Wie weit in den Alltagleben reichte die Macht der Kirche(n)?

Sehr schöne Beispiele für die Macht der Kirchen sind auch die vielen Dome, Kathedralen und Kapellen, die in den vergangenen 1000 Jahren in Deutschland entstanden sind. Hätte die Kirche weniger Macht gehabt, hätten die Burgen wehrhafter und die Schlösser prächtiger ausgebaut werden können.
Das ist ein interessanter Punkt. Die Kathedrale von Málaga heißt im Volksmund La Manca, 'die Einarmige'. Sie ist mit zwei Türmen konszipiert, steht aber seit 400 Jahren mit nur einem Turm in der Gegend herum. Außerdem hat sie zwar ihr Gewölbe, aber über dem Gewölbe ist wiederum kein Dach, was mittlerweile zu Problem führt. Andalusien ist zwar trocken, aber 400 Jahre Regen (und Nähe zum Meer) schädigen Muschelkalk eben doch. Warum ist die Kathedrale von Málaga icht fertiggestellt worden? Weil der Bischof von Málaga den Bau zugunsten des Ausbaus der Straße nach Antequera in Zentralandalusien zurückstellte.
 
Sehr schöne Beispiele für die Macht der Kirchen sind auch die vielen Dome, Kathedralen und Kapellen, die in den vergangenen 1000 Jahren in Deutschland entstanden sind. Hätte die Kirche weniger Macht gehabt, hätten die Burgen wehrhafter und die Schlösser prächtiger ausgebaut werden können.

Hat aber agrumentativ durchaus auch das Problem, dass gerade in den freien Städten Kirch- und Kathedralbauten mitunter auch als Statussymbole von der Bürgerschaft unterstützt wurden, was aufwändige Vergrößerungen oder Ausbauten betrifft und das oft nicht rein auf den Machtanspruch der Kirche zurückgeht.

In Italien ist unter anderem aus diesem kommunalen Überbietungswettbewerb in Sachen Kirchenbauten der Begriff "Campanilismo" entstanden.
"Il campanile" ist im Italienischen der Kirch- bzw. Glockenturm.
 
Hat aber agrumentativ durchaus auch das Problem, dass gerade in den freien Städten Kirch- und Kathedralbauten mitunter auch als Statussymbole von der Bürgerschaft unterstützt wurden, was aufwändige Vergrößerungen oder Ausbauten betrifft und das oft nicht rein auf den Machtanspruch der Kirche zurückgeht.

In Italien ist unter anderem aus diesem kommunalen Überbietungswettbewerb in Sachen Kirchenbauten der Begriff "Campanilismo" entstanden.
"Il campanile" ist im Italienischen der Kirch- bzw. Glockenturm.

Das gibt es auch in Dtld.: In Münster hat man den Turm der Lamberti-Kirche - der Bürgerkirche - höher gebaut als die Türme des Domes.
 
Das gibt es auch in Dtld.: In Münster hat man den Turm der Lamberti-Kirche - der Bürgerkirche - höher gebaut als die Türme des Domes.

Oder die Bürgerkirche St. Marien zu Lübeck, die sowohl an Gewölbehöhe als auch an Turmhöhe den Dom überragt.

Das Ulmer Münster (hier gibt es im weiten Umkreis keine Bischofskirche, mit der man sich hätte messen können) ist ebenfalls ein Monument selbstbewussten Bürgertums.
 
und das betrifft das hineinwirken in den Alltag????
Ja. Oder meinst du, dass die Frage, wer das Reich regieren soll, was zuweilen durch Kriege* entschieden wurde, den Alltag nicht beeinflusste?

* Kriege, die es ev. nicht gegeben hätte, wenn sich z.B. der Papst nicht in weltliche Dinge eingemischt und seinen König- und/oder Kaiserkandidaten durchzudrucken versucht hätte.

PS: Deine vier Fragezeichen werte ich als Zeichen deiner Unsicherheit, deswegen bekommst du hier nur eine milde Zurückweisung. :D
 
Also besteht in diesem Kontext die verdammungswürdige Macht der Kirche ins Alltagsleben darin, dass sie sich in die hohe Politik einmischt - verstehe ich dich da richtig? Und wenn das zutrifft, ist dann die Macht ins Alltagsleben hinein der politisch Mächtigen nicht mindestens ebenso groß?
 
Ja. Oder meinst du, dass die Frage, wer das Reich regieren soll, was zuweilen durch Kriege* entschieden wurde, den Alltag nicht beeinflusste?

