Zabern-Affäre

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Timm

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Hat der deutsche Kaiser Wilhelm dem Oberst von Reuter nach seinem Freispruch einen Orden verliehen? Ist das noch irgendwo anders belegt als in der Rede von Rosa Luxemburg?
 
Ob er einen Orden erhielt, kann ich nicht beurteilen. Wette (Militarismus in Deutschland, S. 79) bemerkt zur "Zabern Affäre", dass sich KW II. bedingungslos hinter die Armee gestellt hatte.

Harden (Von Versailles nach Versailles) bemerkt in diesem Zusammenhang von einer gefährlichen Tendenz zu einem zunehmenden Militarismus innerhalb der Armee. Eingebettet in die Sicht der Offiziercorps, dass vierzig Jahre des Friedens die Tendenz in der Bevölkerung verstärken, der Armee nicht mehr eine ausreichende Achtung entgegen zu bringen.

Trotz Unterstützung durch KW II. so Wette, wurde Oberst Adolf von Reuter bald nach dem Ende der Affäre von seinem Posten abgelöst. Die Verleihung von Orden wird nicht berichtet. Dennoch wäre es denkbar.

Zabern-Affäre
In die Schlagzeilen der deutschen und internationalen Presse geriet das Regiment bei der so genannten Zabern Affäre Ende 1913, die durch das Fehlverhalten des jungen Leutnants Günter von Forstner ausgelöst wurde. Aufgrund beleidigender Äußerungen über die Elsässer, die nach Indiskretionen in die Presse gelangt waren, zog er sich den Unmut der Bevölkerung zu, der sich in Demonstrationen und Anfeindungen äußerte. Die Militärs reagierten darauf mit unverhältnismäßiger Gewalt und setzten schließlich die zivile Autorität in dem Garnisonsstädtchen außer Kraft. Die Truppen wurden daraufhin auf Geheiß Kaiser Wilhelms II. . zeitweilig aus Zabern abgezogen und auf die Truppenübungsplätze Oberhofen bei Hagenau (I. Bat.) und Bitsch (II. Bat.) verlegt. Der damalige Regimentskommandeur Oberst Ernst von Reuter musste sich zusammen mit einem anderen Offizier des Regiments (Leutnant Schadt) vor einem Militärgericht verantworten. Zum Entsetzen der liberalen Öffentlichkeit wurden beide von dem Vorwurf, sich die Zivilgewalt widerrechtlich angeeignet zu haben, freigesprochen. Die beteiligten Offiziere wurden allerdings an andere Orte versetzt, bevor die beiden Bataillone am 5. April 1914 in ihre Zaberner Garnison zurückkehrten

2. Oberrheinisches Infanterie-Regiment Nr. 99 | Wikiwand

Zabern-Affäre – Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Landtag von Elsass-Lothringen kam es im Januar 1914 zu einer erregten Debatte. Es wurde festgestellt, "daß die Regierung auch im engen Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse eine größere Energie zur Erlangung einer Genugtuung für die der elsaß-lothringischen Bevölkerung zugefügte Beleidigung hätte entfalten müssen und das keinerlei Gewähr gegen eine Wiederholung solcher gesetz- und rechtsverletzenden Vorkommnisse gegeben sei." Auch in der Beamtenschaft wurde empfunden, daß "die Macht das Recht totgeschlagen habe."

Auch Wedel verschloss sich dieser Ansicht nicht mehr und er nahm den Freispruch Reuters zum Anlass den Rücktritt der Landesregierung einzureichen.
 
Auch Wedel verschloss sich dieser Ansicht nicht mehr und er nahm den Freispruch Reuters zum Anlass den Rücktritt der Landesregierung einzureichen.

Karl von Wedel war Statthalter in Straßburg, und als solcher ist er vom Kaiser eingesetzt worden, war also nicht vom Landtag Elsaß-Lothringen gewählt worden. Zudem war er auch kein Elsässer oder Lothringen, sondern kam aus Norddeutschland. Karl von Wedel (General, 1842) – Wikipedia

Sein Rücktritt scheint ja nahezulegen, dass er - obwohl selbst General - mit dem Freispruch nicht einverstanden gewesen zu sein. Den Angaben im Wiki-Artikel scheinen die Vorfälle in Zabern auch über das Reichsland hinaus Wellen geschlagen zu haben: im gesamten Reich hat es Proteste gegen die Anmaßung des Militärs gegeben.
 
