Zentralstaat - Bundesstaat was war erfolgreicher?

Danke Freunde

das meinte ich
Chr. Martin Wieland 1793
Zitat:
Befände sich Teutschland in ebendenselben Umständen in denen sich Frankreich vor 4 Jahren befand - hätten wir nicht eine Verfassung, deren wohlthätige Wirkungen die nachtheiligen noch immer überwiegen, befänden wir uns nicht bereits im wirklichen Besitz eines großen Theils der Freyheit, die unsere westlichen Nachbarn erst erobern mußten - genössen wir nicht größentheils milder gesetzmäßiger und auf das Wohl der Unterthanen (mehr oder weniger) aufmerksamen Regierungen... so würden, anstatt daß es bloß bey Disposizionen zur Ansteckung blieb, die Symptome des Fiebers selbst ausgebrochen und das teutsche Volk aus einem bloßen theilnehmenden Zuschauer, schon lange handelnde Personen geworden seyn.
aus "Betrachtungen über die gegenwärtige Lage des Vaterlandes. 1793"
Quelle: Die großen Revolutionen im Südwesten Band 27 der Schriften zur politischen Landeskunde der Landeszentrale fpB BW
 

Ich danke auch; die Frage ist, inwieweit diese Einzelmeinung allgemeingueltig war. Hat das die dt. Bevølkerung 1789 - etwa 1804 tatsæchlich auch so gesehen?
Und, wie gesagt: Welche Freiheiten waren das, die sich die Franzosen erst erkæmpfen mussten?

Gruss, muheijo
 
Ich danke auch; die Frage ist, inwieweit diese Einzelmeinung allgemeingueltig war. Hat das die dt. Bevølkerung 1789 - etwa 1804 tatsæchlich auch so gesehen?
Ich denke, das ist unterschiedlich. Wo man das Reich ernst nahm, wie in den Reichsstädten, empfand man sicherlich das Reich als lebendiger, allgemein anwesender, nützlicher ... In den Gebieten wie v.a. im Obersächsischen Kreis, wo nicht mal der Kreistag mehr seit 100 Jahren zusammen getreten war, hatte das Reich als Dachorganisation, als Friedensinstrumentarium etc. nicht denselben Stellenwert wie z.B. im Südwesten. Klar haben wir selbst in den kaiserfernen Gebieten kleine, aber feine Ausnahmen. Auch ein Graf von Schaumburg-Lippe im Falle des Überfalls seines hessen-kasselschen Nachbarn profitierte vom immer noch erheblichen Faktor der Reichsöffentlichkeit oder manche kleinere Reichsstände im Norden erfreuten sich auch weiterhin über den Schutz aus Wien, aber letztlich suchten doch die meisten lieber Schulterschluss mit London, Berlin oder Dresden und die Präsenz des Reichs verlor im Bewusstsein an Stellenwert.

Im Grunde ist die Diskussion aber interessant. Die Nationalisten hatten den föderativen Charakter des Reiches - dessen Existenz wird aber auch manchmal von Historikern in Frage gestellt !!!! - immer schlecht gemacht. Dem wurde ein Absolutismus preußischer, französischer oder sonstwelcher Prägung gegenüber gestellt. Ich denke mal ein postulieren eines Vorteils für eine der beiden Formen ist unsagbar schwer. Wie soll man das messen? In zufriedenen Bürgern?
Man wird stolze preußische, deutsche, französische, englische ... Patrioten finden. Der überwiegende Teil wird sich damit nicht beschäftigt haben und das von der Kanzel aufgenommen haben wie es kam. Wenn dies einen wesentlichen Einschnitt (wie das Ende des Reiches) bedeutete, mag die Aufnahme gefühlvoller ausgefallen sein.

@ Repo

Dennoch ein hübscher Thread und das Zitat von C.M. Wieland ist auch sehr schön.:yes:
 
Ich danke auch; die Frage ist, inwieweit diese Einzelmeinung allgemeingueltig war. Hat das die dt. Bevølkerung 1789 - etwa 1804 tatsæchlich auch so gesehen?
Und, wie gesagt: Welche Freiheiten waren das, die sich die Franzosen erst erkæmpfen mussten?

Gruss, muheijo


Na ja, war ein Staatenbund oder Bundesstaat, also pluralistisch und Wieland aus Biberach, Freie Reichsstadt, traditionell Reichstreu.

Wenn ich nicht vergesse und Frau nicht schimpft schau ich heute Abend in den Landeszentrale-Band mal sehen ob´s noch mehr und ähnliche Äußerungen gibt.
 
Hab den Artikel gestern Abend mal überflogen.

Es gibt anscheinend etliche solche Äußerungen aus der Zeit.
Gemeint ist die Rechtssicherheit die in Deutschland durch die diversen Hofgerichte herrschte. Die ständischen Verfassungen in sehr vielen Gliedstaaten, die wesentlich geringere Steuerbelastung.
Man sieht schon, dass nicht alle bürgerlichen Freiheiten verwirklicht sind, aber doch viele.
Die die Franzosenen bis 1789 alle nicht hatten.

Beklagt wird in dem Artikel, dass diese Facetten der deutschen Geschichte bis heute sehr wenig erforscht wären.
Eine Klage der ich mich anschließen möchte.

OT: Auch uns hier verstellt die borussische Geschichtsschreibung des späten 19. Jahrhunderts den Blick.
Den Rest vernebelt die Fokussierung auf die verfluchten 12 Jahre.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein wichtiger Fakt:
In Deutschland gängige Meinung ist:
Als Folge von Versailles gab es bei uns in der Weimarer Republik nie eine stabile Regierung, was in der Fortfolge zwangsläufig zu Hitler führte.

Ist den Mitdiskutanten eigentlich bewusst, dass Frankreich als Siegerstaat von 1919 bis 1933 mehr Regierung verschliss wie Deutschland? Dies spätestens seit 1870 in Frankreich völlig normal war?

Spätestens seit 1870?
Mir kommt es vor, das es in Frankreich seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts mehr oder weniger der Fall war.

Bei Bundesstaaten neigen die Teilstaaten dazu, ihr eigenes Sueppchen zu kochen - bis hin zur vølligen Losløsung, was eine Gefahr fuer den Gesamtstaat bedeutet.

Es ist unvermeindlich, das Regionen, deren Interessensunterschiede mehr als marginal sind, eine mindestens zum Teil ungleiche Politik betreiben.
Die Zentralregierung kann dagegen handeln, was aber immer wieder zu viel problematischeren Konflikten geführt hat.

Bsp. USA; Jugoslawien; evtl. Ö/U, HRR.
Zentralstaaten schaffen eine gemeinsame, eigene Identitæt, die einen stærkeren Zusammenhalt begruenden.

Das können erfolgreiche föderale Systeme auch, was man an deinen aufgeführten Beispielen ja auch sieht.

Natuerlich gibt es auch da einzelne Gebiete, die sich nicht dazugehørig fuehlen, aber deren Verlust fuehrt nicht zur Gefæhrdung des Gesamtstaates.

Gilt auch für föderale Systeme.
Das HRR hat immer wieder Gebiete verloren ohne das diese deren Entwicklung zu sehr beeinträchtigt hat.

Deutschland.
Wer ist über das Jahrtausend deutscher Geschichte freiwillig ausgetreten?
Die Schweiz und die Niederlande.

Und auch diese "Abspalter" blieben noch lange auf deutsch-föderale Weise organisiert, was für dessen Erfolg spricht.
 
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