Nun, ich würde dagegenhalten und sagen, da Königswahlen in der Regel im Abstand von mehreren Jahren zueinander stattfanden, also kein alltägliches Phänomen waren, beeinträchtigte die Rolle der Kirche dabei auch nicht regelmäßig den Alltag der Bevölkerung.

Zumal in diesem Faden geht es ja nicht speziell um die Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches sondern um den Einfluss der Kirche(n) auf das Alltagsleben überhaupt.
Den Bewohnern von Frankreich, Polen, Kastillien oder Dänemark wird es tendenziell allerdings egal gewesen sein, welche Politik der Papst im Hinblick auf die römisch-deutsche Königswahl betrieb, denn das betraf sie nicht.
 
Also besteht in diesem Kontext die verdammungswürdige Macht der Kirche ins Alltagsleben darin, dass sie sich in die hohe Politik einmischt - verstehe ich dich da richtig? Und wenn das zutrifft, ist dann die Macht ins Alltagsleben hinein der politisch Mächtigen nicht mindestens ebenso groß?
Du weißt so gut wie ich, dass sich die Kirche nicht nur in die hohe Politik einmischte, sondern auch in allen Bereichen des Lebens mitmischte. Sie war im Mittelalter und bis in die Neuzeit bestimmend in Sachen der Moral, obwohl sie selbst unmoralisch war wie kaum ein anderer (weltlicher) Herrscher. Erst die Folgen der Aufklärung machten dem Spuck ein Ende, obwohl es auch danach noch Kirchenfürsten gab, die nach wie vor behaupteten, die Kirche sei "die höchste sittliche Macht auf Erden" – so Kardinal Faulhaber in einer Predigt im Jahre 1937.

Die weltlichen Herrscher sind für die weltlichen Dinge zuständig, die Kirche für die seelischen. Aber wie wir alle wissen, hielt sie sich nicht daran. Das war ja bei uns in Europa das Drama, das aber in der Dritten Welt leider noch gespielt wird.
 
Die weltlichen Herrscher sind für die weltlichen Dinge zuständig, die Kirche für die seelischen. Aber wie wir alle wissen, hielt sie sich nicht daran.

Nein.
Du bist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass diese Trennung in dieser Form eine von dir beanspruchte künstliche Trennung ist, die aber mit der Realität nichts zu tun hat, weil die kirchlichen Würdenträger eben auch weltliche Territorialherren waren.

Und das hatten sie sich nicht durch irgndeine usurpation angeeignet sondern in ihre weltlichen Ämter wurden sie (auch nach dem Investiturstreit) nach wir vor vom König/Kaiser eingesetzt (oder eben in Rom zum Papst gewählt).

Als weltliche Herren ihrer jeweiligen Stifte, Hochstifte und Erzstifte, waren die Bischöfe und Prälaten des Reiches vom Kaiser/König selbst belehnter weltlicher Adel und partizipierten in diesem Sinne, wenn sie an der Königswahl telnahmen an den gleichen Rechten wie der restliche Adel des Regnum Teutonicum.

Das war keine Einmischung in Angelegeheiten, die sie nichts anging.

Von päpstlicher Seite her wurde der approbationsanspruch, im Bezug auf die römisch-deutschen Könige in der staufischen Zeit damit begründet, dass die Königswahl mehr oder weniger die Vorstufe zur Kaisererhebung sei und der Papst, da ihm die Kaisererhebung und Krönung obliege einen Anspruch darauf habe sein Votum abzugeben, ob sich die der Kandidat denn zum Kaiser eignete.
Diesen Anspruch kann man für überzogen halten, man wird aber schwerlich behaupten können, dass Könige, die sich mit dem Wunsch trugen Kaiser zu werden den Papst nichts anging und mit Hinblick auf die Reibungsflächen zwischen Reich und Kirchenstaat, betraf die Königswahl im Regnum Teutonicum mitunter durchaus offene Fragen zwischen Reich und Kirchenstaat, weswegen auch hier ein Einschalten durchaus keine völlig unbegründete Einmischung in vollkommen fremde Angelegenheiten darstellte.
 
Na, wenn du nichts anderes zu sagen hast* - ich werde es überleben. :D

* Diese Vermutung ist begründet, denn ich habe schon öfters beobachtet, dass du auf Schreib- und Grammatikfehler reagierst, wenn du inhaltlich nichts mehr zu bieten hast.
 
...wo kein ernst zu nehmender Inhalt festzustellen ist, da bleiben mir doch nur noch solche Petitessen ;):D

schau, so was:
Du weißt so gut wie ich, dass sich die Kirche nicht nur in die hohe Politik einmischte, sondern auch in allen Bereichen des Lebens mitmischte.
vielleicht gelänge es dir, darauf zu reagieren - ich schaffe das nicht...
 
