Römisches Reich - eine Marktwirtschaft?

Ich sehe da auch noch die hohe militärische Nachfrage nach Ausrüstungsgegenständen. Staatsnachfrage hat ja immer auch etwas planwirtschaftliches, auch wenn auf dem freien Markt eingekauft wird.
So betrachtet sind die USA auch ne Planwirtschaft; interessant, hätten wir das doch nur früher geahnt. ;)
 
Der Begriff "freie Markwirtschaft" ist, real gesehen, nur blanke Theorie und existiert höchstens in Guido Westerwelles Träumen. Das ist auch gut so. Überall wo eine staatliche Ordnung existiert (Ja, auch in den USA) greift der Staat mehr oder weniger in das Wirtschaftsgefüge ein. Sowas nennt man dann Konjunktur- und Steuerpolitik. Die eingangs des Threads geäußerte Frage nach einer "freien Marktwirtschaft" bei den Römern möchte ich deshalb verneinen. Was nicht automatisch heisst, sie hätten eine Planwirtschaft ala Honecker betrieben.
 
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@balticbirdy
Falls z.B. Augustus wirklich nicht in die Wirtschaft eingegriffen hat (s.o.), könnte man sehr wohl von einer freien Marktwirtschaft reden.
Die Existenz eines Staates und seine Teilnahme am Wirtschaftsleben haben nicht notwendig einen Eingriff in dieses zur Folge.
Was Konjunkturpolitik sein soll, versteh ich nicht, aber Steuerpolitik ist nur dann ein Beispiel, wenn mit der Steuer gesteuert werden soll, bestraft werden soll, ein Marktverhalten wesentlich erschwert oder verhindert werden soll. Organisiert der Staat lediglich seine Einnahmeseite, kann ich darin keinen Eingriff in das Wirtschaftsleben erkennen.

p.s. Wird die Menschheit diese hohle Phrase eines degenerierten Politikers aus Berlin denn nicht mehr los? ;(
 
Sieht man die Wirtschaftsform während des Kolonialismus auch als eine Art von Marktwirtschaft, kann (trotz aller moralischen Bedenken) die Sklaverei kein Kriterium gegen die Marktwirtschaft sein.
Die italischen Latifundien mit ihren Sklaven wirtschafteten nun einmal weniger lukrativ als ihre gallischen Gegenstücke die auf alte keltische Strukturen der Gefolgschaft aufbauen konnten und sich zum Kolonat und mittelalterlicher Abhängigkeit weiter entwickelten.

Viel stärker gegen die Theorie einer Marktwirtschaft sowohl in der römischen Republik als auch im Imperium sprechen Berufs -ver und -gebote für soziale Stände. Das Bauern gewöhnlich wieder Bauern werden ist naheliegend, es gab aber spätestens in der Spätantike zum Teil eine Schollenbindung der Familien. Auch innerhalb des Handwerks wurden Berufe vererbt. Viel schlagender ist das etwa in der Republik bereits bestimmte soziale Stände auch an gewisse Erwerbsarten gebunden waren. Senatoren durfen keine Geldgeschäfte machen. Die Equites hatten eine Art von Monopol auf die Steuerpacht und Geldgeschäfte, während die Senatoren von riesigem Landbesitz zehrten. Überhaupt war in der Antike die Landwirtschaft mit Abstand der größte Posten in der Wertschöpfung!
...freilich konnte durch das Klientelwesen in gewissem Maße die "Berufsverbote" umgangen werden.
Diokletians Preisedikt ist mit ziemlicher Sicherheit nicht der einzigste Versuch in der römischen Geschichte in das entsprechende Marktgefüge einzugreifen. Das haben bereits hellenistische Herrscher versucht und die Kaiser waren eifrige Schüler des Hellenismus. Das bleibt aber eine Behauptung, da sich meines Wissens keine anderen Preisgesetze überliefert haben, auch wenn der Gedanke für mich naheliegend ist.
 
