtung"

Zumindest Arminius oder Marbod traue ich zu, daß er zu jedem Zeitpunkt wusste, wo sich welche Legion an seiner Grenze gerade befindet. Das waren ehemalige römische Offiziere. Die üblichen Kommunikationsprobleme in diesen Zeiten mal ausgeblendet.

Umgekehrt trieben sich ganze Kohorten von Exploratores in Germanien rum. Diese Spezialeinheiten sind zwar erst für später belegt, aber im frühen Imperium verfügte jede Legion über Aufklärer; sowohl Soldaten als auch Zivilisten.
 
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Mir scheint, dass Königsheil und Sippenheil für diese frühe Zeit eigentlich nicht nachweisbar sind,...


Interessant ist hierzu Stefanie Dicks Buch Der Mythos vom "germanischen" Königtum in welchem sie darlegt, dass Tacitus keine Ahnung von den inneren Verhältnissen Gemaniens gehabt habe und versucht habe, Analogieschlüsse aus seiner Zeit im Osten einzubauen.
Widersprüchlich ist zB, dass Arminius angeblich umgebracht wurde, weil er nach der Königswürde strebte, sich später aber die freiheitsliebenden Cherusker -ebenso angeblich- einen Nachfahren aus seiner Sippe als König - Italicus - erbaten.
Die frühen Träger eines Königstitels, wie etwa Marbod und Tudrus, versieht Tacitus mit dem Attribut "regibus ex auctoritate Romana", also als Könige von Roms Gnaden. Ebenso wie im Fall des Italicus scheint dies doch darauf hinauszulaufen, dass die Römer versuchten, bei den Germanen ihnen genehme Strukturen durchzusetzen, Könige einzusetzen, damit sie eine oder wenige, von ihnen kontrollierbare, Ansprechpartner hatten, statt einer unüberschaubaren Zahl von Entscheidungsträgern. Schon Caesar hatte den Ubiern einen Dux, und einen Senat gegeben. Klingt eher römisch als germanisch.

 
nun, die Sache mit Italicus ist auch schon ein paar Jahre später. Und die Cherusker baten zwar um einen "König" brauchten aber eher einen "außenstehenden" Schlichter, eben aus der Familie des Arminius. Da blitzt schon sowas wie "Königsheil" auf.
Auch Demokraten und Anarchisten können zu der Ansicht gelangen, das ein "starker Mann" manchmal nicht verkehrt ist.
Aber es leibt immer noch die Frage, wie "Arminius und seine Anhänger" die Versorgung der Armee geregelt haben usw. Denn eigentlich hatten die ja alle "besseres" zu tun, als sich um römische Legionen zu kümmern und Leute dagegen zu mobilisieren.

Dann immer noch die Versorgungsfrage. Im Prinzip versorgt sich jeder selbst, ist klar.
Aber bei der Dauer der Kriege und den Entfernungen ist die Versorgung vo eigenen Hof schlecht möglich. Also mußten die Krieger wohl Schulden machen oder von "Spenden" leben. Wer garantierte , das die Schulden beglichen wurden, wer sammelte in entfernteren Gegenden die "Spenden"?
 
nun, die Sache mit Italicus ist auch schon ein paar Jahre später. Und die Cherusker baten zwar um einen "König" brauchten aber eher einen "außenstehenden" Schlichter, eben aus der Familie des Arminius. Da blitzt schon sowas wie "Königsheil" auf.
Auch Demokraten und Anarchisten können zu der Ansicht gelangen, das ein "starker Mann" manchmal nicht verkehrt ist.

Falls an der "Bitte" überhaupt irgend etwas dran ist.
Solche "Bitten" und "Hilferufe" kennt man zur Genüge.
Italicus wurde von den Römern eingesetzt, weil es in römischem Interesse lag.
 