Oder die Bürgerkirche St. Marien zu Lübeck, die sowohl an Gewölbehöhe als auch an Turmhöhe den Dom überragt.

Das Ulmer Münster (hier gibt es im weiten Umkreis keine Bischofskirche, mit der man sich hätte messen können) ist ebenfalls ein Monument selbstbewussten Bürgertums.

Das stimmt. Gerade beim Bau vieler Münster oder Stadtkirchen kann man vielleicht eher von der Bedeutung des christlichen Glaubens für das Alltagsleben vieler Menschen sprechen. Das ist ja nicht ganz dasselbe wie die Macht "der Kirche" als Institution - zumal sie ohnehin niemals so einheitlich-hierarchisch strukturiert war, wie man es sich vielleicht manchmal vorstellt.
 
* Kriege, die es ev. nicht gegeben hätte, wenn sich z.B. der Papst nicht in weltliche Dinge eingemischt und seinen König- und/oder Kaiserkandidaten durchzudrucken versucht hätte.
Auch das ist wieder einmal stark vereinfacht. Gewählt wurde der römisch-deutsche König schon noch von deutschen Fürsten, und das nicht einfach auf Zuruf des Papstes. Selbst in den Fällen, in denen ein Gegenkönig wie Rudolf von Rheinfelden gekürt wurde, hatten die ihn unterstützenden Fürsten durchaus eigene Interessen und handelten nicht bloß so, weil es der Papst befahl. Man könnte auch umgekehrt sagen: Sie nutzten den Konflikt zwischen Kaiser und Papst als willkommenen Vorwand, um vom Kaiser abfallen zu können, ohne sich allzu eindeutig des Verrats und Treuebruchs schuldig zu machen. Um beim Beispiel Rudolfs zu bleiben: Er wurde zum Gegenkönig gewählt, kurz nachdem sich Kaiser und Papst formal versöhnt hatten. Seine Unterstützer handelten also keineswegs nur auf Zuruf des Papstes, um dessen Willen zu erfüllen.
Fürsten brauchten umgekehrt nicht zwingend den Papst, wenn sie von ihrem Monarchen abfallen wollten. Notfalls zogen sie das alleine durch.
 
Auch das ist wieder einmal stark vereinfacht. Gewählt wurde der römisch-deutsche König schon noch von deutschen Fürsten, und das nicht einfach auf Zuruf des Papstes. Selbst in den Fällen, in denen ein Gegenkönig wie Rudolf von Rheinfelden gekürt wurde, hatten die ihn unterstützenden Fürsten durchaus eigene Interessen und handelten nicht bloß so, weil es der Papst befahl. Man könnte auch umgekehrt sagen: Sie nutzten den Konflikt zwischen Kaiser und Papst als willkommenen Vorwand, um vom Kaiser abfallen zu können, ohne sich allzu eindeutig des Verrats und Treuebruchs schuldig zu machen. Um beim Beispiel Rudolfs zu bleiben: Er wurde zum Gegenkönig gewählt, kurz nachdem sich Kaiser und Papst formal versöhnt hatten. Seine Unterstützer handelten also keineswegs nur auf Zuruf des Papstes, um dessen Willen zu erfüllen.
Fürsten brauchten umgekehrt nicht zwingend den Papst, wenn sie von ihrem Monarchen abfallen wollten. Notfalls zogen sie das alleine durch.
Das lässt sich sogar weiterziehen: Es gab schliesslich auch Gegenpäpste, und darunter sogar solche, die vom Kaiser eingesetzt wurden.
 
Wie weit in den Alltagleben reichte die Macht der Kirche(n)?

Als Kind (57er) musste ich Sonntags in die Kirche gehen mit meinen zwei Schwestern. (Kleinstadt protestantisches Nordbayern. Es war grässlich.)
Die Oma tief religiös, die Mutter Kirchenmitglied, doch unverrückbare Atheistin, was ich erst später feststellte. Der Vater religiös, doch nur schwach.
Es ging nicht anders, die Norm hieß „Kindergottesdienst“ und auch Konfirmation.

Das war wohl einer der letzten Ausläufer der Kirchenmacht.
Niemals wäre es uns Kindern später eingefallen unser eigenes Kind zum Kirchgang zu pressen.

