Winterkrieg im Sommer?

swie

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Hallo zusammen :winke:

Ich habe mich heute einmal gefragt, ob der finnisch-sowjetische Krieg 1939/40 nicht anders verlaufen wäre, hätten die Sowjets in den Sommermonaten angegriffen. Natürlich wäre das Aufmarschgebiet kleiner geworden, weil der Ladogasee und der Onegasee nicht gefrohren gewesen wären, aber denselben Nachteil hätten auch die Finnen gehabt, weil ja die vielen Seen der finnischen Seenplatte nicht gefrohren wären.

Ich muss zugeben, ich habe mich nicht intensiv mit dem Winterkrieg auseinandergesetzt, doch habe ich bereits einige Berichte und Artikel darüber gelesen. So viel ich weiß haben die finnischen Ski-Truppen mit ihrer perfekten Tarnung den Sowjets schwer zu schaffen gemacht. Es war doch sicher schon vor Kriegsausbruch bekannt, dass die finnische Armee in Kriegszeiten auf Ski-Truppen zurückgreifen würde oder könnte. Wäre es da nicht klüger gewesen in den Sommermonaten anzugreifen, um dieses "Risiko" (Ich schreibe dies in Anführungsstrichen weil die Rote Armee die Kampfkraft der Finnen anscheinend vollkommen unterschätzte) von vorneherein zu umgehen?

Kurz gesagt stelle ich mir folgende zwei Fragen:
1. Wäre der Feldzug erfolgreicher für die Rote Armee verlaufen hätte der Krieg in Sommermonaten stattgefunden?
2. Wusste die sowjetische Armeeführung von den finnischen Ski-Truppen und ihrer Effektivität?

Ich hoffe auf viele Antworten und eine lehrreiche Diskussion :D

Gruß
swie
 
Ob im Sommer oder im Winter, es war der Krieg eines kleinen Landes gegen eine militärische Großmacht.

Mannerheim kannte die Schwäche der finnischen Armee und hatte empfohlen, den Forderungen der sowjetischen Führung nachzukommen.

Dass der Krieg auf diese Art verlief war für die Beteiligten eine Überraschung.

Es ist jedoch weniger die Stärke der finnischen Armee und die aufopferungsvolle Bereitschaft zu kämpfen, sondern die schlampige, die inkompetente und die überhebliche Vorbereitung der Planungen auf der Seite der Roten Armee.

Die Jahreszeit ist insofern von starker Bedeutung als das entscheidende Vorrücken der Roten Armee, der die finnische Front zum Einsturz brachte, über das Eis erfolgte.

Im Sommer wäre die Position der Finnen vermutlich noch stärker in der Defensive gewesen, da der "Angriffsstreifen", da Seen nicht gefroren waren, noch kleiner war.

Zu empfehlen sind vor allem zwei Darstellungen:

aktuelle kompetenteste Darstellung des Themas
The Soviet Invasion of Finland, 1939-40 Cass Series on Soviet Military Experience, 3: Amazon.de: Carl Van Dyke: Englische Bücher

historische Aufarbeitung durch Stalin und Generalstab, in dem die Schwächen analysiert werden
Stalin and the Soviet-Finnish War, 1939-1940 European Sports History Review: Amazon.de: E. N. Kulkov, E. N. Kul'kov: Englische Bücher
 
Dankeschön für deine beiden Buchtipps.

Also hätten sowjetische Offensiven im Sommer noch weniger Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Seen wären unpassierbar gewesen, dadurch erhöht sich die finnische Mannzahl pro Frontkilometer. Klingt logisch.

Doch eine Frage stellt sich mir noch: Laut Janusz Piekalkiewicz "Luftkrieg 1939-1945" schossen finnische Flieger 240 sowjetische Flugzeuge in der Luft ab, weitere 444 wurden durch Flakbeschuss oder am Boden zerstört. Die Finnen hingegen verloren im Luftkampf nur 42 Jäger und weitere 25 am Boden oder durch Flakbeschuss.
Die Russen verfügten im Winterkrieg allerdings über weit mehr Flugzeuge, und die sowjetische I-16 war den finnischen Fokker-D-XXI-Jägern in den Flugleistungen ebenbürtig. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die 684 zerstörten sowjetischen Flugzeuge größtenteils Bomber waren. Weshalb schafften es die zahlenmäßig weit überlegenen Sowjets also nicht die Luftherrschaft zu erringen?
 