Aber es leibt immer noch die Frage, wie "Arminius und seine Anhänger" die Versorgung der Armee geregelt haben

Das scheint wohl kein allzu großes Problem gewesen sein. Die Alemannen verdrängten im 3. Jh. die Römer gänzlich aus SW-Deutschland, was ebenfalls möglich war, ohne dass sie auf ihrem Vormarsch verhungerten.
 
Das mit den Alamannen ist ja auch ne andre Schiene, man ersvchlägt den Vorbesitzer und lebt von dessen Vorräten bzw verkslavt den und hält ihn sehr kurz.

DAS konnten sich die Leute des Arminius aber nicht leisten, da ihnen sonst auf Dauer die Unterstützung durch die Bevölkerung gefehlt hätte und die sich dann doch fürs römische Bürgerrecht entschieden hätten. So kurzfristige Aktionen sind ja auch verständlich und erklärbar, aber der Kampf der Leute unter Arminius ging ja quasi von 9 n.Chr bis 17 n.Chr. gegen Marbod mit angeblich irgendwo 74 000 Mann. Und etliche davon "Heimatfern".
 
Nö, ist er nicht. Ich habe oben erklärt, daß es sich hier um ein mathematisches Problem handelt, das sich durch eine exponentielle mathematische Reihe entlang einer hierarchischen Struktur erklären lässt. Das hat null und nix mit Politik oder Herrschaft zu tun. Der Prozess der Willensbildung erfolgt nach dem Prozess der Kommunikation. Wir misverstehen uns offensichtlich.
Ja, wir missverstehen uns, weil unklare Definitionen verwendet werden. Es geht hier NICHT um ein mathematisches Problem, sondern um die Frage wie in einer wenig strukturierten Gesellschaft Einvernehmen erzielt wird. Das ist eine soziologische Fragestellung, und dafür gelten die einschlägigen Definitionen, wonach der Begriff Hierarchie durch seine ursprünglichen griechischen Bedeutungen "heilig" und "Führung, Herrschaft" geprägt ist.

Klartext: Es ist vollkommen ohne Belang, auf welchen vielleicht mathematisch beschreibbaren Kommunikationswegen die Nachricht vom bevorstehenden Krieg verbreitet wird. Entscheidend ist allein die Frage, wie die Bereitschaft der Empfänger der Nachricht hergestellt wird, an dem Krieg teilzunehmen. Eventuell noch, welche Möglichkeiten die angeblich übergeordnete Hierarchie-Ebene denn haben soll, eine Verweigerung zu sanktionieren.

Die Zeit bis Germanicus war zu kurz um zu irgendwelchen signifikanten vokswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen zu führen. Die Folgen solcher Veränderungen sehen wir im dritten Jahrhundert mit der Bildung der Stammesverbände der Franken und Alemannen. Klar haben die Germanen auf Drusus & Co reagiert. Aber über kurzfristig wirksame Effekte, habe ich nicht gesprochen.
Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Du die Existenz von Großstämmen als gegeben voraussetzt. Sie müssen aber nicht existiert haben. Möglicherweise haben sie sich erst nach der Ankunft der Römer gebildet, und zwar als Reaktion auf deren Ankunft. Weil die Römer ein "neues" Problem darstellten, welches von den (Sub-)Stämmen nicht zu lösen war. Übrigens hatten die germanischen Stämme mit dem "Problem Rom" keineswegs nur kurzfristig zu tun. Als Germanicus seine Legionen durch die Gegend führte, hatten die Germanen schon 30 Jahre Krieg erlebt.

Darum geht es in Stammesgesellschaften: Relativ stabil sind nur die (Sub-)Stämme (die erwähnten 3-5000 Leute). Sie halten zusammen, weil es innere Antriebskräfte gibt. Die Menschen müssen sich als zusammengehörig empfinden, weil sie das gleiche Land bewirtschaften, die gleichen Flüsse nutzen, die gleichen Verkehrswege offenhalten müssen und nicht zuletzt weil sie außerhalb der eigenen Sippe Ehepartner für ihre Kinder finden müssen. Für darüber hinausgehende Zusammenschlüsse (Großstämme) gibt es im Grundsatz keinen Bedarf. Dazu sind äußere Antriebskräfte nötig. Deshalb kann man auch nicht davon ausgehen, dass grundsätzlich Großstämme existierten, die irgendwelche Weisungsbefugnisse gegenüber den Substämmen hatten.