Sieht man die Wirtschaftsform während des Kolonialismus auch als eine Art von Marktwirtschaft, kann (trotz aller moralischen Bedenken) die Sklaverei kein Kriterium gegen die Marktwirtschaft sein.
Nein, Sklaverei ist kein Argument gegen Marktwirtschaft. Es lässt sich nur etwas schwieriger in den modernen Begriff "Marktwirtschaft" einordnen.
Denn eigentlich hätte die Sklavenwirtschaft ihr modernes Äquivalent im Produktionsfaktor "Kapital", was ich mal vereinfacht mit Maschinenausstattung übersetze ( obwohl ich da natürlich noch mehr moralische Bedenken habe).
Wenn nun aber der Staat die heutige Automation fördert, (zB. durch gezielte Forschung auf dem Gebiet, wie am effizientesten Arbeit durch Maschinen ersetzt werden kann), dann sehe ich das als äquivalent zu dem Erbeuten von Sklaven auf Feldzügen. Es handelt sich um eine staatliche Subventionierung.
Noch anders gesagt, die Sklavenaufkäufer hätten viel mehr investieren müssen, wenn sie selbst hätten losziehen und Menschen versklaven müssen.
Habe ich mich klar ausgedrückt?
 
Kann man das Wirtschaftssystem des Römischen Reiches als (freie) Marktwirtschaft bezeichnen? Welche Rolle spielt die Sklavenwirtschaft bei der Beantwortung der Frage?

Ich bezeichne die "Wirtschaft" des Römischen Reiches nicht als Marktwirtschaft. Damit eine Marktwirtschaft existieren kann, muss es so etwas wie vergesellschaftete Warenproduktion geben, von der auch alle Menschen abhängig sind. Und zu dieser vergesellschafteten Warenproduktion muss auch die Ware "Mensch" formal frei sein. Sklaverei im Sinne eines gegenseitigen, ausserökonomischen Abhängigkeitsverhältnisses ist einer funktionierenden Marktwirtschaft abträglich. Marktwirtschaft geht nicht mit Sklaven. Ebensowenig gab es im Römischen Reich das die Marktwirtschaft tragende Prinzip der Wertverwertung, sprich: Profit und Kapitalakkumulation.

Hinzu kommen rechtliche Faktoren: Marktwirtschaft setzt auch formale Rechtsgleichheit aller voraus, Privateigentum etc..

Ich denke nicht, dass es sich beim Römischen Reich um eine Marktwirtschaft gehandelt hat.
 
Sagen wir mal so, es ist mit Sicherheit schwierig, einen modernen Begriff wie den der Marktwirtschaft auf eine antike Kultur zu übertragen.
Es kommt schon darauf an, auf welchen Aspekt der Marktwirtschaft man hinauswill. Und da liegt die Betonung eindeutig auf dem Lenkungsmechanismus des Preises für die Produktion (und die Nachfrage natürlich auch). Anders gesagt, waren die Anbieter und Nachfrager so frei, dass sie mit ihrem Verhalten (Gewinn-und Nutzenmaximierung) über den Preis die Produktion bestimmten?
Ein wichtiges Kriterium ist, ob der Staat aus politischen, ideologischen Gründen in diese individuellen Entscheidungen eingegriffen hat.
Je mehr Eingriffe, desto weniger Marktwirtschaft, desto mehr Lenkwirtschaft.
Die Eingriffe waren in der Tat vorhanden. Mal kamen sie in Form von (Luxus)-steuern, mal in Form von Gesetzen (Tafelsilber, Berufsbindung), mal in Form von "Subventionen", mal in Form von staatlichen Konjunkturprogrammen (da sehe ich das Militär).
Also eine saubere, freie Marktwirtschaft hat es nicht gegeben.
Aber die gilt ja ohnehin nur als Idealkonzept...
 
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Damit eine Marktwirtschaft existieren kann, muss es so etwas wie vergesellschaftete Warenproduktion geben, von der auch alle Menschen abhängig sind. Und zu dieser vergesellschafteten Warenproduktion muss auch die Ware "Mensch" formal frei sein. Sklaverei im Sinne eines gegenseitigen, ausserökonomischen Abhängigkeitsverhältnisses ist einer funktionierenden Marktwirtschaft abträglich.
Das verstehe ich nicht. Was kann ich mir unter "vergesellschaftete Warenproduktion" vorstellen? ISt der Mensch nun eine Ware? Wieso ist die außerökonomische Abhängigkeit so bedeutend, dass du sie kursiv setzt (ökonomische Abhängigkeiten behindern sie ja nicht).
 
