Römisches Reich - eine Marktwirtschaft?

Von Crassus stammt auch ein Spruch, der sinngemäß so lautet, dass nur derjenige sich wirklich reich nennen darf, der aus seinem eigenen Vermögen eine Legion aufstellen und unterhalten kann.
 
So ähnlich ist Crassus reich bzw. noch reicher geworden. Crassus rückte mit seinen Feuerwehrsklaven an, wenn es irgendwo brannte und stellte die Besitzer vor die Wahl. Sie verkauften ihm die brennenden Gebäude unter Wert - dann würde er löschen lassen - oder sie verweigerten den Verkauf, dann zog die Feuerwehr des Crassus wieder ab. Wenn sie ihm die Gebäude verkauften war ihr Verlust immerhin nicht ganz so hoch.

Inwiefern das nicht nur eine lancierte Anekdote über Crassus ist, sei dahingestellt; seinen Charakter trifft sie wohl allemal. Reich ist er aber tatsächlich im Gefolge Sullas durch dessen Proskription von politischen und anderen unliebsamen Gegnern geworden.
 
Wenn sie ihm die Gebäude verkauften war ihr Verlust immerhin nicht ganz so hoch.
Das nennt man eine dominierte Situation, und die kann auch "Unternehmer" treffen, nicht nur beim squeeze-out:
http://www.grin.com/de/preview/39409.html

Offensicht war er lokaler Angebots-Monopolist, ansonsten hätten sich die unterschiedlichen Feuerwehren (oder werker? :D) beim Löschen in die Haare geraten müssen, natürlich vorbehaltlich möglicher Kartellabsprachen :pfeif:
 
Die Frage nach der Marktwirschaftlichkeit von Eingriffen bezieht sich nicht auf ethische Werte, sondern darauf, ob diese systemverträglich sind oder nicht, d. h., ob sie die Eigendynamik und damit die Selbstregulierungskräfte, letzlich also die Funktionsfähigkeit des komplexen Systems unterstützen oder behindern.

Dabei würde ich zwischen dreierlei Eingriffen unterscheiden :
1. Festsetzen von ethischen Grenzen, z. B. Verbot, jemanden zu ermorden.
Solche Grenzen sind grundsätzlich systemverträglich, sofern sie für Alle gelten.

2. Eingriffe, um Bedrohungen für die Lebensfähigkeit des komplexen Systems entgegenzuwirken, z.B. Verhinderung von Monopolen, Dämpfung selbstverstärkender Effekte.
Solche Eingriffe sind per definitione systemverträglich, ihre Unterlassung ist schädlich.

3. Eingriffe, um dem System Gewinne zu entnehmen oder "übergeordnete" nicht-systemimmanente Ziele zu erreichen.
Hier besteht die Gefahr, dass durch mangelnde Sensibilität für die Eigendynamik des Systems das Gegenteil der "gut gemeinten" Absichten erreicht wird.

Kurz : Eine marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik zeichnet sich nicht durch Nicht-Eingreifen des Staates aus (manchmal gerade durch korrigierendes Eingreifen), sondern durch Verstehen und Unterstützen der Eigendynamik des durch das (nicht notwendigerweise allzu) freie Spiel der Marktkräfte entstehende komplexe System.
 
@krusk
Wo ist jetzt bitte der Unterschied zwischen der gesellschaftlichen Produktion von Waren durch Freie und dasselbe durch Freie und Sklaven?
Und wieso ist der Mensch im Kapitalismus eine Ware?
Ich stimme Dir zu, daß der Markt Käufer braucht, aber ich denke, daß es ihm egal ist, ob Viele wenig Produkte kaufen oder Wenige viele Produkte. Entscheidend dürfte doch wohl der Kapitalfluß sein.