Man sollte schon davon ausgehen, dass es einen Stammesadel gab. Es handelt sich dabei um eine bevorrechtigte Schicht, die über den Freien stand und deren Entstehung sich im Dunkel der Geschichte verliert.

Die Auszeichnung einzelner Sippen als adlige Sippen beruhte wohl auf hervorragenden Eigenschaften und Taten von Sippenmitgliedern, denen man geheimnisvolle Kräfte beimaß.
Richtig ist zweifellos, dass es auch in Stammesgesellschaften Menschen gibt, die wohlhabender sind oder höheres Ansehen genießen als andere. Zweifellos sind es genau diese Menschen, die zu Sprechern, Heerführern etc gewählt werden. Das hat aber nichts mit Adel zu tun. Adel ist ein Phänomen, das nur in hierarchisch strukturierten Gesellschaften auftritt. Stammesgesellschaften sind aber nicht hierarchisch strukturiert, jedenfalls nicht "oberhalb" der Sippe. Ein Adel hat sich in unserer Region vermutlich aus dem Gefolgschaftssystem entwickelt. Voraussetzung dafür war aber, dass die Gefolgsherren auch die Möglichkeit erhielten, Eigentum zu kumulieren. Und das passierte viel später im Laufe der Völkerwanderungszeit.

Wenn es schon in den germanischen Stammesgesellschaften einen (vielleicht sogar bereits erblichen) Adel gegeben hätte, dann müsste es dafür irgendwelche Belege geben. Ich sehe aber keine. In keiner heute noch existierenden oder ausreichend gut beschriebenen vergangenen Stammesgesellschaft gibt es einen Adel. Es hat auch noch kein Archäologe einen germanischen "Fürstensitz" ausgegraben oder ein Grab gefunden, das einem Adeligen zugerechnet werden müsste. Die bis heute gefundenen Siedlungsspuren lassen nicht darauf schließen, dass es in diesen Gesellschaften Menschen von irgendwie herausragender Stellung gab. Nichts was auf soziale Ungleichheit (im Sinne von ungleichen Zugangschancen zu Positionen mit größeren gesellschaftlichen Vorteilen) hindeutet. Sowas ist nur für die keltische Oppidakultur belegt.

Wie @Stilicho geschrieben hat, änderte sich das mit der Anwesenheit der Römer, weil die zur Beherrschung unterworfener Völker eine Art Adel brauchten. Im Zweifel werden die Römer also eine Führungselite in den Stämmen etabliert haben, wofür gerade die Cherusker ein Beleg zu sein scheinen.

MfG
 
Ja, wir missverstehen uns, weil unklare Definitionen verwendet werden. Es geht hier NICHT um ein mathematisches Problem, sondern um die Frage wie in einer wenig strukturierten Gesellschaft Einvernehmen erzielt wird.

Ja wir scheinen wirklich unterschiedliche Definitionen zu Grunde zu legen. Um was es hier geht entscheidet nicht der Fragende, sondern der Antwortende. Zumindest insoweit, als er sich auf die Beantwortung eines Teilkomplexes der Frage beschränkt. Ich habe mich auf die technische Umsetzung der Mobilmachung beschränkt. Für eine weitergehende Diskussion über soziale Strukturen ist mir die Quellenlage einfach zu unzureichend.

Den Begriff des Adels scheinst du auch enger zu fassen als ich. Für mich ist es eine Gruppe der Besitzenden, die Kraft Kapital und Beziehungen üblicherweise Macht ausüben und selbige meist mit diesem Besitz auch vererben. Ob es diese Herrschaften zur Zeitenwende in Germanien schon gab wissen wir nicht, es ist aber eher anzunehmen. Nehmen wir das nicht an, wird es schwierig koordiniertes Handeln der Germanen überhaupt zu erklären.

Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Du die Existenz von Großstämmen als gegeben voraussetzt.

Ich habe noch nie erwägt, daß es germanische Großstämme vor dem 3ten Jahrhundert gegeben haben könnte. Falls du aber etwa die Cherusker als Großstamm bezeichnest, dann hätten wir erneut ein Definitionsproblem. Die Vorstellung, daß Chatten, Chauken und Hermanduren bis zur Ankunft der Römer nicht existiert hätten im Sinne einer Stammesidentität fände ich dann aber doch sehr abwegig. ;)
 
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so ganz kann ich Maelonn nicht folgen, in der hier behandelten Region gibt es ja auch für spätere Zeiten kaum nachgewiesene "Herrensitze", wirklich prächtige Grabstätten werden für die Nachfahren der Weser und Elbgermanen auch nicht gefunden, Unterschiede in den Beigaben sind aber schon zu sehen. als Einführung/Anfang der Recherche Siedlungskammer Rullstorf,Siedlungskammer Rullstorf ? Wikipedia
Bekannt aber ist, das in geschichtlicher Zeit /Frühmittelalter eine gegliederte Adelsschicht existierte.

Auch wenn sich die Lebensweise der Freien und der Edlen nichtfür uns erkennbar unterschieden, scheint es angesehenere und weniger angesehene Familien gegeben zu haben.
 
...scheint es angesehenere und weniger angesehene Familien gegeben zu haben.

Das ist ja auch ganz selbstverständlich, hat aber noch nichts mit Adel zu tun.


Den Begriff des Adels scheinst du auch enger zu fassen als ich. Für mich ist es eine Gruppe der Besitzenden, die Kraft Kapital und Beziehungen üblicherweise Macht ausüben und selbige meist mit diesem Besitz auch vererben. Ob es diese Herrschaften zur Zeitenwende in Germanien schon gab wissen wir nicht, es ist aber eher anzunehmen. Nehmen wir das nicht an, wird es schwierig koordiniertes Handeln der Germanen überhaupt zu erklären.

Auch ich kann hier deiner Adelsdefinition nicht folgen, denke ich, dass der Begriff enger gesehen werden muss. Die Augsburger Fugger waren eben keine Adeligen! Ein Adliger definiert sich nicht in erster Linie über Besitz oder Macht, sondern über Abstammung und Geblüt, sozusagen göttliche Bestimmung, wenn nicht Heiligkeit.
Dafür gibt es bei den Germanen in der Tat keine Belege. Und wozu koordiniertes Handeln einen Adel bedingt, erschließt sich mir nicht.
 
Es bedarf einer begüterten Führungschicht mit größerem Ansehen, wenn du den Begriff des Adels hier nicht anwenden magst. In dem Sinne könnten wir den Begriff des Adels auch im Zusammenhang mit den Römern diskutieren, aber das würde wohl zu weit vom Thema entfernen.

Ich habe den Begriff des Adels weiter gefasst und ihr habt mir widersprochen. Jede weitere Erörterung des Adelsbegriffs halte ich für nicht zielführend.
 
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nun, gehen wir mal von einer Schicht aus, die über Ansehen und Besitz auch eine gewisse Macht ausüben konnten
Sozusagen innerfamiliäre Bildung, Rechtskenntnisse, scharfe Beobachtungsgabe und Gerechtigkeitsgefühl gepaart mit wirtschaftlichem Erfolg
 
Für eine weitergehende Diskussion über soziale Strukturen ist mir die Quellenlage einfach zu unzureichend.
Die Quellenlage ist für uns alle unzureichend. Deshalb habe ich "hilfsweise" mit den Stammesgesellschaften argumentiert, über die wir eine relativ gute Quellenlage haben. Da gilt dann zusammengefasst: Keine dieser Gesellschaften weist einen Adel auf, keine dieser Gesellschaften weist hierarchische Strukturen auf. Das scheint für Stammesgesellschaften eine Grundregel zu sein. Es kann ja sein, dass diese Grundregel für germanische Stammesgesellschaften nicht galt. Ich sehe dafür nur keine Anhaltspunkte.