@Penseo
Oder auch nicht. Das hängt davon ab, wie man den Eingriffsbegriff definiert.
Rein theoretisch könnte man auch die Überlegung angehen, ob eine "freie" Marktwirtschaft durch einen einmaligen, nicht auf Dauer angelegten und in seiner Nachwirkung stark begrenzten Eingriff sozusagen die Jungfräulichkeit verliert und fürderhin keine "freie" Marktwirtschaft seien kann. Umgekehrt könnte man mit gleichem Fug und Recht von einer Rückkehr zu einem Zustand der freien Marktwirtschaft sprechen.
Diese Problematik ist sehr deffizil.
 
Das verstehe ich nicht. Was kann ich mir unter "vergesellschaftete Warenproduktion" vorstellen? ISt der Mensch nun eine Ware? Wieso ist die außerökonomische Abhängigkeit so bedeutend, dass du sie kursiv setzt (ökonomische Abhängigkeiten behindern sie ja nicht).

Vergesellschaftete Warenproduktion bedeutet, dass die gesellschaftliche Produktion über die Herstellung von Waren - und nicht etwa über Subsistenz, Fronarbeit, Sklaven etc. - läuft. Der Mensch ist eine Ware, allerdings wesentlich nur im Kapitalismus.

'Außerökonomisch' habe ich deshalb kursiv gesetzt, weil die Marktwirtschaft eine ökonomische Abhängigkeit darstellt, aber nicht auf außerökonomischer Abhängigkeit beruht. Außerökonomische Sklaverei würde die Marktwirtschaft schon am "Funktionieren" hindern. Was der Markt braucht, sind Käufer, keine rechtlosen Sklaven.
 
@krusk
Wo ist jetzt bitte der Unterschied zwischen der gesellschaftlichen Produktion von Waren durch Freie und dasselbe durch Freie und Sklaven?
Und wieso ist der Mensch im Kapitalismus eine Ware?
Ich stimme Dir zu, daß der Markt Käufer braucht, aber ich denke, daß es ihm egal ist, ob Viele wenig Produkte kaufen oder Wenige viele Produkte. Entscheidend dürfte doch wohl der Kapitalfluß sein.
 
Gerade wenn der Mensch (oder meinst du dessen Arbeitskraft) eine Ware ist, klingt dies doch sehr nach Sklaverei.
In den Anfangsjahren des Kapitalismus, wurde der Großteil der Bevölkerung doch auch nicht als potentieller Käufer betrachtet, oder? Der Begriff Konsumkapitalismus (der auch ein gewisses Lohnniveau fordert) kam doch erst nach dem 2. WK auf und zwischen Phänomen und dessen Benennung liegen hier imho nicht allzu viele Jahre.
 
Rein theoretisch könnte man auch die Überlegung angehen, ob eine "freie" Marktwirtschaft durch einen einmaligen, nicht auf Dauer angelegten und in seiner Nachwirkung stark begrenzten Eingriff sozusagen die Jungfräulichkeit verliert und fürderhin keine "freie" Marktwirtschaft seien kann. Umgekehrt könnte man mit gleichem Fug und Recht von einer Rückkehr zu einem Zustand der freien Marktwirtschaft sprechen.

Das ist ein interessanter Aspekt.

Neben den Kriterien, die hier von verschiedener Seite im Thema für den Begriff Marktwirtschaft diskutiert wurden (Koordinations- bzw. Preismechanismus, Lenkung des Angebots und der Nachfrage - was übrigens auch "Arbeit" einschließt und sich daher von der Sklaverei abgrenzt, staatliche Eingriffe als Marktteilnehmer oder schon als Vorgabe/Diktat, Eigentumsfragen - nicht nur an Produktionsmitteln, und Vertragsfreiheit; Informationsaspekte sind dagegen bislang nicht genannt, stellen aber für den Güteraustausch über Märkte eine Voraussetzung dar)

... würde ich Marktwirtschaft als Zustand beschreiben und nach dem Ort des Güter- und Leistungstausches fragen, auf dem sich Marktteilnehmer treffen. Dieser "Zustand" kann nichts verlieren oder gewinnen, er kann (für einen Zeitpunkt) vorliegen oder eben nicht. Daneben ist offenbar die Staatlichkeit der Rahmen, in dem ein Wirtschaftssystem als Marktwirtschaft begriffen wird (s. o. die staatlichen Eingriffe, der Bezug auf Vergesellschaftung und der Bezug zur Politik), denkbar wären allerdings auch Abgrenzungen unter diesem Niveau.

