Saint-Just schrieb:
Was soll das denn heißen? Wenn die Mitglieder der eigenen Gruppe sich geirrt haben, hat man selbst künftig für immer den Mund zu halten? (dann dürften deutsche Juristen aber nur noch schweigend durch die welt wandeln:devil:; ganz zu schweigen von den Briten und Franzosen, die ja auch mit Hitler verhandelt haben) Das eine hat mit dem andern absolut nichts zu tun! (Falin selbst war übrigens 1941 mit sicherheit nicht Mitglied der KPdSU, hat mit den damaligen Irrtümern also auch persönlich nichts zu tun.)
Ganz schlechter Vergleich! Bei den "deutschen Juristen" handelt es sich doch nicht um die Mitglieder einer politischen Partei, die sich verpflichtet haben, die Parteilinie nach Außen zu vertreten und intern auf Fraktionierung zu verzichten.:autsch: Im Gegenteil: die Juristen bilden zu fast jeder Meinung eine Gegenmeinung und versuchen in einem Prozeß Kollegen und Laien von ihrer Meinung zu überzeugen.
Zudem habe ich nicht gepostet, dass Falin schweigen soll. Falin soll reden! Aber er soll nicht nur über die Fehler des Westens sondern auch über die der eigenen Seite sprechen.
Es fällt auf, dass Du hier schreibst, Falin habe mit "den damaligen Irrtümern" nichts zu tun. An anderer Stelle verteidigst Du den verhängnisvollen Hitler-Stalin-Pakt als angemessen (# 18, siehe Zitat unten). War dieser Pakt - Deiner Meinung nach - nun ein "Irrtum" oder kein Irrtum?
Saint-Just schrieb:
hab ich behauptet, dass das beweise sind? (mich nervt ohnehin, dass in foren ständig links an allen stellen als „beweise“ gesetzt werden). Aber ist doch mal interessant, ein interpretation zu lesen, dich nicht automatisch und unhinterfragt die amerikanische version übernimmt. Es gibt eben auch andere als die westliche Sichtweise.
Mich interessiert eher die Stichhaltigkeit einer Sichtweise als deren Herkunft.
Zudem nervt mich bei einem Verweis auf Links, dass meistens unklar bleibt, über welche konkreten Thesen der Verweisende diskutieren und welche Argumentation er sich dabei zueiegen machen will.
Saint-Just schrieb:
Stalin hat Verträge mit Hitler geschlossen, Chamberlain hat Verträge mit Hitler geschlossen, selbst der Vatikan hat Verträge mit Hitler geschlossen. Und Roosevelt hatte den nicht zu unterschätzenden Vorteil, einen ganzen Ozean zwischen sich und Hitler zu haben. Selbstverständlich konnte es die US-Regierung nicht gleichgültig lassen wenn irgendjemand in Europa seine Hegemonie aufbaut. Da haben nationale Eigeninteressen ausnahmsweise mal etwas Gutes bewirkt.
Im Übrigen hat es die Sowjetunion ja zunächst mit einer Politik der kollektiven Sicherheit versucht. Als die Westmächte die CSR dann auf dem Silbertablett an Hitler ausgeliefert haben, ist diese Politik gescheitert. Stalin musste sich also nach anderen Möglichkeiten umsehen. Militärverhandlungen der SU mit GB und Frankreich hat es sogar noch bis August 1939 gegeben, aber die Westmächte haben nur zweitrangige Vertreter ohne Vollmachten geschickt.
In der Situation scheint mir der Nichtangriffspakt angemessen.
Der Hitler-Stalin-Pakt stellte einen schweren Fehler Stalins dar!
Mit diesem Pakt machte er Hitler den Weg zum Krieg frei. Besser wäre es gewesen, er hätte zusammen mit den Briten und den Franzosen den Polen den Rücken gestärkt. Doch anstatt eine solche Politik der kollektiven Sicherheit zu verfolgen, ließ sich Stalin von Hitler große Teile Polens und Osteuropas auf dem silbernen Tablett servieren.
