Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll... Solche "genetischen Geschichten" sind wie die genialen Schlussfolgerung des berühmten Detektivs am Ende des Kriminalromans. Wenn der Schurke nicht gesteht, dann kann es auch alles ganz anders gewesen sein.....
Es gibt beim Menschen zwei Allelgruppen auf dem Genlocus "Encephalin": D und non-D. In Eurasien haben wir einen Anteil von 80% D und in Afrika einen kleineren. In Mittel wird 70% genannt.
Alle Menschen besaßen und besitzen Encephalin. Leider haben wir keine Ahnung, welchen Unterschied das Vorhandensein von D oder non-D überhaupt macht.
Auf Grund der kleinen Unterschiede zwischen den D-Allelen heutiger Menschen (die im Laufe der Zeit auftreten) hat man das Alter der "Einspeisung" dieses Allels auf 37.000 Jahren geschätzt.
Solche Schätzungen sind jedoch ähnlich unzuverlässig wie eine Schätzung des Alters einer Sprache - hallo, Hyok! - nach den Veränderungen am Wortmaterial. So eine Schätzung nimmt an, dass
ein einziges Molekül in den Genpool gelangt (was bei einer seltenen Mutation in der Tat auch der Fall ist), und sich dieses einzige Ahnen-Molekül dann - mit den genannten Veränderungen - verbreitet. Werden anfänglich schon mehrere (gering verschiedene) Kopien dieser Allelsorte eingebracht, dann bricht diese Kalkulation natürlich zusammen: Der Vorgang geschah dann vor VIEL KÜRZERER Zeit. Das wäre für die Hypothese aber nicht gut, denn danach gab es - jedenfalls großflächig - keine anderen Menschenarten mehr
Eine Übergabe vom - sagen wir mal - Neandertaler ist auch deswegen spekulativ, weil dort bisher weder D- noch non-D-Allele bekannt sind. Die Hypothese fordert, dass man bei Neandertalern einen bedeutend größeren D- zu non-D-Anteil feststellen kann als bei HSS; wenigstens 10 gute Exemplare müssten dazu untersucht werden.
Es kann aber auch ganz anders sein... Das D-Allel kann beim Menschen (seit 1,1 Mio Jahren) schon immer ein Schattendasein geführt haben (da wir - wie gesagt - nicht genau wissen, was es bewirkt) und kommt mit Müh und Not durch den genetischen Flaschenhals.
Nehmen wir an, es kommt genau EIN EINZIGES Molekül durch den Flaschenhals, dann hätten wir eine Situation, die grundsätzlich nicht von einer "Fremdeinspeisung" zu unterscheiden ist. Allerdings vor 70.000 statt vor 37.000 Jahren....
Dann ändern sich aber die Umweltbedingungen, und es findet eine vorteilsverursachte Ausbreitung statt. Denn ohne dieses Postulat funktioniert auch die originale Hypothese nicht! Wenn der Vorteil in Eurasien größer ist als in Afrika, dann erklärt sich sich auch zwanglos der unterschiedliche Anteil. Diese Ausbreitung (auf die 70%) muss übrigens nicht sofort vor 37 oder 70.000 erfolgt sein. Ein beliebtes Szenario ist natürlich die Ausbreitung der Landwirtschaft... Das könnte man sogar durch spezifische Messungen des D-Anteils belegen..
Ich fasse noch mal zusammen:
Im menschlichen Genom wurde eine Allelgruppe (D) entdeckt, die eine erstaunlich geringe Varianz bezüglich der üblichen Mikroveränderungen seiner DNA-Sequenz besitzt. Standardabschätzungen setzen das "Alter" des Urahns auf 37.000 Jahre. Es handelt sich hierbei aber um keine Neumutation, da die Unterschiede zwischen den Allelgruppen D und dem alternativen non-D recht beträchtlich sind und auf ein Alter von 1,1 Mio Jahren hinweisen.
Eine übliche Erklärung für solche Situationen ist der "Gründervätereffekt" oder ein enger "genetischer Flaschenhals". Eine Alternativerklärung die einmalige (!) Übernahme aus einem anderen Genpool.