Der Druck der gesellschaftlichen, sozialen und politischen Realitäten war auch ohne Autodafe und Inquisition so zwingend, dass sich alle Völker Nodafrikas und Vorderasiens über kurz oder lang der grünen Fahne des Propheten beugten und zum Islam konvertierten. ....
Mein erstes Posting ist weder "treuherzig noch graue Theorie" sondern historische Tatsache, so wie es die Forschung in den letzten Dekaden klar herausgearbeitet hatte. Steht so in jeder seriösen Fachliteratur, die sich eingehender damit beschäftigte, statt jahrhundertelanger Propaganda auf dem Leim zu gehen!
(Vielleicht erstelle ich nochmal einen Thread allein mit diesen Lit.-Angaben, die ich hier schon mehrfach verstreut im Forum postete, um uns mal alle auf den gleichen Kenntnisstand zu setzen.)
Druck, bis hin zur Zwangskonversion, gab es natürlich phasenweise auch, z.B. ~5 Jahre lang Ende des 8. (?) Jh. im Iran bei den Manichäern (die als richtige Polytheisten angesehen wurden, im Gegensatz zu den Zoroastriern) (getragen übrigens nicht nur aus religiösen Erwägungen, sondern aus machtpolitischen Spielchen der gerade erst konvertierten konkurierenden Zoroastrier, wenn ich mich nicht falsch erinnere). Es gab auch innerislamische Zwangskonversion (kennen wir ja jahrhundertelang, ach, jahrtausendelang im Christentum auch), z.B. im Iran des 16. Jh. als die Mehrheit der Sunniten zum Schiitentum konvertieren musste. Aber angesichts jahrhundertelanger Duldung, ja sogar teilweise
Befürwortung einer
nicht vollzogenen islamischen Konversion im nahöstlichen Raum, sind solche Phasen des massiven Druckes als sehr selten anzusehen.
Eigentlich haben meine Vorposter schon alles weitere gesagt.
Aber noch einige letzte Worte zu deinem letzten Posting. Wenn du von Druck sprichst, gesellschaftlicher, sozialer, usw. Druck, der "
zwingend" eine Konversion zur Folge haben
musste, so muss man dieses erstmal beweisen, und das auch noch für einen Raum vom Atlantik bis zum Pazifik, und über eineinhalb Jahrtausende.
Richtig ist, dass Nichtmuslime
juristisch gesehen "Bürger" zweiter Klasse waren, aber da passt dein Spruch viel besser hin: "Graue Theorie!"
Wenn wir uns die Mentalitätsgeschichte oder Sozialgeschichte anschauen, so müssen wir viel mehr differenzieren, wie es denn in der Praxis aussah, in welchem Raum, in welchem Jahrhundert, und schon fällt dein obiges Postulat von der zwingend erforderlichen Konversion zusammen, denn es gab immer Gruppen und Regionen, wo dieses einfach nicht zutraf. Wie z.B. bei den Kopten Ägyptens, die oft in der Verwaltung beschäftigt waren, und sich diese soziale Nische über Jahrhunderte erhalten konnten, diese priviligierte soziale Stellung dadurch sicherten, indem sie aktive Geburtenkontrolle betrieben, um ihre Anzahl konstant zu halten. Konversionen gab es bei ihnen relativ wenige, und wenn heute die große Mehrzahl der Menschen Ägyptens Muslime sind, dann liegt es nicht an einem Konversionsverhalten (oder einem ohne Beleg postuliertem "Druck"), sondern daran, dass sich unterschiedliche Bevölkerunbsgruppen unterschiedlich vermehrten (einerseits wie gesagt durch Geburtenkontrollen bei Kopten, andererseits durch Abwanderung reproduktionsfähiger Männer in Klöster und das Zölibat, besonders intensiv nach Krisen, wie z.B. Hungersnöten, Pestseuchen, usw. Diese fehlten den Kopten dann anteilsmäßig bei ihrer Fertilitätsrate gegenüber den Muslimen.), und sich im Laufe der Jahrhunderte eben eine Mehrheit der Muslime ergeben hat, weil deren Fertilitätsrate immer etwas höher als die der Kopten war und sich die Relationen von Minderheit und Mehrheit immer mehr auseinander entwickelten.
Auch die Dschizya, die Kopfsteuer, die Nichtmuslime zu entrichten hatten muss nicht "
zwangsläufig" dazu führen, dass die Christen aus wirtschaftlichen Erwägungen konvertierten. So wissen wir z.B. aus Ägypten, dass wenn man sich dem entziehen wollte, so gab es immer Wege dieses zu tun, denn die Eintreiber waren ja christliche Brüder, Dorfvorsteher, "Bürgermeister", Kirchenobere, und keine Muslime dafür zuständig.