Karl von Wedel war Statthalter in Straßburg, und als solcher ist er vom Kaiser eingesetzt worden, war also nicht vom Landtag Elsaß-Lothringen gewählt worden. Zudem war er auch kein Elsässer oder Lothringen, sondern kam aus Norddeutschland. Karl von Wedel (General, 1842) – Wikipedia

Ja, ich weiß. Ist deine Ausführung als Ergänzung gedacht?

Wedel erklärte anlässlich des Rücktrittes der Landesregierung am 19.01.1914 u.a., "da sich die Voraussetzungen für eine weitere gedeihliche Amtsführung....nicht haben verwirklichen lassen.

Nachfolger von Wedel wurde Johann von Dallwitz, der die Bemühungen von Wedels um die Integration von Wedel als ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Schwäche hielt. Im Verhalten der politisch führenden Kreise der Bevölkerung Elsass- Lothringens seit 1870 sah Dallwitz einen Kampf gegen die deutsche Herrschaft.

Kommentar überflüssig.

Es kann wohl kaum zweifelhaft sein, das die Integrationspolitik somit gescheitert oder noch mehr rückläufig war. Diese wichtige Aufgabe wird man wohl als gescheitert betrachtet werden müssen.
 
Ja, ich weiß. Ist deine Ausführung als Ergänzung gedacht?

Ja, als Ergänzung. Ich mußte auch erst nach dem Namen suchen, weil ich nicht wußte, wer er war. Zumindest scheint er jemand gewesen zu sein, der zwar auch General a. D. war und von Berlin eingesetzt wurde, aber zumindest um Integration bemüht war. Allerdings kenne ich keine weiteren Details aus seiner Zeit als Statthalter und sein Verhältnis zum Landtag.

Es kann wohl kaum zweifelhaft sein, das die Integrationspolitik somit gescheitert oder noch mehr rückläufig war. Diese wichtige Aufgabe wird man wohl als gescheitert betrachtet werden müssen.

In der Tat - das Verhalten des Militärs sowie die unzureichende Ahndung durch die Rechtsprechung und auch die mangelnde Unterstützung durch die Reichsregierung für die Zivilverwaltung war für die Integration des Reichslandes kontraproduktiv.

Direkt in den ersten Jahren nach der Abtretung der Gebiete an das neugegründete Reich 1871 wurden überwiegend Abgeordnete aus Elsaß-Lothringen in den Reichstag gewählt, die gegen die Zugehörigkeit zum Reich protestierten. Aber m. W. hat sich im Laufe der Jahre diese Protesthaltung abgeschwächt. Eine Besonderheit hatte das Reichsland dennoch: im Gegensatz zu den anderen Bundesstaaten hatte Elsaß-Lothringen keine eigene Regierung, sondern wurde von einem durch Berlin ernannten Statthalter regiert. Man fühlte sich also von Berlin bevormundet.

Elsaß-Lothringen hatte erst zwei Jahre zuvor 1911 einen eigenen, direkt gewählten Landtag erhalten, zuvor war es "nur" ein Landesausschuß, der von den untergeordneten Gebietskörperschaften gestellt wurde.

In Zabern kamen zwei Besonderheiten zusammen. Zum einen das Verhältnis zwischen Militär und Zivilisten, zum anderen das Verhätlnis zwischen Elsässern und Lothringen sowie den sogenannten Altdeutschen. Als Altdeutsche bezeichnete man im Elsaß die aus den übrigen Teilen des Reiches ins Elsaß eingewanderten Deutsche. Anmaßungen des Militärs über die Zivilverwaltungen hätte es auch in jeder anderen Garnissonsstadt im Reich gegeben haben können.

Die Affäre begann mit abfälligen Bemerkungen des Leutnant von Forstner über Elsässer, die er für national unzuverlässig hielt, und Frankreich. Diese Beleidigungen führten dann zur weiteren Eskalation und zur Frustration der Elsässer und zu einem weiteren Erstarken der Autonomiebewegung.
 