Den Begriff des Adels scheinst du auch enger zu fassen als ich. Für mich ist es eine Gruppe der Besitzenden, die Kraft Kapital und Beziehungen üblicherweise Macht ausüben und selbige meist mit diesem Besitz auch vererben.
Nein. Ich fasse den Adelsbegriff genauso weit wie Du.

Ob es diese Herrschaften zur Zeitenwende in Germanien schon gab wissen wir nicht, es ist aber eher anzunehmen.
Warum ist das anzunehmen? Was spricht dafür, dass es in den germanischen Stämmen Sippen oder Individuen gab, die ungewöhnlich wertvollen Besitz angesammelt, daraus Macht abgeleitet und Besitz und Macht sogar vererbt hätten? Es gibt zahlreiche siedlungsarchäologische Funde und Befunde. Kein einziger davon stützt die von Dir vorgetragene Annahme.

Nehmen wir das nicht an, wird es schwierig koordiniertes Handeln der Germanen überhaupt zu erklären.
Ich hatte den Faktor "gemeinsames Interesse" als möglichen Grund für "koordiniertes" Handeln angeboten. Der Zeitraum, in dem die germanischen Stämme die Existenz überlebenswichtiger gemeinsamer Interessen erkennen und tätig umsetzen konnten, erstreckte sich vom Beginn der Drusus-Feldzüge bis zum Beginn der Germanicus-Feldzüge. Das sind rund 30 Jahre. Eine ganze Generation. Wenn das nicht reicht....

Ich habe noch nie erwägt, daß es germanische Großstämme vor dem 3ten Jahrhundert gegeben haben könnte. Falls du aber etwa die Cherusker als Großstamm bezeichnest, dann hätten wir erneut ein Definitionsproblem. Die Vorstellung, daß Chatten, Chauken und Hermanduren bis zur Ankunft der Römer nicht existiert hätten im Sinne einer Stammesidentität fände ich dann aber doch sehr abwegig. ;)
Die Quellen bescheinigen den Cheruskern eine militärische Leistungsfähigkeit, die weit über die Möglichkeiten eines (Sub-)Stammes mit maximal 5000 Menschen hinausgeht. Wir müssen es also mit einem Großstamm zu tun haben.

Als Beleg dafür kann ich den Umstand anführen, dass es laut römischen Quellen eine ganze Reihe von zum Teil gegensätzlichen Strömungen im Stamm der Cherusker gab. Arminius, Segestes, Inguiomer... Das war keine homogene Masse, die einem zentralen Kommando gehorcht hätte.

Was Deinen Hinweis auf Chauken, Chatten und Hermunduren betrifft: Ich denke, wir haben es hier mit Selbstbezeichnungen zu tun. Das führt uns wieder zu der zentralen Frage kollektiver Willensbildung: Warum haben Menschen entschieden, sich selbst als Angehörige eines (Groß-)Stamms zu betrachten? Welche Sanktionen hätten ihnen gedroht, wenn sie sich nicht in den Stamm eingegliedert hätten?

Ich weise nochmal darauf hin: In Stammesgesellschaften besteht im Grundsatz kein Bedarf, über den (Sub-)Stamm hinausgehende übergeordnete Organisationsformen zu begründen. Wenn man postuliert, dass es trotzdem solche übergeordneten Organisationsformen gab, dann muss man wenigstens eine Erklärung anbieten können, welchem Zweck sie gedient haben sollen. Die Anwesenheit der kriegerischen Römer wäre eine hinreichende Erklärung. Sonst fällt mir nicht viel ein.

