@excideuil: Würdest du die Sansculotten auch unter "Bürgertum" subsummieren? Es waren ja - je nach MEinung des befassten Wissenschaftlers - neben (sozusagen) "Proletariern" auch v.a. kleine Geschäftsleute und Gesellen, die in Paris die Sektionen beherrschten. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Schicht eine Vorstellung der künftigen Wirtschaft hatte, die sich deutlich von den liberal-kapitalistischen Ideen des (Groß)Bürgertums unterschied.
Deine Vorstellung trügt dich nicht.
Man könnte, wie du richtig sagst, aus der Tatsache heraus, dass sich unter den Sansculotten viele kleine Handwerker, kleine Geschäftsleute etc. befanden, sie zum Bürgertum zählen. Macht aber keinen Sinn, denn insgesamt handelt es sich um "Angehörige handwerklicher Kleinbetriebe aller Art, mit engem Kontakt zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen, die zum Teil miteinander im selben Haus wohnten." [1] Diese gemischte Bevölkerung von Paris wird auf 5/6tel der Einwohnerschaft geschätzt also etwa 500000 Personen. Und gerade dieser Personenkreis war von der Wirtschaftskrise in 1789 und der Verschärfung durch die folgenden Emigrationen besonders betroffen.
"Äußerliches Kennzeichen des Sansculotten ist seine Kleidung; durch die hebt er sich von den sozial Höhergestellten ab. Wer lange Hose trägt, rechnet zum Volk. Die Kniehose, "culette", ist die Tracht der Aristokratie und verallgemeinert, der oberen Schichten des alten dritten Standes." [2]
Dieses äußerliche Kennzeichen symbolisierte den Unterschied zwischen arm und reich und damit den Unterschied zwischen besitzendem und arbeitenden Bevölkerungsteil. Sicherlich war der Hauptfeind der S. die Aristokratie, zunehmend wurden es auch die reichen Bürgerlichen, "die großen Pächter, diese Egoisten, und alle dicken reichen Kaufleute: gegen uns machen sie Krieg und nicht gegen unsere Tyrannen" [2] wie es in einer Adresse an den Konvent heißt.
Festzustellen ist, dass die S. grundsätzlich nicht gegen das Eigentum eingestellt waren, wie bekannt hatten viele Handwerker etc. selbst Eigentum, aber sie hatten andere Vorstellungen vom Gebrauch desselben.
Daher auch der Widerspruch "zwischen den Anhängern einer bestimmten Auffassung [S.] von einem begrenzten und kontrollierten Eigentum und den Parteigängern [Großbürgertum] des uneingeschränkten Rechts auf Eigentum, so wie es 1789 proklamiert worden ist." [2] Festzustellen ist dies z.B. daran, dass die S. Front gegen Unternehmer machten, die ihren Arbeitern nicht den gerechten Lohn zahlen wollten.
Daher identifizierten die S. das Großbürgertum zunehmend als "Bourgeois-Aristokratie", während sie vom Gegner als "Kanaille" bezeichnet werden.
Mir ist bewußt, dass ich mit den wenigen Sätzen nicht das ganze Thema, bzw. alle Facetten aufgezeigt habe.
Grüße
excideuil
[1]
Michael Erbe: Die gesellschaftlichen Konflikte und der Ausbruch der Französischen Revolution, in: Malettke, Klaus (Hrsg): Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime – Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Bd. 32, Colloquium Verlag, Berlin, 1982, Seite 117
[2]
Soboul, Albert: Französische Revolution und Volksbewegung: die Sansculotten, edition suhrkamp, 1978, Seiten 21-26