Zudem ermöglichte Stalin mit seinem Stillhalten Hitler die Möglichkeit, 1940 Frankreich niederzuwerfen und die Briten vom Kontinent zu fegen sowie 1941 die SU anzugreifen, ohne dabei der Gefahr eines Zweifrontenkrieges ausgesetzt zu sein. Die SU wurde nicht von den Westmächten geschwächt sondern von Stalins Stillhaltepolitik zu Gunsten Hitlers, der in "Mein Kampf" sein eigentliches Ziel, mit Hilfe eines Rassen-Krieges in Rußland Lebensraum zu erobern, ja deutlich beschrieben hatte.
Wäre Stalin 1939/40 zu Gunsten Frankreichs in den Krieg eingetreten, hätte er 1941 nicht die Errichtung einer "Zweiten Front" fordern müssen!
Saint-Just schrieb:
Der Isolationismus in den USA war kein Produkt der 1930er Jahre (schon die Ablehnung im Jahre 1920, den Versailler Vertrag zu ratifizieren, war dadurch motiviert). Bis zum Beweis des Gegenteils halte ich den Einfluss des „bunten Haufens“ für unbedeutend, die amerikanische KP war winzig. Im Kongress hatten sie jedenfalls nichts zu sagen. Im Unterschied zu den Republikanern.
Der Isolationismus erreichte in den 30er Jahren seinen Höhepunkt; >>einen wahren "Tornado" des Isolationismus<< (Klaus Schwabe, Der amerikanische Isolationismus im 20. Jahrhundert. Legende und Wirklichkeit, 1975, S. 6). Der isolationistischen Bewegung gehörten Amerikaner aller politischen Schattierungen an. Kongreß und Präsident waren eher Getriebene dieser Bewegung als Akteuere.
Die amerikanischen Kommunisten unterstützten den Isolationismus je nach dem Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Nach dem Hitler-Stalin-Pakt (1939) sprachen sie sich gegen die Fähigkeit der USA aus, sich in einen Konflikt ausserhalb der USA einmischen zu können. Nach dem Überfall auf die SU (1941) forderten sie diese Fähigkeit ein.
Infolge der in den USA vorherrschenden isolationistischen und pazifistischen Grundstimmung verfügten die USA 1939 über keine nennenswerten Streitkräfte. "Als sich die USA 1940 schließlich zur Wiederaufrüstung und Wiedereinführung der Wehrpflicht entschlossen, stand ihre Armee rein zahlenmäßig an achtzehnter Stelle in der Welt. Allein die deutsche Wehrmacht war fast viermal so stark wie die U.S.Army, und selbst Länder wie Belgien, Holland, Portugal, Schweden, Spanien und die Schweiz verfügten über mehr Soldaten. Hinzu kam, daß inzwischen 10 Prozent der deutschen Bevölkerung - 6,8 Millionen Mann - im Kriegshandwerk ausgebildet waren; in den USA waren es 0,5 Prozent oder etwas mehr als eine halbe Million" (Alan Posener, Franklin Delano Roosevelt, 1999, S. 99 f.).
Ashigarus Beitrag beweist, dass es Lieferungen von Militärgütern an die UdSSR gegeben hat (hätt´ ich auch so nicht bestritten.) Er beweist nicht, wie viel davon wirklich in der UdSSR angekommen ist (Angriffe durch deutsche U-Boote, zudem wurden die Lieferungen auch mehrfach ausgesetzt).
Interessant, dass Du den U-Boot-Krieg bei der amerikanischen Waffenhilfe zu Gunsten der SU erwähnst. Schade, dass Du den U-Boot-Krieg bei der Errichtung der "Zweiten Front" ignorierst.
Ebenso fakt ist, dass die lend-and-lease-Liferungen nach Abbruch der Kampfhandlungen augenblicklich eingestellt wurden.
Was willst Du damit sagen?