MfG
 
Der folgende Link trifft das Thema nicht genau

http://www.freidok.uni-freiburg.de/...Fuerstengraeber_der_roemischen_Kaiserzeit.pdf

aber Heiko Steuer beschreibt eine versinkende Welt ohne Eliten, in der diese neue Eliten

Heiko Steuer schrieb:
Es sind nur kleine Gräbergruppen, selten wurde mehr als eine
Generation an einem Platz bestattet. Die Rangposition scheint weder auf
Dauer an eine Familie bzw. Dynastie gebunden, noch war sie territorial
festgelegt

nicht ihre herausragende Stellung innerhalb der Familie vererbten. Also meine Auffassung von Adel scheint es weder vor dem Auftauchen dieser neuen Herrscherschicht noch währenddessen in der Germania gegeben zu haben.
 
Die Quellenlage ist für uns alle unzureichend. Deshalb habe ich "hilfsweise" mit den Stammesgesellschaften argumentiert, über die wir eine relativ gute Quellenlage haben. Da gilt dann zusammengefasst: Keine dieser Gesellschaften weist einen Adel auf, keine dieser Gesellschaften weist hierarchische Strukturen auf. Das scheint für Stammesgesellschaften eine Grundregel zu sein. Es kann ja sein, dass diese Grundregel für germanische Stammesgesellschaften nicht galt. Ich sehe dafür nur keine Anhaltspunkte.
und die als rex aus/reges und wohl auch mal optimates aus römischer Perspektive bezeichneten Alemannen"könige", mit denen man sich herumprügelte?
und warum verhandelte man überhaupt mit einem Segestes? nur aus Zufall, weil der der erstbeste Cherusker war??
...sodann die Sprachgeschichte des Begriffs "Adel" bzw. "adlig" bis ins althochdeutsche zurück - dazu das lat. nobilitas
 
Fakt ist jedenfalls, ein vergleichsweise kleines Land hat die Legionen des römischen Reichs mehrfach besiegt.
Von den Germanen am Rhein wissen wir, das die Römer dort zeitweilig militärische Erfolge erzielten (behaupten sie), weiter im Landesinneren wurden sie besiegt.
Teilen und herrschen hat trotz der "Freundschaft" der Chatten nicht so funktioniert.

Die Kämpfe dauerten sehr viel länger, als man es bei "Miliz" gegen Großmacht erwarten durfte.
Nun Afghanistan und andere ....
Da war aber nie wirklich von Seiten der Großmacht ein Drittel bis die Hälfte des militärischen Potential involviert.
Die Römer hatten bis zu 8 frische Legionen im Einsatz, was denn so um den Dreh 50 000 bis hin zu 80 0000 Menschen waren.

Selbst gut motivierte Kämpfer können nicht zaubern, also müssen die Germanen ~50 000 kämpfer aufgeboten haben. Und das nicht nur einmal, sondern wesentlich öfter. Und das über mehrere Jahre. Das geht aber auch bei einer Milizarmee nicht ohne eine Art Verwaltung. sonst hat man plötzlich 50 000 an einer Stelle, an der 5 000 gereicht hätten und an einer anderen nur 10 000 wo man 40 000 gebraucht hätte.

Man braucht also einen Stab, der koordiniert, bei der Zeit Nachschub"einheiten" usw. Ja, und das zivile Leben muß ja auch weitergehen
 
Deshalb habe ich "hilfsweise" mit den Stammesgesellschaften argumentiert, über die wir eine relativ gute Quellenlage haben. Da gilt dann zusammengefasst: Keine dieser Gesellschaften weist einen Adel auf, keine dieser Gesellschaften weist hierarchische Strukturen auf. Das scheint für Stammesgesellschaften eine Grundregel zu sein.