Vergesellschaftete Warenproduktion setzt freie Verkäufer ihrer Ware Arbeitskraft voraus. Wenn der überwiegende Teil der Menschheit aus außerökonomischen Sklaven bestünde, würde doch der Markt völlig zusammenbrechen, da er auf Massenkaufkraft angewiesen ist. Der Kapitalismus bedarf auch einer freien Ware Arbeitskraft, weil er nur aus ihr Mehrwert zur Wertverwertung auspressen kann, ohne den Arbeitnehmer zu schröpfen. Der Sklave bringt keine Produktivität. Von ihm wird nur geschröpft. Beim freien Arbeitnehmer hingegen kann Gewinn gezogen werden, weil seine Lebenshaltungskosten beständig unter den Wert seiner produzierten Ware gehalten wird. Er wird also mit weniger bezahlt als ihm "zustünde".
 
Vergesellschaftete Warenproduktion setzt freie Verkäufer ihrer Ware Arbeitskraft voraus.
Eher nicht.

Allerdings war die Landwirtschaft ein Dauerproblem in Rom, da die Bauern gegen landwirtschaftliche Großbetriebe konkurrieren mussten, die mit Sklaven arbeiteten. Diese gehörten ausgerechnet den Senatoren, also denen, die eigentlich wirtschaftpolitisch hätten gegensteuern müssen, weil, wie ich oben ausgeführt habe, Monopolisierung die Eigendynamik des komplexen Systems zerstört.

Die Folge war eine massenhafte Verödung der Bauernhöfe.

Auch die Militärmacht Rom wurde dadurch geschädigt, da die Soldaten mit Landbesitz entlohnt wurden. Wenn der seinen Mann nicht mehr ernährt, funktioniert's nicht mehr.

Möglicherweise liegt hier eine der inneren Ursachen für das Ende des Römischen Imperiums. Es gab in periodischen Abständen starke Reformer, die gegen ihre eigene Machtbasis, nämlich den Senat (bzw. die Mehrheit der Senatorenfamilien) handeln und diesen den Kampf ansagen konnten, wie Augustus oder die Gracchen - in der Endphase des Reiches war dies aber nicht mehr möglich, das Wirtschaftssystem kollabierte.
 
...
2. Eingriffe, um Bedrohungen für die Lebensfähigkeit des komplexen Systems entgegenzuwirken, z.B. Verhinderung von Monopolen, Dämpfung selbstverstärkender Effekte.
Solche Eingriffe sind per definitione systemverträglich, ihre Unterlassung ist schädlich.
Richtig, wird allgemein "Marktversagen" genannt. Dem wird entgegengesteuert.
Was allerdings die antiken selbstverstärkenden Effekte sind, ist mir nicht klar.

Ich nehme an, Punkt 3 bezieht sich auf den übergeordneten Staat, der öffentliche Güter bereitstellen sollte? Zum Beispiel die Verteidigung der Landesgrenzen, Rechtssystem?
 
Zuletzt bearbeitet:
Vergesellschaftete Warenproduktion setzt freie Verkäufer ihrer Ware Arbeitskraft voraus. Wenn der überwiegende Teil der Menschheit aus außerökonomischen Sklaven bestünde, würde doch der Markt völlig zusammenbrechen, da er auf Massenkaufkraft angewiesen ist. Der Kapitalismus bedarf auch einer freien Ware Arbeitskraft, weil er nur aus ihr Mehrwert zur Wertverwertung auspressen kann, ohne den Arbeitnehmer zu schröpfen. Der Sklave bringt keine Produktivität. Von ihm wird nur geschröpft. Beim freien Arbeitnehmer hingegen kann Gewinn gezogen werden, weil seine Lebenshaltungskosten beständig unter den Wert seiner produzierten Ware gehalten wird. Er wird also mit weniger bezahlt als ihm "zustünde".

Wenn Du Sklaven dem Produktionsfaktor "Maschineneinsatz" gleichsetzt, geht es ein wenig einfacher zu verstehen. Ich weiss auch, dass das aus unserer Sicht unmoralisch wirkt, aber die Ähnlichkeit ist da. Die ökonomischen Überlegungen orientieren sich am Anschaffungspreis und dem Unterhalt. Als Nachfragekomponente sind die Sklaven sicher nie betrachtet worden.;)
Im ganz krassen Fall ist der Sklave auch nicht Nachfrager auf dem Markt, sondern sein Besitzer.
 