Bei der Zabernaffäre möchte ich ein paar Anmerkungen machen.
Es war nicht so, dass die Region ein Katalonien oder Irland wäre. Man muss das im Kontext sehen.
Der Großteil der Bevölkerung war nicht gegen das deutsche Reich eingestellt.
Es gab aber in verschiedenen Süddeutschen Regionen Kritik an den Preußen vor der Jahrhundertwende.
Sogar österreichische Offizielle bezeichneten hier das Problem die Überbetonung der preußischen Eigenheiten und nicht als ein Problem der Zusammengehörigkeit.
Es war doch letztlich so, ein Großteil der Kritik stammte aus dem katholischen Milieu.
Der Kulturkampf machte die Kritik an Preußen lebendig. Der kleinere protestantische Teil der Bevölkerung war für Deutschland, da man die Bevormundung fürchtete und sich traditionell eher mit den ebenfalls lutheranischen Preußen identifizierte.
Das katholische Milieu hatte aber nach der Politik Émile Combes sogar Angst vor einem größeren französischen Einfluss, da der französische Staat die katholische Kirche beschränkte. Die Gewerkschaften hatten ebenfalls keine Probleme mit dem deutschen Reich. Man verstand sich eher übernational. Und die Juden in Elsass-Lothringen waren nach der Dreyfuss-Affäre gegenüber der französischen Republik maximal kritisch.
 
Noch eine Anekdote, sogar noch heute werden im Wahlkampf sogar von den Rechten deutschsprachige Plakate verwendet. Wenn es um Wählerstimmen geht, dann wird man flexibel :)
sarkozyplakatclj9r.jpg
 
Noch eine Anekdote, sogar noch heute werden im Wahlkampf sogar von den Rechten deutschsprachige Plakate verwendet. Wenn es um Wählerstimmen geht, dann wird man flexibel :)
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Ich meine, dass ich auch schon von anderen Parteien Wahlkampfplakate auf Deutsch (genauer gesagt auf Hochdeutsch) gesehen habe. Das sah schon ein wenig exotisch aus. Das scheint mir kein Spezifikum der UMP zu sein.

En vertu d'une directive du 8 août 1919, les affiches et programmes électoraux peuvent aussi être publiés en allemand en plus du texte français. Mais cette circulaire n’ayant aucune valeur juridique, il s’agit plus d’une coutume que d’une règle de droit précise.

Gemäß einer Richtlinie vom 8. August 1919 können Wahlplakate und -programme neben dem französischen Text auch auf Deutsch veröffentlicht werden. Da dieses Rundschreiben jedoch keinen rechtlichen Wert hat, handelt es sich eher um einen Brauch als um eine präzise Rechtsvorschrift. (Deepl-übersetzung)​

Statut de la langue | www.OLCAlsace.org

(Ich habe auf die Schnelle keine weiteren Informationen oder Plakate anderer Parteien im Internet gefunden. Interessant wäre, ob solche Regelungen auch in Gebieten anderer Minderheitensprachen (Nordkatalonien, Baskenland, Korsika, Bretagne) gültig sind.)
 
Hallo,
also es gibt einen frz. Blog über Wahlplakate.
Dort gab es eine ganze Sammlung. Und nicht nur die konservativen haben Plakate auf Deutsch veröffentlich.
Auch die Lieberalen unter Bayrou oder sogar Le Pen hat das gemacht. Das ist schon interessant, weil man ja von französischer Seite immer sehr darauf achtet, dass Elsässisch o. Luxemburgisch eigene Sprachen wären und mit Deutsch nichts zu tun hätten. Haha.
 
@Carolus
Ich hab den Blog nicht mehr gefunden, aber ich weiß noch ganz genau, dass dort auch Plakate von Le Pen und Francois Bayrou gezeigt wurden, die auf deutsch waren. Bei LePen war der Spruch: Wählen Sie Le Pen.
Bei Bayrou hieß es: Frankreich mit voller Kraft. Das Bayrou Plakat war das 2012 Plakat wo er drittstärkste Kraft wurde.
Bei Le Pen kann ich es dir nicht sagen, aus welchen Jahrgängen die jeweils waren. Es ist ein Thema, dass die frz. Parteien nicht an die große Glocke hängen, aber sie machen es.
 
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