Wie kommst Du denn darauf? MWn gab es auch im Germanien des 1. Jh. Gräber, die durch Anlage und va Beigaben eine beondere Stellung des Bestattenen erkennen lassen. Ist nicht mein Gebiet, evtl irre ich mich. Im keltischen Raum lassen sich solche "Adelsgräber" allerdings schon jahrhunderte vorher feststellen. Spätestens die Gallier des 1. Jh. v. Chr. waren eine stark gegliederte Gesellschaft, die aber immer noch viele Strukturen einer Stammesgesellschaft besaß. Vor Entstehen der oppidae wird das noch deutlicher. Auch in anderen Weltgegenden gibt es zahlreiche Stammesgesellschften, die starke soziale/wirtschaftliche kennen, mit einer Aristokratie an der Spitze. Egalitäre Gesellschaften finden sich mE eher bei Wildbeutern oder steinzeitlichen Agrar-Gesellschaften, und das waren die Germanen ja nun nicht mehr.

Warum ist das anzunehmen? Was spricht dafür, dass es in den germanischen Stämmen Sippen oder Individuen gab, die ungewöhnlich wertvollen Besitz angesammelt, daraus Macht abgeleitet und Besitz und Macht sogar vererbt hätten? Es gibt zahlreiche siedlungsarchäologische Funde und Befunde. Kein einziger davon stützt die von Dir vorgetragene Annahme.

In welchen Siedlungsspuren soll es sich auch niederschlagen? Germanen lebten damals mWn ohnehin in Häusern, die vielen Menschen/großen Familien ein Haim boten. ME ist nicht zu erwarten, dass sich die Stellung der Aristokratie in speziellen Bauten niederschlägt, sondern eher im Besitzrecht an besagten Großhäusern, va aber in Besitz oder Nutzungsrechten an wertvollem Land, im Viehbesitz, im Besitz nicht alltäglicher Gegenstände (Metall, Schmuck, Waffen, Importware). Außer in Gräbern schlägt sich das archäologisch evtl nicht eindeutig nieder, aber gerde Gräber dürften da besonders interessant sein.

Die Quellen bescheinigen den Cheruskern eine militärische Leistungsfähigkeit, die weit über die Möglichkeiten eines (Sub-)Stammes mit maximal 5000 Menschen hinausgeht. Wir müssen es also mit einem Großstamm zu tun haben.

Den Begriff "Großstamm" kenne ich für die spätere Stammesverbände, wie die Franken, Sachsen, Allemannen etc. Ein solcher Großstamm waren die Cherusker sicher nicht.

Vermutlich handelte es sich auch nicht um einen von Dir skizierten "Kleinstamm" mit 3.ooo bis 5.ooo Angehörigen. ME muss man davon ausgéhen, dass es übergeordnete "Institutionen" über diesen Kleinstämmen gab, und viele der in den Quellen erwähnten Stämmen ein Zusammenschluss von mehrern regionalen Kleinstämmen waren. Hierfür könnten bspw religiöse Zentren eine Rolle gespielt haben, oder aber "Hauptlingstümer", die von mehreren Kleinstämmen anerkannt wurden.

Ich würde auch vermuten, dass die kleinere Gliederung die stabilere, und im alltäglichen Leben wichtigere war, aber es lässt sich kaum Handel organisieren (der nachweislich existierte), wenn jeden Tagesmarsch ein neues Gebiet eines evtl verfeindeten Stammes beginnt.

Auch wenn es sehr viel später war, vielleicht kann man sich etwas ähnliches vorstellen, wie die Sachsen es kannten: Eine Teilung des Stammesgebietes in drei Teile (Westfalen, Ostfalen, Engern), jeder für sich mit eigenem Zentrum, aber bezogen auf ein gemeinsames kulturelles Zentrum, auch wenn dies keine feste institutionelle Macht hatte. (Natürlich kann diese Drittelung der Sachsen auch aus einem Zusammenschluss aus drei oder mehr kleineren Stämmen stammen.) Bei keltischen Völkern/Stämmen kaann man ein ähnliches Phänomen betrachten. Um ein für den "Gesamtstamm" wichtiges Zentrum gruppieren sich mehrere Untergruppen (oft vier), die eigene Institutionen haben, aber im Zusammenschluss den automnomen Stammesverband bilden.

