Klar hat er in den Jahren vor 1914 durch tölpelhafte Äußerungen und ungeschicktes Auftreten nicht gerade im Sinne der außenpolitischen Entspannung gewirkt; der Kriegsausbruch ist aber mehr den komplizierten Bündnisverpflichtungen geschuldet, die zu einem unheilvollen Automatismus geführt haben, und weniger dem Agieren einzelner Personen.
Diese Ansicht teile ich nicht. Es wurde durchaus auf deutscher Seite an der Herbeiführung des Krieges gewirkt. hervorhebenswert sind hier beispielsweise das Auswärtige Amt, der Kriegsmnister von Falkenhayn und die diplomatischen Vertreter des Reichs in Wien. Angeblich war man auf deutscher Seite bemüht, darum den sich anbahnenden militärischen Konflikt zu lokalisieren, aber wie passt das mit den eindringlichen Mitteilungen des deutschen Botschafter in London, Lichnowsky, zusammen, der das Vertrauen Bethmann Hollwegs genoß, das Großbritannien an der Seite Frankreichs in dem Krieg eintreten würde, wenn das Deutsche Reich dieses angreifen sollte. Wenn Bethmann auch lange zeit die Auffassung vertrat, Großbritannien heraushalten zu können, so war das entweder naiv oder schlicht Heuchelei.
Als beispielsweise der Leiter des Zentralabteilung des Reichsmarineamts, Kapitän Hopmann, im Dezember 14, den damaligen Marineattache in Wien fragte, wer denn nun den Krieg gemacht hätte, antwortete dieser:"Wir." (1) Tschirschky habe sich durch entsprechende Äußerungen Wilhelms veranlaßt gesehen "scharfe Töne" aufzuziehen und die Österreicher getrieben. (2)
Flankiert wurden diese Bemühungen durch Bethmann und Jagow. Am 28.Juli wurde Wilhelm II. der Inhalt der serbischen Antwortnote auf das Ultimatum von Österreich-Ungarn vorgetragen. Seine Reaktion: "Eine brilliante Leistung von bloß 48 Stunden. Das ist mehr, als man erwarten konnte! Ein großer moralischer Erfolg für Wien; aber damit fällt jeder Kriegsgrund fort, und gisl hätte ruhig i Belgrad bleiben sollen! Daraufhin hätte ich niemals Mobilmachung befohlen" (3)
Er wies jetzt den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow, unter Umgehung des Reichskanzlers, in Wien jetzt daraufhinzuwirken, das die Antwortnote sehr befriedigend ausgefallen sein und es genüge ein sogenanntes Faustpfand, hier Belgrad, zu besetzten. Kurze Zeit später frühstückte der kaiser mit dem Kanzler und dem Kriegsminister von Falkenhayn. Falkenhayn notierte sich dazu: " Er (Wilhelm) hält wirre Reden, aus denen nur klar hervorgeht, dass er den krieg jetzt nicht mehr will und entschlossen ist, um diesen Preis selbst Österreich sitzen zu lassen. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass er die Angelegenheit nicht mehr in der hand hat.(4)
Im Auswärtigen Amt hatte man allerdings ganz andere Vorstellungen. Der vortragende Tat Wilhelm von Stumm manipulierte Wilhelms Aussagen und schwächte sie in einigen entscheidenen Punkten ab. Wilehm.II wollte sogar das ein persönliches Handschreiben an Franz-Joseph abgeht. Von Stumm schickte lediglich ein Erlaß des Reichskanzler an den deutsche Botschafter Tschirschky, aus dem ganz klar hervorgeht, er könne mit seinem Krus der Kriegstreiberei fortfahren und dürfe keineswegs den Eindruck erwecken, das Deutsche Reich würde Österreich-Ungarn zurückhalten. (5)
Wilhelm wurde hier also ganz klar ausgebremst, denn der Kanzler und Jagow haben sich mit der Depesche an Tschirschky auch noch reichlich Zeit gelassen. Man hatte dort kein Interesse daran den bevorstehenden Krieg zu verhindern; im Gegenteil.
Am 29.Juli hat das AA seinen diplomatischen Vertreter in Brüssel ein verschlossenes Kurvert geschickt. Dieses sollte er erst öffnen, nachdem Belgien das deutsche Ultimatum, es wurde verlangt deutsche Truppen widerstandslos durchmarschieren zu lassen, negativ beschieden hat.(6) Es wurde weiter fleißig am Kriegsausbruch gearbeitet.
Moltke betrieb, entgegen der Anweisung Bethmann, am 30.07. quasi eine Nebenaußenpolitik. Er kabelte an Conrad:" Russische Mobilisierung durchhalten; Österreich-Ungarn muss erhalten bleiben; gleich gegen Russland mobilisieren. Deutschland wird dann auch mobilisiern." (7)
Das war schon ein ziemlicher Hammer und ein krasse Eigenmächtigkeit Motlkes. Aber auch Flakenhayn ha permanent zum Kriege getrieben.
Das bedeutet natürlich nicht, das die anderen Mächte unschuldig am Ausbruch des Krieges sind. Poincarre hat bei seinem Besuch im Juli 14 in Petersburg auch ordentlich Öl ins Feuer gekippt und Grey muss sich den heftigen Vorwurf gefallen lassen, nicht frühzeitig und eindeutig Stellung bezogen zu haben. Die Russen mit ihrer Mobilmachung haben auch einiges zu verantworten.
(1) Tagebuch Hopmann vom 28.12.14
(2) Tagebuch Hopmann vom 28.12.14 hier zitiert nach wilhelminsche Flottenrütung von Epkenhans
(3) Meyer-Arndt, Julikrise 1914
(4) BA-MA, Falkenhayn, Tagebuch, W-10/50635
(5) Meyer Arndt, Julikrise 1914
(6) Jagow an Below, 29.07.14, Deutsche Dokumente 375
(7) Conrad, Dienstzeit Band IV, S.152