Vorausgesetzt, die anderen germanischen Sprachen existieren dann nicht mehr...
Das bringt mich noch auf ein anderes Gedankenspiel: Angenommen, wir hätten keinerlei historischen Kenntnisse über die alten Germanen, sondern müßten einzig aufgrund der heutigen Verteilung der germanischen Sprachen versuchen, eine mögliche Urheimat der Germanen einzugrenzen, nach welcher Logik würden wir dann vorgehen?
Germanische Muttersprachler gibt es ja auf allen Kontinenten, das größte germanische Gebiet wäre in Nordamerika zu finden. Wir würden das jedoch kaum als Argument werten, sondern eher danach schauen, wo sich möglichst viele verschiedene germanische Sprachen auf einem möglichst kleinen Gebiet tummeln. Da fällt die Wahl nicht schwer. Außer in Südafrika (wo Englisch und Afrikaans auf engem Gebiet von einer größeren Zahl alteingesessener Muttersprachler gesprochen werden) werden wir da nur in Europa fündig. Am engsten sitzen die Sprachen an der Nord- und Ostseeküste aufeinander, da finden wir alle paar hundert Kilometer eine andere germanische Sprache: Niederländisch, Deutsch, Friesisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch.
Ich denke, mit dem Raum zwischen der norddeutschen Tiefebene und Südskandinavien läge man auf der Suche nach der Urheimat der Germanen nicht ganz falsch.
Wie sieht es nun mit der (nicht heutigen, sondern historischen) Verteilung der indoeuropäischen Sprachen aus?
Hier ist es nicht ganz so eindeutig wie bei den germanischen Sprachen, aber es gibt zwei Regionen, die sich sehr gut als Kandidaten eignen würden:
1. Der "Balkan" (etwas großzügig gerechnet, bis zu den Alpen und der Donau)
Hier finden wir auf verhältnismäßig kleinem Raum Vertreter von sechs Zweigen: Albanisch, Griechisch, Illyrisch, Thrakisch, Slawisch und Venetisch. (Zieht man Slawisch als relativ späten "Import" ab und rechnet Illyrisch und Albanisch zum selben Zweig, wären es immerhin noch vier.
2. "Anatolien" (ebenfalls etwas großzügig gerechnet: das Gebiet zwischen Ägäis, Kaukasus und Mesopotamien)
Hier finden wir ebenfalls auf verhältnismäßig engem Raum Vertreter von fünf Zweigen: Anatolisch, Armenisch, Griechisch, Indoiranisch, Phrygisch.
Wie gesagt, ein eindeutiges Bild ergibt sich nicht, aber immerhin ein Indiz, das zur Bewertung der Plausibilität der einzelnen Theorien herangezogen werden kann.