Bauern können nicht einfach frei machen. Tiere müssen gefüttert, Kühe müssen gemolken werden, ...
Ja, aber an Sonntagen und Feiertagen wir nur das Allernötigste getan, alles andere muss warten.
Wir hatten vor Jahren eine Putzfrau aus Polen, eine Informatikstudentin an der TU München, Einser Abiturientin, stammte aber von einem Bauernhof in der Nähe von Krakau. Einmal haben wir ihr vorgeschlagen, ausnahmsweise an einem Sonntag statt Samstag zu kommen, aber sie lehnte ab, weil: Sonntags darf sie nicht arbeiten. Sie ging auch jeden Sonntag in die Kirche Münchens (am Josephsplatz), in die viele Polen gehen. Will sagen: Sie war tiefgläubig wie die ganze Familie.
Aber sie war auch abergläubisch: Einmal, ich habe gerade ein Brot gebacken, habe ihr gesagt, das Brot, das noch heiß war, ruhig woanders zu stellen, wenn es sie stören sollte. Was soll ich sagen – sie hat es nicht getan. Weil sie ihre Tage hatte, durfte sie das Brot nicht berühren. Das gab sie ein Jahr später zu. Das heißt, erst nachdem sie von Kommilitoninnen davon überzeugt wurde, dass das ein Aberglaube sei.
Auch sonst hat sie sich im Laufe der Zeit verändert. Nicht nur äußerlich, auch innerlich. Endlich hat sie sich gegen ihre Mutter gestellt, die sie immer nur ausnutzte – weil sie Vaters Liebling war und tüchtig wie er. Anfangs weinte sie nach jedem Telefonat mit der Mutter, und als sie uns erklärte warum, sagte sie z.B., Mutter will mehr Geld, weil man ihr ohne Grund die Witwenrente gekürzt hätte. Darauf wir: Das gibt es nicht, sag der Mutter, dass du nächste Woche nach Polen fahren und auf dem Amt das klären wirst. Plötzlich war das nicht mehr notwendig – es hätte sich erledigt, sagte die Mutter. Aber das war nur ein Beispiel von vielen.
Hier wurde wieder sichtbar: Stadtluft macht frei.