Die wohl allgemeine Qualifikation hat Penseo vorgestellt: der Gegensatz zum Marktmechanismus liegt in der Lenkung. Das bringt auch die Kritik an dieser Worthülse auf den Punkt, dass lediglich ein Waren- und Leistungsaustausch über "Märkte" vorliegen muss, um das Kriterium "Marktwirtschaft" zu erfüllen. Alles andere ist mE politische Zumengung in der Historie.
 
Das bringt auch die Kritik an dieser Worthülse auf den Punkt, dass lediglich ein Waren- und Leistungsaustausch über "Märkte" vorliegen muss, um das Kriterium "Marktwirtschaft" zu erfüllen. Alles andere ist mE politische Zumengung in der Historie.
Ja, so kann man das auch sagen. Natürlich soll dieser "Markt" gewisse Vorraussetzungen erfüllen, damit der Güterabgleich nur über Angebot und Nachfrage auch tatsächlich funktioniert (über den Preis, gell).
Aber insbesondere die Ausführungen aus dem Bereich des Marxismus/ Sozialismus sind streng gesehen erst nach der Industrialisierung sinnvoll, ohne die Auswüchse eines Manchester Liberalismus wohl auch unverständlicher.
:rotwerd:
 
Und wieso ist der Mensch im Kapitalismus eine Ware?

Die menschliche Arbeitskraft ist eine Ware; die einzige Ware, die der Proletarier auf dem Markt (in diesem Falle dem Arbeitsmarkt) anbieten kann; so sagt das Marx, stark verkürzt, natürlich.

In einer sklavereierlaubenden Wirtschaft ist der Mensch inkl. seiner Arbeitskraft eine Ware; ist ja die Grundbedeutung der Sklaverei; was für mich eine Parallele zwischen der heutigen kapitalistischen Wirtschaft und der im alten Rom ist.
 
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In einer sklavereierlaubenden Wirtschaft ist der Mensch inkl. seiner Arbeitskraft eine Ware; ist ja die Grundbedeutung der Sklaverei; was für mich eine Parallele zwischen der heutigen kapitalistischen Wirtschaft und der im alten Rom ist.

Sklaven bieten nicht ihre Arbeitskraft als Ware an, sondern werden allenfalls als Ware angeboten. Von der Vergütung ganz zu schweigen.

In diesem Sinne ist der Vergleich nicht einmal schlecht: frei von Wert- und politischen Vorstellungen beschreibt Marktwirtschaft zunächst nur eine Mechanik, die auf rationalem Verhalten, ausreichendem Informationsniveau der Teilnehmer sowie Kommunikationsmöglichkeiten beruht. Losgelöst von moralischen Vorstellungen kann man sich natürlich jedes irgendwie greifbare Gut auf einem "Markt" vorstellen, etwa einen Markt für Adoptionen, medizinische Versorgung, Polizeischutz, etc.
 
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Losgelöst von moralischen Vorstellungen kann man sich natürlich jedes irgendwie greifbare Gut auf einem "Markt" vorstellen, etwa einen Markt für Adoptionen, medizinische Versorgung, Polizeischutz, etc.

So ähnlich ist Crassus reich bzw. noch reicher geworden. Crassus rückte mit seinen Feuerwehrsklaven an, wenn es irgendwo brannte und stellte die Besitzer vor die Wahl. Sie verkauften ihm die brennenden Gebäude unter Wert - dann würde er löschen lassen - oder sie verweigerten den Verkauf, dann zog die Feuerwehr des Crassus wieder ab. Wenn sie ihm die Gebäude verkauften war ihr Verlust immerhin nicht ganz so hoch. Crassus wurde dadurch schnell der größte Mieteinnehmer der späten römischen Republik und zum beliebten Geldgeber für Wahlkampfgeschenke der im cursus honorum sich aufwärts bewegenden Politiker, z.B. Cäsar. So wurde Crassus noch reicher und konnte außerdem Lobbyarbeit betreiben....
 
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