Eine große Schere zwischen Arm und Reich muss nicht umbedingt was schlechtes sein....
Wenn man sowas schreibt, dann stellt sich die Frage, ob Du ein politischer Brandstifter bist oder überhaupt keine Ahnung von historischen Entwicklungen oder politischer Ökonomie hast.
Die Aussage ist schlichtweg zynisch gemessen an der Entwicklung des Kapitalismus in den letzten zweihundert Jahren. Wir haben unmenschliche Zustande gesehen während der Periode des "Manchester Kapitalismus", übelste Formen der koloniale / imperialen Ausbeutung in Indien oder im Kongo oder kapitalistische Kriegsgewinnler, die auf dem millionenfachen Tod ihrer Landleute horrende Gewinne eingestrichen haben. Eine Hoch auf den "freien Kapitalismus"!
Die einzige nennenswerte Bewegung, die sich der Ausbeutung der Menschen durch die Logik der Profitmaximierung eines ungezügelten Kapitalismus entgegen gestellt haben, waren meistens und in der Regel sozialistische Arbeiter - Bewegungen bzw. sozialistische bzw marxistische Befreiungsbewegungen (jede Menge Ausnahmen und Gegenbeispiele wie "Befreinungs-Theologie" etc., ich weiss ich simplifiziere, allerdings wird es dadurch nicht falsch, was ich schreibe)
Und die historische und politische Antwort auf die hemmungslose Ausbeutung von menschlicher Arbeit war die Errichtung von Systemen des "Wohlfahrts- bzw. Sozialstaats" durch - meistens - sozialistische bzw. sozialdemokratische Parteien in Kooperation mit den Gewerkschaften (vgl. z.B. Esping-Anderson). Teilweise auch - als Reaktion auf eine bestimmte historische Erfahrungen (wie die NS-Diktatur mit einer kapitalistischen Kriegsplanwirtschaft) - in Kooperation mit konservativen Parteien. Und das Ergebnis war das Modell der "Sozialen Marktwirtschaft". (vgl. z.B. Erhard & Müller-Armack)
Die Einsicht in die Errichtung eines Sozialstaats entsprang der politischen Notwendigkeit, die "soziale Frage" zu lösen und somit den sozialen und politischen Widerspruch innerhalb von Klassengesellschaften einzuebnen (vgl. Giddens). Aus diesem Grund sprach man zu den "Hochzeiten" der Sozialstaatsidee von der "Great Society", die L.B. Johnson während der sechziger Jahre als Kampf gegen die Armut ausgerufen hatte. Oder von einer "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" für Deutschland.
Das ist allerdings - im wahrsten Sinne des Wortes - Geschichte. Und seit den achtziger Jahren kann man - ausgelöst durch den neo-liberalen Paradigmenwechsel (Reagan und Thatcher) in der Wirtschafts- und Sozialpolitik - erkennen, dass sich die Ausdifferenzierung der Gesellschaft wieder beschleunigt (z.B. Kaelble, S. 171ff). Und u.a. die Deregulierung der Märkte, vor allem im Rahmen der zunehmenden Bedeutung des "Finanz-Kapitalismus", parallel verlaufen zum Abbau der sozialen Sicherungssysteme.
Vor diesem Hintergrund wird sich die soziale Frage - so oder so - wieder erneut stellen. Und die Antworten werden an die Frage erinnern, was man aus der Geschichte lernen kann. Entweder wird es eine "faschistische Modernisierung" - zur Abmilderung der zunehmenden Widersprüche geben, als nationalistisches völkisches Revival, oder als Wiederaufleben sozialistischer Ideen, die entweder den erneut Sozialstaat stärken oder autoritäre Varianten ermöglichen.
Geschichte kann sich durchaus wiederholen.
Erhard, Ludwig.; Müller-Armack, Alfred (1972): Soziale Marktwirtschaft Ordnung der Zukunft. Manifest '72. Frankfurt a.M, Berlin, Wien: Ullstein.
Esping-Andersen, Gøsta (1990): The three worlds of welfare capitalism. Cambridge: Polity Press.
Giddens, Anthony (1984): Die Klassenstruktur fortgeschrittener Gesellschaften. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Kaelble, Hartmut (2017): Mehr Reichtum, mehr Armut. Soziale Ungleichheit in Europa vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Frankfurt: Campus.