Aber vorher war das schon deutlich anders. Das Ritual war schlicht verbindlich.
Und nicht nur das, sondern die Vorstellungswelt vorheriger Zeiten war an die Kirche gebunden.
Das Sterben ohne Beichte während der Pest im 14. Jahrhundert war ein größeres Unglück als der Tod selbst. (Tuchman – A Distant Mirror)
Der Himmel so real wie die Hölle, deren ewig währende Grausamkeit sich in fantasievollen Gemälden in den Kirchen fanden. Sozusagen im Pattere des Blickfelds, während der sich erhebende Blick hinauf zu den Heiligen der ewigen Glückseligkeit wendet.

Zu Zeiten Maria Theresias (MT – Stollberg-Rilinger, Grüße an @Neddy) spritzte man bei einer absehbar gefährlichen Geburt, vorsorglich Weihwasser in den Geburtskanal. Denn ein ungetauftes Kind würde, so es verstürbe, in einer Zwischenwelt, weder Hölle noch Paradies, gefangen bleiben.
Und beim unerwarteten und schnellen Tod ihres geliebten Gatten werden eiligst Maßnahmen ergriffen um wenigstens so etwas wie eine spirituelle Wappnung für den gefährlichen Übergang ins Jenseits zu bewerkstelligen.

.. ist mir nur so eingefallen im losen Rahmen des unstrukturierten Themas.
 
Mit Verlaub, @hatl, ist das, was Du beschreibst, wirklich ein Beispiel für "Kirchenmacht", oder nicht eher für die soziale Dynamik innerhalb einer Gemeinde (böse Zungen würden sagen: Gruppenzwang)?

Was genau trieb denn Deine nicht eben pietistischen Eltern in die Kirche?

Welche Macht hatte die Kirche über sie?

War es nicht vielleicht eher die Sorge, dass die Nachbarn tratschen würden, oder Furcht vor einer Schelte durch die tiefreligiöse Schwiegermutter? War es vielleicht stumpfes Festhalten an Traditionen?

Man könnte diesen Einwand sogar auf frühere Jahrhunderte beziehen – und um die Frage erweitern, ob man nicht zwischen der Macht der Religion und der Macht der Kirche als Institution unterscheiden sollte.

Huizinga zitiert als Beispiel für die gesellschaftlichen Entwicklungen im Spätmittelalter einen Hirtenbrief des Bischofs von Besanz (heute Besancon), ich glaube, es war Louis de Montfaucon, der die Weltpfarrer seiner Diözese auffordert, das Volk zu ermahnen, doch wenigstens einmal im Monat die Messe zu hören.

Die Bauern schwänzten den Kirchgang nämlich ganz gerne mal, weil sie mit der Landarbeit genug zu tun hatten. Was nicht hieß, dass sie nicht religiös gewesen wären, aber sie betrieben eher eine Art Volksglauben. Oft genug stand die Kirche diesem Volksglauben recht machtlos gegenüber.
 
Hatl, ich würde das auch ein wenig relativieren wollen, zumal du hier ja immerhin einen Zeitraum von 600 Jahren aufgreifst.

In spätmittelalterlichen Texten wird der "unbußfertige" Tod tatsächlich häufig als besonders schlimm dargestellt, eben weil man nicht mehr mit Gott ins Reine kommen konnte. Ob das gerade zur Zeit einer schweren Seuche wirklich von allen Menschen so gesehen wurde, sei einmal dahingestellt. Die Reaktionen auf eine so unmittelbare Bedrohung ist individuell oft ziemlich verschieden und natürlich nicht immer sehr rational - das war sie ja auch während der Corona-Pandemie nicht immer.

Über den Limbus wurde ja bereits ausgiebig diskutiert, hier soll der Hinweis genügen, dass individuelle Sorge um das "Heil" sterbender Kinder natürlich mit dem Weltbild einer Gesellschaft zu tun hat, aber nicht direkt kirchliche Macht demonstriert. Auch ein Plüschtier auf einem Kindergrab im Jahr 2024 ist von anrührender Hilflosigkeit, und ich würde mich hüten, das zu werten.

Bei Deiner individuellen Erfahrung bin ich eher vorsichtig, Dir zu widersprechen. Spontan dachte ich ähnlich wie Muck, dass hier eine lokale gesellschaftliche Erwartung eher im Vordergrund gestanden haben wird (in den 60er-Jahren war die Bundesrepublik zweifellos nicht mehr nur von Christen bewohnt, erst recht nicht von praktizierenden Christen), aber natürlich repräsentierte der Pfarrer vor Ort schon auch so etwas wie die "Macht der Kirche". Falls er den gesellschaftlichen Druck verstärkte oder für seine Zwecke nutzte (das kann ich nicht beurteilen), wäre das vermutlich schon ein Beispiel für den von Dir empfundenen religiösen Zwang "von oben".
 
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