Die Frage für den Widerstand 9 bis 16 n. Chr. ist, wie eine solche Stammesgesellschaft mit schwachen zentralen Insitutionen eine militärische Operation gestemmt bekommt, für die zigtauesend Menschen koordiniert und versorgt werden müssen. Wie gesagt würde ich hier von einem Zusammenspiel ausgehen: Die Stimmung wird anti-römisch und pro Widerstand gewesen sein. Anders lassen sich die nötigen Massen nicht mobilisieren (Zwang scheidet einfach), und Gründe für eine solche anti-römische Stimmung gibt es mE genug. Zweitens gab es mE Menschen/Familien, die über genug Vermögen besaßen, um die notwendigen Vorbereitungen, insbesondere die nötigen Nahrungsvorräte, aus ihrem "Privatvermögen" zu finanzieren, bzw als Kristallisationspunkt dafür zu dienen; nach dem Motto "Häuptling Hermann gibt 50 seiner 100 Kühe, dann können auch die 50 Otto-Normal-Bauern je eine von ihren zwei Kühen opfern."

Und nochmal der Hinweis: Eine zentrale Nahrungsmittelversorgung ist ein grandioser Hebel, um Disziplin und Subordniation zu erzwingen, auch von einem undisziplinierten Barbarenhaufen... ;)
 
Vielleicht sollten wir tatsächlich mal auf das Sachsen zur Zeit KdGs gucken.
Immerhin reden wir im Groben über die Vorfahren dieser Leute (zumindest ein Teil )
Was mich wundert, erst eigentlich zu Zeiten Otto I schaffen die es wieder , so große Verbände aufzustellen.
 
und die als rex aus/reges und wohl auch mal optimates aus römischer Perspektive bezeichneten Alemannen"könige", mit denen man sich herumprügelte?
Die Alemannen waren kein Stamm sondern ein Stammesverband. Sie traten erst mehrere hundert Jahre später auf und sie lebten auf eine Weise, die es den ursprünglich mal durch irgend eine Form von Wahl ernannten Anführern erlaubte, Besitz anzuhäufen und davon ausgehend Macht über Besitzlose auszuüben und immer dauerhafter zu festigen. Diese Sozialstruktur stellt einen Zwischenschritt in der Entwicklung von der Stammesgesellschaft zur Feudalgesellschaft dar (eine Entwicklung übrigens, die keineswegs zwingend erfolgt). Erst in dieser Zeit hat sich ein Erbadel langsam entwickelt.

und warum verhandelte man überhaupt mit einem Segestes? nur aus Zufall, weil der der erstbeste Cherusker war??
Möglicherweise verhandelte man mit ihm, weil er ein gewählter "Häuptling" eines der Sub-Stämme der Cherusker war. Möglicherweise verhandelte man auch mit ihm, weil die Römer selbst ihn zum Chef des unterworfenen Stamms gemacht hatten. Da gibt es ja in den römischen Quellen Hinweise, dass führende Leute der Cherusker vertrieben und mit Hilfe römischer Truppen wieder an die Macht gebracht wurden. Jedenfalls war Segestes aus Sicht der "einfachen Leute" nicht alternativlos in seiner Rolle als Anführer. Seine "Macht" war brüchig. Die Menschen hatten die Wahl, ob sie sich Segestes oder Arminius anschließen wollten.

MfG
 
Da gibt es ja in den römischen Quellen Hinweise, dass führende Leute der Cherusker vertrieben und mit Hilfe römischer Truppen wieder an die Macht gebracht wurden.
daraus wäre ja zu schließen, dass die Cherusker zur fraglichen Zeit "optimates", also eine Art Adel, hatten; und dafür, dass Sippe/Familie einen hohen Wert hatte, sprechen die (wenigen überlieferten) Namensalliterationen. Mir scheinen die Cherusker da nicht weit von den späteren Alemannen entfernt zu sein, was solche Strukturen betrifft.
 
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