Du beziehst Dich bestimmt auf das Amt des "Küchenmeisters". Ich will Dir nicht zwangsläufig widersprechen, weise aber darauf hin, dass Rumold im "Parzival" nicht als Küchenmeister, sondern nur als Koch bezeichnet wird. Somit muss der "Parzival" nicht zwangsläufig nach der Einführung des Amtes durch König Philipp entstanden sein. Weiters macht Rumold im "Parzival" eine eher geschmacklose Bewertung, die wohl kaum des Inhabers eines wichtigen Hofamtes würdig ist - schon gar nicht in einer höfischen Dichtung.
Im Nibelungenlied hingegen wird Rumold tatsächlich als Küchenmeister bezeichnet.
Ich rekapituliere: Deine Behauptung war, der Nibelungenstoff sei aus der Mode geraten und nur noch in "Randgebieten" rezipiert worden.
Daraufhin habe ich gezeigt, dass eine Figur des Nibelungenliedes, eine Eigenschöpfung des Nibelungelieddichters - eben Küchenmeister Rûmolt - im
Parzival im Zusammenhang mit den anderen Recken des Nibelungenliedes zitiert wird.
Wieso nun der Küchenmeister zum Koch wird (etwas anderes ist er im Prinzip auch im Nibelungenlied nicht, dort versucht Rûmolt seine Herrschaften vor dem Zug an Etzels Hof abzuhalten, indem er sie mit Delikatessen lockt) könnte man vielleicht am Zwang sehen, Reim und Metrik einzuhalten, vielleicht aber auch darin, dass Wolfram seinen Zuhörern
Also: Die anderen Diskutanten hier vertreten offenbar alle die Ansicht, dass der Nibelungen- und der Dietrichstoff durch das ganze Hoch- und Spätmittelalter hindurch in ganz Deutschland populär geblieben sind. Ich habe aber bereits gezeigt, dass im 13. Jhdt. die Dichter West- und Zentraldeutschlands (der Frankreich benachbarten Gebiete) nur Werke über Stoffe der Artussage verfassten.
Hast du das wirklich gezeigt? Noch mal: Wie kommen die Helden des Nibelungenliedes in den
Parzival, wenn sie uninteressant geworden waren?
Es ist doch so, dass der Höhepunkt der Nibelungendichtung um 1200 stattfindet, der Höhepunkt der damit verbundenen Dietrichsdichtung mit den Werken
Rabenschlacht,
Dietrichs Flucht und
Biterolf und Dietleib. Wie kommen solche unbedeutende Werke in eine von Kaiser Maximilian I. in Auftrag gegebene Prachthandschrift, das
Ambraser Heldenbuch, wenn sie doch uninteressant sind?
a) Obwohl beide Sagenkreise beliebt sind, dichten die Dichter ausschließlich über die Artussage.
Eine falsche Präsumtion, siehe oben.
Ist also nicht der Schluss naheliegender, dass Wolfram & Co. deshalb ihre Stoffe allesamt dem Artuskreis entnahmen, weil der beim Publikum gefragter war? Stoffe hätte der Nibelungen-/Dietrichkreis noch genug geboten. Z. B. wird die Jugend Siegfrieds im Nibelungenlied eher knapp abgehandelt, und die Dietrichsage ist überhaupt ein nahezu unerschöpflicher Fundus für Geschichten, wie ein Blick in die Thidrekssaga zeigt.
Ich erkenne in deinen eigenen Ausführungen einen Widerspruch. Zum einen soll der Nibelungenstoff/Dietrichsstoff uninteressant gewesen sein, zum anderen betonst du selber den unerschöpflichen Fundus an Geschichten. Das passt doch nicht zusammen.
Der Artusstoff war zunächst vor allem in den normannischen Gebieten verbreitet, von wo er sich nach Frankreich ausbreitete und dann weiter nach Deutschland, also im Prinzip von Westen nach Osten. In diesem Sinne (und nur in diesem!) lagen der Raum Passau-Wien sowie Skandinavien peripher.