Ich nehme an, Punkt 3 bezieht sich auf den übergeordneten Staat, der öffentliche Güter bereitstellen sollte? Zum Beispiel die Verteidigung der Landesgrenzen, Rechtssystem?
...oder einfach die Steuereinnahmen maximieren möchte.

Außerdem ethischen Zielsetzungen, die dem System nachträglich hinzugefügt werden (z. B. Quotenregelung für Alkoholiker)
 
Zuletzt bearbeitet:
...oder einfach die Steuereinnahmen maximieren möchte
Das wäre mir aber als Motivation noch nie vorgekommen. Horten um des Hortens willen?
Mir ist eher bekannt, dass zur Zeit des römischen Reiches immer wieder sehr viel Geld in repräsentative Bauten gesteckt wurde. Das hat dann bisweilen die Staatskasse besorgniserregend geleert.
Auch die Finanzierung von Feldzügen war öfters problematisch. Ich erinnere mich an Pompius`Feldzug gegen Sertorius, der privat finanziert wurde, mit exklusiven Belieferungsrechten der beteiligten Finanziers (und der einen oder anderen Gaunerei dabei).
 
Horten um des Hortens willen?
Nein, ich meine eher das von Dir zitierte Beispiel.

Die Frage ist : Was passiert mit einer Marktwirtschaft, wenn der an den Staat abzuführende Anteil (zur Finanzierung überaus berechtigter Projekte) zu hoch wird ? Ich denke, es passiert dasselbe, ob es nun eine Firma oder der Staat ist, der eine Monopolstellung erreicht - der Kreislauf des Geldes und damit die interaktive Dynamik des Systems bricht zusammen.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches haben in der Millionenstadt Rom nur noch 20.000 Menschen gelebt. Wenn Arbeitsteilung nicht mehr funktioniert, bringt auch niemand mehr Lebensmittel in die Stadt. Andere arbeitsteilige Techniken wie die Herstellung von Dachziegeln oder verzierten Tongefäßen kamen zum Erliegen, niemand lernte mehr lesen.
 
Nein, ich meine eher das von Dir zitierte Beispiel.
Das würde ich dann aber nicht als Einnahmenmaximierung bezeichnen, sondern als Versuch, ausufernde Ausgaben, sprich den Staatsbankrott, per Einnahmenerhöhung abzuwenden.
In der Endphase des weströmischen Reiches soll es ja hinsichtlich der Steuerbelastung schlecht ausgesehen haben. Dabei dürften die Einnahmen wohl hauptsächlich in den militärischen Bereich geflossen sein....:fs:
 
@Penseo
Jain. Ein erheblicher Betrag wanderte ins Militär, aber die Wohlfahrtsprogramme machten ebenfalls einen großen Anteil aus.
Manches von damals erinnert einen stark an heute.

@krusk
Die Massenkaufkraft kann auch durch eine massive Kaufkraft (z.B. eine Legion aufzustellen) relativ kompensiert werden. Man könnte sagen, daß eine andere Ordnung zu besseren Ergebnissen führen würde, allerdings ist die conclusio eines zusammenbrechenden Marktes nicht notwendig.
Daß ein Sklave keine Produktivität brächte, kann ich nicht nachvollziehen.
Sklaven waren und sind produktiv.
Daß ein freier Arbeitnehmer weniger bekommt, als ihm zustünde, ist problematisch formuliert. Was die Leistung eines Menschen wert ist, läßt sich eigentlich nicht objektiv bewerten. Überzeugender erscheint mir, subjektiv vom Wert der Leistung für den Nutznießer dieser Leistung auszugehen. In diesem Zusammenhang steht ja auch die seit der Antike geführte Debatte, ob jemand durch Ver- oder Bearbeitung einer Sache zu einer neuen Sache auch ihr Eigentümer werden sollte.
Eine Bitte noch zu Deinem Wort von der vergesellschafteten Warenproduktion: ich meine zwar, Dich richtig zu verstehen, allerdings kann ich den Begriff sonst nirgends finden oder zuordnen. Nur um sicher zu gehen: Was ist exakt gemeint?

@Reinicke
Da war silesia schneller. ^^
Ich schließe mich dem Gesagten an.
 
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