Ausserdem sehen wir z.B. im Osmanischen Reich, dass in dem Moment, wo die Christen den Muslimen gleichgestellt wurden, also keine Sondersteuer bezahlen mussten, im Gegenzuge aber auch wie die Muslime zum Wehrdienst eingezogen werden konnten, dass in diesem Moment die meisten Christen (auch die loyalsten, was die Mehrheit war), es lieber vorzogen, ihre Felder zu bestellen und eine Abgabe zahlten, die sie von dem Militärdienst befreite.
Denn neben dem Leben, welches die muslimischen Bauern verlieren konnten, gab es noch den Nachteil, dass sie eben von ihren Familien, ihren Feldern, ihrem Handwerk, usw. ein Teil des Jahres getrennt waren, und die Christen nahmen offenbar gerne das Angebot war, stattdessen mit einer Sonderabgabe, die wohl etwa in der Höhe der alten Kopfsteuer lag, diese Nachteile zu umgehen (als sie eben im Osm. Reich erstmals die freie Wahl hatten), und sich dem Waffendienst meistens zu entziehen. Abgesehen davon, dass die Steuerlast in der Regel, trotz Kopfsteuer, für die meisten Untertanen nach der islam. Eroberung eines Gebietes niedriger wie vorher war, was deren Akzeptierung, trotz unterschiedlicher muslimischer Steuern, sicherlich leichter gestaltete.
Ausserdem darf man daran erinnern, dass die Muslime natürlich auch Steuern zahlten, z.B. den Zehnten, also die Armensteuer für Bedürftige.
Aber auf eines möchte ich noch hinweisen:
Wieso soll eigentlich immer der Druck des sozialen Milleus ausschlaggebend sein, dass man konvertiert? Du sagst zwar auch, dass durchaus Glaubensgründe eine Rolle spielen können, neben dem sozialen Aufstieg im Militär oder wirtschaftliche Gründe, aber vielleicht ist die Rolle, dass den christlichen Bewohnern je nach Region und Epoche, der Islam ganz einfach attraktiver erschien, bei vielen heutigen Betrachtern zu wenig präsent? Gerade als gläubiger Christ mag diese Vorstellung Magenkrämpfe verursachen, aber wir sollten da unbelastet von der persönlichen Konfession uns einfach an die Geschichte halten. Alleine die manchmal vorkommenden Flüchtlingsbewegungen von christlichen Gruppen auf islam. Territorium, und die fast (!) nie vorkommenden muslimischen Flüchtlingsbewegungen in christl. Territorien sollte uns zu denken geben, denn hier wird in der Geschichte klar mit den Füssen abgestimmt, und dieses sollte man nicht wegen seiner eigenen Konfession ignorieren.
Wenn man sich die innerchristlichen Glaubenskämpfe anschaut, die zahllosen Abspaltungen, Richtungen, die Donatisten, Nestorianer, Arianer, Pelagianismus, Glaubensschisma, Erbsündekonzept, Ikonoklasmus, Trinitarismus, Miaphysitismus, die theologischen Auseinandersetzungen mit der starken Konkurrenz der Manichäer, die Behandlung der Christen untereinander bei abweichenden theologischen Auffassungen und Dogmenbildungen, und und und, dann ist es nachvollziehbar, wenn sich so mancher nach Kennenlernen der vergleichsweise doch relativ klaren und einfach erscheinenden Lehre des Islams (die sich zudem ja nicht als eine neue Religion sieht, sondern als ein quasi "unverfälschtes Christentum" sieht, was wir auch noch heute nie vergessen sollten), sich von dem christlichen "Wirrwarr" abwendet, zumal er eine zentrale Lehre der Dreifaltigkeit kaum nachvollziehen kann, und sich der von Sieg zu Sieg eilenden quasi sich selbst bestätigender Religion zuwendet.
Diese Pull-Funktion des Islams bei einer Konvertierung würde ich nie unterschätzen, und die Push-Funktionen, also der Druck, der gesellschaftliche soziale Druck, usw. nie überschätzen.
So kennen wir auch inzwischen Untersuchungen von Christen in Anatolien und dem Balkan, die teilweise von einem großen Synkretismus gekennzeichnet gewesen ist. Man betete quasi sowohl zu den christlichen als auch zu den islamischen Heiligen, feierte teilweise alle Feiertage, einfach in dem Bewusstsein, dass man dann sicherlich in den Himmel kommt, wenn nicht wegen Weihnachten, dann wenigstens wegen Ramadan/Ramazan. Es gab z.B. sogar Dörfer in den Bergen, die im Sommer Christen waren, wenn die Wehrpflichtbeamten von Dorf zu Dorf zogen, um die Rekruten einziehen zu können, und im Winter Muslime waren, wenn die jährliche Kopfsteuer eingezogen werden sollte.
Ich hatte letztens ein interessantes googlebook dazu teilweise gelesen, sehr interessant. Vielleicht finde ich es wieder.
(Quelle meiner obigen Ausführungen u.a.
Tübinger Online-Vorlesungen, wer es nachhören möchte
Ausserdem die Literatur, die ich zitierte im ersten Posting, bitte einfach mal nachlesen.)