Das ist nun aber eine ganz andere Behauptung, als die vorherige. Natürlich liegen vom (anglo)normannischen Raum gesehen die Gebiete Passau/Wien peripher, aber doch nicht aus der Sicht der deutschen Dichtung. Nicht umsonst
wurde in der Fachwissenschaft diskutiert, ob nicht Walter von der Vogelweide der Dichter des Nibelungenleides sei. Denn Walter ist sicher nachweisbar am Hofe Wolfgers von Erla (Bischof von Passau) unter dem das Nibelungenlied verfasst wurde.
ich glaube, da gibt es noch einen weiteren Unterschied zwischen den Stoffkreisen der Nibelungen/Sigfried- und Artusthematik: die Artusthematik ermöglicht es, den Erfahrungshorizont der Kreuzzüge zu integrieren, was mit dem Nibelungenstoff nicht so ohne weiteres geht (weil er, wenn auch sagenhaft, auf vergangenes rekurriert)
Zudem kann der Nibelungenstoff als Absage/Kritik am heidnischen Heldentum, an den gesetzlosen Recken, dargeboten werden (so eine Lesart des Nibelungenlieds), während der Artusstoff schon ganz andere Heldenbilder bietet (z.B. der Parsifal)
Da bin ich mir nicht sicher. Im Artus-Stoff werden Muslime als Heiden bezeichnet.
Willehalm schrieb:
des er für hôhe saelde jach:
swaz dâ enzwischen sît geschach,
des geswîg ich von in beiden,
den getouften und den heiden,
und sage des hers überkêr.
[...]
er habe groezer her gesehen,
daz ist im selten sît geschehen.
mâge und man het er gebeten.
sîme liebsten got Mahmeten
und andern goten sînen,
diu seit, sîn manlîchiu kraft
behielt den prîs in heidenschaft,
ze Marroch unt ze Persîâ.
sîn hant bezalt ouch anderswâ,
ze Dâmasc und ze Hâlap,
(Hâlap ist Aleppo [arab. Ḥalab, allerdings mit kurzem <a> und nicht wie bei Wolfram mit langem <â>])
Auch im Nibelungenlied ist von Christen und Heiden die Rede, die an Etzels Hof zusammentreffen, in der 20. Aventuire bezeichnet sich Etzel selbst als Heide:
vnt daz der kvnich Ecel vmb ein ander vrowen warp
so ritten sine vrivnde in der Bvrgondn lant
ceiner stolcen wittewen div was vrov Criemhilt genant
Sit daz erstorben wære der schonen Helchen lip
si sprachen welt ir immer gewinnen edel wip
di hohesten vnt di besten di chvnich ie gewan
so nemt di selben vrowen der starche Sifrit was ir man
Do sprach der chvnich riche wi moht daz ergan
s it ich pin ein heiden vnt der tovffe nine han
so ist div vrowe christen da von so lobt sis niht
ez mvese sin ein wnder ob ez immer geschit
Die Dietrichs- oder Nibelungenepik hätte sich also aus damaliger Sicht genauso wie die Artus- oder Gralsepik dazu geeignet - auch da Attila/Etzel von den unterschiedlichen Dichtern unterschiedlich bewertet wird, mal positiv, mal negativ (im Nibelungenleid ist Etzel eine eher positive Figur, der dem Treiben an seinem Hof fassungs- und beinahe hilflos zusieht) - sich für die Kreuzzugsdichtung umdeuten zu lassen. Es ist halt nur nicht geschehen.
wie auch immer: Jordanes Kompilation der verloren gegangenen Gotengeschichte Cassiodors enthält verschieden Sagenelemente (mindestens eines, die Hunnen hervorbringenden gotischen Helrunen, hab ich erwähnt)
Ja, aber wo ist der Bezug zum Nibelungenlied? Wo kommt dieses sagenhafte Element im Nibelungenlied vor?
Im Kontext mit dem Nibelungenstoff (speziell Weiberzwist) ist erstaunlich, was Prokop über Hildebad berichtet - Herwig Wolfram weist nicht grundlos darauf hin, dass die Ähnlichkeit mit dem Nibelungenstoff frappierend ist (vgl. Wolfram, die Goten)
Das klingt interessant. Hast du Näheres dazu?