Ich frage mich nur, wenn von Anfang so klar war, dass eine zweite Front nicht errichtet werden kann, wieso haben Churchill und Roosevelt es Stalin wiederholt versprochen, um anschließend Rückzieher zu machen:
- gemeinsames Kommuniqué der USA, Großbritanniens und der UdSSR über die Errichtung einer zweiten Front am 12. Juni 1942
- Churchills Absage des Versprechens am 12. August 1942, aber Vertröstung auf 1943
- Roosevelt und Churchill versprechen Stalin in einem Telegramm aus Casablanca (Jan. 1943) eine Landung auf der Halbinsel Cotentin im August 1943
- Churchill verschiebt den Termin in einem Schreiben an Stalin (9. Februar 1943) auf August oder September 1943
- Im Mai 1943 verschieben Roosevelt und Churchill die Eröffnung der zweiten Front auf 1944
(Quelle: Hitler und Stalin, Alan Bullock)
Als die Landung dann im Juni 1944 erfolgte, war die Rote Armee schon schon auf dem Sprung nach Rumänien, Bulgarien und Ungarn.
Welches Ziel wurde mit diesder Taktik des Versprechens-Zurückziehsns verfolgt? Wenn eine Landung vorerst unmöglich war, hätte man das ja auch gleich sagen können, oder nicht?
Merkwürdige Fragestellung! Mit Deiner Frage nach dem Ziel der "Taktik des Versprechens-Zurückziehens" unterstellst Du, dass es eine solche Taktik überhaupt gegeben hat. Doch stattdessen bewahrheitete sich die alte Erfahrung, dass es einfacher ist ein Versprechen abzugeben als die fristgerechte Einhaltung dieses Versprechens dann auch verantworten zu können.
Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort die richtige Zahl von Schiffen, Landungsbooten, Soldaten, Panzern und sonstigem Kriegsgerät zusammenzuziehen, stellte sich als eine ungemein schwierige Aufgabe heraus:
- Dabei musste zunächst einmal dem Kriegsverlauf Rechnung getragen werden. 1942 konnten die Deutschen in Nordafrika und in der Atlantikschlacht sowie die Japaner im Pazifik (Singapur!) noch große Erfolge erzielen; noch größere wurden befürchtet (Durchbruch in den Nahen Osten; Landverbindung zwischen Deutschland und Japan; Angriff auf Australien).
- Der Kriegsverlauf blieb nicht ohne Einfluss auf die Rüstungsproduktion. Mit der Massenproduktion Panzer tragender Landungsboote begannen die Amerikaner erst 1942! Bereits Ende 1942 musste diese Produktion zu Gunsten anderer, wichtigerer Schiffsbauprojekte unterbrochen werden.
- Ferner musste mit den vorhandenen Schiffs- und Landungsbootskapazitäten verschiedene Operationen geplant und ausgeführt werden: die Waffenhilfe an die Briten; die Waffenhilfe an die SU; die Bekämpfung der deutschen U-Boote im Atlantik; die Eindämmung des japanischen Vordringens im Pazifik; die Landung amerikanischer Soldaten auf diversen Pazifikinseln; den Transport amerikanischer Soldaten nach GB zur Vorbereitung einer Landung in Nordfrankreich; die Landung amerikanischer Soldaten in Nordafrika; die Landung amerikanischer Soldaten in Sizilien und Süditalien; die Landung amerikanischer Soldaten in Nord- und Südfrankreich,; etc, etc.
- Freilich kollidierten die Anforderungen dieser Operationen miteinander. Hier musste die richtige Reihenfolge gefunden werden, die zurückzulegenden Entfernungen und die am Einsatzort zur Einsatzzeit vorzufindenden Verhältnisse (insb. Wetter, Seegang, Gezeiten, Lichtverhältnisse, etc.) berücksichtigt werden. Ferner mussten stets Reserven gebildet werden, um auf etwaige (positive oder negative) Überraschungen reagieren zu können.