@swie
Deine Schlussfolgerung halte ich für falsch.
Die finnische Operationstaktik basierte auf das umgehen und einschließen der sow. Verbände.
Im Sommer, wenn Flüsse und Seen nicht zugefroren sind, hätte Finnland kaum den Raum gehabt um diese Taktik umzusetzen.
Die Folge wäre ein frontales Abringen gewesen und das hätte sich Finnland nicht leisten können.
 
@mhorgran: Aber ich dachte der finnische Erfolg sei auf die hervorragende Ausbildung der Finnen als Einzelkämpfer zurückzuführen. Sie nutzten die Tarnung perfekt aus und verursachten eine moralische Unsicherheit bei den Sowjets. Finnische Scharfschützen erschossen Politkommissare und Offiziere. Erst durch den Einsatz schwerer Panzer KW 1 mit 15,2cm Geschützen konnte ein Durchbruch durch die befestigte Mannerheimlinie gelingen.
Agierten die Finnen nicht eigentlich in kleinen Verbänden, Kompanien, Zügen oder Jagdkommandos? Mit solch kleinen Truppenkontingenten war allerdings die Einkesselung sowjetischer Divisionen doch nicht möglich.
 
Die finnische Operationstaktik basierte auf das umgehen und einschließen der sow. Verbände.
Im Sommer, wenn Flüsse und Seen nicht zugefroren sind, hätte Finnland kaum den Raum gehabt um diese Taktik umzusetzen.
Die Folge wäre ein frontales Abringen gewesen und das hätte sich Finnland nicht leisten können.

Unter taktischen Gesichtspunkten ist das eine völlig korrekte Beschreibung der damaligen Situation. Und ich korrigiere meine Einschätzung. Der Winter war vermutlich für die Finnen zum Kriegsführen besser geeignet wie der Sommer, da sie über Mobilität verfügten im Vergleich zur Roten Armee, die über Feuerkraft verfügten. Der Winter begünstigte die Mobilität.

Es ist noch anzumerken, dass der Winter 39/40 einer der härtesten seit langer Zeit war. "General Winter" war auf der Seite der Finnen, da sie die Bedingungen kannten. Das erklärt nicht unerheblich die hohe Einsatzbereitschaft der finnischen Streitkräfte und die Unterlegenheit der russichen, trotz einer snumerischen Überlegenheit.

Die Finnen verfügten über entsprechende Winterausrüstung, über Nachschub an warmen Essen, über warme Quartiere, mit dem Luxus, dass Soldaten herausrotiert wurden aus der Front und dicht hinter der Front "ihre" Sauna nehmen konnten.

Insgesamt kannten die Finnen die Bedingungen im Winter in den finnischen Wäldern. Bis zur ersten Gefechtsberührung hatte die Rote Armee bereits durch Frost Ausfälle im Bereich von 20 Prozent zu verzeichnen.

Für die Finnen war die Verwundung im Winter kein zusätzliches Risiko, da sie sofort in warme Unterkünfte verbracht wurden. Für "Iwan" war es das sichere Todesurteil!

Das führte dazu, dass die Truppen der RKKA weitgehend darauf verzichteten abseits der Wege zu operieren und somit die Straßensperren der Finnen absolut effektiv z.B. die Russen (163 und 44 Div.) im Norden einschlossen.

Dennoch sollte man vorsichtig sein, die Situation nachträglich zu glorifizieren. Gerade in diesem Bereich hatte die finnische Führung bei der Aufklärung grob geschlampt. Die angelegten russichen "Geheimstraßen" hatte sie nicht erkannt und war völlig überrascht worden durch das Vorrücken eines russischen verstärkten Korps. Fast wäre es den Russen gelungen, Finnland in zwei Teile zu zerlegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Finnen waren im Kampf in Schnee und Eis geschickter und besser ausgerüstet. Die Niederlage wurde jedoch unausweichlich, als der Ladogasee und der finnische Meerbusen so weit eingefroren waren, dass die Sowjets in breiter Front über das Eis angreifen konnten, inklusive Panzereinheiten. Das war im März.
 
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