"Zeigen Sie uns mal die attische Demokratie..."

Dieses Thema im Forum "Ausstellungen | Historische Sehenswürdigkeiten" wurde erstellt von El Quijote, 22. November 2018.

  1. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Deine Antwort ist gut. Aber ich möchte da mal eine Lanze für die Lehrer brechen, welche die attische Demokratie gezeigt bekommen wollen. Unverzeihlich ist freilich, dass sie sich nicht entsprechend vorbereitet haben, was denn überhaupt die Möglichkeiten des Pergamon sind.
    Grundsätzlich aber finde ich die Frage gar nicht soooooooo abwegig. Es gibt in der athenischen Topographie ja die entsprechenden Plätze, die Pnyx, die Agora, wo das politische Leben stattfand. Man kennt die Losautomaten (kleroteria) und die Ostraka, mit denen über die Verbannung entschieden wurde. Funde aus Laurion können die demokratische Ordnung Attikas in Frage stellen. Also archäologisch könnte man sich dem Thema grundsätzlich erst mal nähern. Die Frage ist, ob das im Pergamonmuseum geleistet werden kann und wenn, dann müsste das halt in eine Unterrichtsreihe eingebunden sein. Sprich, der Lehrer müsste sich ans Pergamon wenden, sagen "in vier Wochen komme ich mit 30 Sechstklässlern vorbei, was können wir im Rahmen der Unterrichtsreihe 'attische Demokratie' im Museum machen und was muss ich als Lehrer vorbereiten?" Denn Ton, Steine, Scherben sind für unwissende Kinder (keine Band sondern) Ton, Steine und Scherben. Wenn sie aber das Losverfahren kennen oder die Verbannung, dann erkennen sie auch das kleroterion und die ostraka. Und vielleicht können einige sogar erfassen, dass der Platz auf der Pnyx nie für die gesamte freie, männliche Bevölkerung Attikas gereicht haben kann (zumal ein Bauer mit drei Schweinen aus der attischen Peripherie sicherlich eher selten den mehrstündigen Marsch nach Athen vornahm, um sein demokratisches Recht wahrzunehmen).
     
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  2. hjwien

    hjwien Aktives Mitglied

    Du hast recht, mir geht es dabei auch mehr darum, daß es sich einige, bei weitem nicht alle Lehrer, sehr einfach machen und weder vorbereitet noch interessiert ins Museum kommen, hin und wieder auch einfach ihre Klassen bei uns abstellen.
    Die Berliner Antikensammlung erstreckt sich ja über drei Häuser, und was im Pergamonmuseum gerade im Detail nicht gezeigt werden kann, ist dafür im Alten Museum gut zu machen. Da steht ja auch unser Perikles.
     
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  3. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Das Problem bei Geschichtslehrern ist ja, dass es neben denen, die sich in erster Linie als Pädagogen und erst in zweiter Linie als Historiker sehen (was völlig in Ordnung ist, wahrscheinlich sind das sogar am Ende die besseren Lehrer) vor allem auch die sind, die sich in der Oberstufe entschieden haben, Geschichte zu studieren und zwar auf das Lehramt. Ich setze die Behauptung* in die Welt, dass 80 % der Geschichtslehrer auf die Geschichte sagen wir mal 1830 - 1990 in Dtld./Europa fokussiert sind. Die übrigen 20 % der Geschichtslehrer verteilen ihren historischen Fokus auf andere Epochen und/oder geographische Räume.** Das ist alles in Ordnung, führt aber dazu, dass das Wissen vieler Geschichtslehrer in Mittelalter und Antike sich auf die Inhalte ihrer Pflichtseminare beschränkt.

    *fett, rot und unterstrichen! Damit ja keine Missverständnisse aufkommen.
    **häufig sind das dann gleichzeitig Fremd- oder Altsprachenlehrer, wo dann der Fokus bei den Altsprachen eher auf der Antike, bei den Fremdsprache bei der jeweiligen Herkunftsregion der Unterrichtssprache liegt.
     
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  4. hjwien

    hjwien Aktives Mitglied

    In Berlin wird ja zum Teil der Geschichtsunterricht mit dem Geographieunterricht zusammengelegt, so daß Geschichtslehrer selbst bei bester Eignung und Engagement kaum noch die Kapazitäten haben, um Themen sinnvoll aufzuarbeiten. Ich sehe das bei meinen eigenen Kindern, mein Sohn beklagt, daß er fast ein Schuljahr nichts außer der französischen Revolution gehört hat.
    Und damit schließt sich der Kreis wieder - der Lehrer, vorausgesetzt, es ist überhaupt der Fachlehrer im Museum dabei, hofft dann, daß diese Defizite dann im Museum vielleicht etwas aufgefangen werden. Nur kann ich nicht in einer Stunde Führung selbst bei dem schönsten Pnyxmodell die Demokratieentwicklung behandeln. Und so sind dann alle Seiten etwas unzufrieden, und das ist schade.
     
  5. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    "ßßßßßßßßßß..." (<-- das geschockte Einsaugen von Luft durch die geschlossenen Zähne)
     
  6. hjwien

    hjwien Aktives Mitglied

    Ich stelle mal, falls das nicht Regeln verletzt, einige links ein:

    Ein aktueller Überblick über den Geschichtsunterricht im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland - Blog Historikerverband

    Berliner Senat will Politische Bildung an Schulen stärken

    Schulreform in Berlin: Es war einmal Geschichtsunterricht

    Rahmenlehrplan Geschichte | Schulforum-Berlin

    In den dort einzusehenden Dokumenten sind sowohl Für- als auch Widerworte zu finden. Mein eher negativer Eindruck ist ja nur auf subjektiver Erfahrung begründet - ich habe aber auch noch keine überzeugende Fürsprache gehört.
     

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