Vor diesem Hintergrund beurteilten die britischen und amerikanischen Militärs die Möglichkeit einer raschen Landung in Nordfrankreich von vorneherein viel skeptischer als Churchill oder gar Roosevelt. Die Politiker waren schon eher geneigt, auf Stalins Forderung nach einer "Zweiten Front" positiv einzugehen, schon um diesen nicht als Bundesgenossen im Kampf gegen Hitler zu verlieren. Um seiner Forderung mehr Gewicht zu geben, ließ Stalin die Möglichkeit durchblicken, sich notfalls mit Hitler auf einen Separatfrieden zu einigen. Und in der Tat streckte Stalin selbst nach dem Sieg von Stalingrad noch Friedensfühler in Richtung Berlin aus, die aber von Hitler aus ideologischen Gründen ignoriert wurden.
Doch auch diese "Versprechen" standen unter dem Vorbehalt des Möglichen, was die Briten deutlicher als die Amerikaner zum Ausdruck brachten: "Als Molotow auf seiner Heimreise Anfang Juni in London Station machte, übergab ihm Churchill jedoch ein Aide-mémoire, in dem er betonte, daß eine Landung für August oder September 1942 zwar vorbereitet würde, aber keinesfalls versprochen werden könne, da es weder im Interesse Rußlands noch der Westmächte liegen könne, sich um jeden Preis in ein Unternehmen zu stürtzen, das zu einem sicheren Mißerfolg führen müsse" (Lothar Gruchmann, Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik, 1995, S. 179).
In den entscheidenen Beratungen im Juli 1942 waren es dann auch nicht die Amerikaner, die sich gegen eine große Landung in Nordfrankreich aussprachen (<=> Überschrift dieses Stranges), sondern die in Nordafrika bedrängten Briten. "Angesichts der glatten Weigerung der Briten, das Unternehmen durchzuführen, fiel schließlich die Entscheidung für eine Landung in Französisch-Nordafrika" (Lothar Gruchmann, aaO., S. 180).
Die Landung in Französisch-Nordafrika sollte zur Einnahme von Tunis und der Vertreibung des deutschen Afrikakorps aus Afrika führen. Mit dem französischen General Henri Giraud war dieses Vorhaben abgesprochen. Briten und Amerikaner hofften deshalb, dass dieses Unternehmen so rasch zum Erfolg führt, dass noch im Herbst 1943 die Landung in Nordfrankreich unternommen werden kann. ABER es kam dann alles anders. Dummerweise besuchte zur Zeit der Landung (8.11.1942) der Oberkommandierende aller Streitkräfte Vichy-Frankreichs Francois Darlan seinen schwerkranken Sohn in Algier. Von den französischen Streitkräften wurde Darlan statt Giraud als höchste französische Autorität anerkannt. So stiessen die amerikanischen Truppen zunächst auf den Widerstand der Franzosen. Ende November 1942 gelang es Eisenhower ein Abkommen zwischen Giraud und Darlan zu vermitteln und die Lage zu stabilisieren. Doch dieses Abkommen führte zu keiner Veränderung in Algerien, wo Darlan die Vichy-Politik in Nordafrika fortsetzte und den Alliierten die beiden wichtigsten militärischen Vorteile verweigerte: die französische Flotte und Tunis. Noch schlimmer war, dass der französische Resident in Tunesien, Admiral Estéva, nichts unternahm, um sich der deutschen Gegeninvasion zu widersetzen. Die Konfusion endete erst am 25.12.42 mit dem Tod von Darlan, der vermutlich einem britischen Attentäter zum Opfer fiel. Doch der ursprüngliche erhoffte rasche Erfolg konnte so nicht mehr erzielt werden. Tunis fiel erst im Mai 1943.
Mit der Eroberung Nordafrikas eröffneten sich freilich neue Chancen, die zu einer weiteren Bindung allliierter Schiffs- und Landungsbootskapazitäten führte. Am 25.Juli 1943 wurde eine neue italienische Regierung gebildet. Nun eröffnete sich für die Westalliierten die Möglichkeit, Italien in Einvernehmen mit seiner neuen Regierung rasch vom Süden bis zur Poebene zu besetzen. Doch diese Chance endete in einem Verhandlungsmarathon; währenddessen Hitler augenblicklich auf den Sturz Mussolinis reagierte und Italien vom Norden aus besetzen ließ.