Irgendwann kann ja sein, aber ich rede im Zusammenhang mit der Holzfälleraktion immer vom Beginn der Kampfhandlungen!
Schließlich habe ich das so in #3302 geschrieben. Es geht jetzt um die Theorie die ich mit meiner Erklärung zu Varus, 2. Tag aufgestellt habe.
Und dort steht eben, dass das der Beginn der Außernandersetzung ist. Auch bei Cassius Dio (20.3) sind die herabfallenden Baumwipfel der Beginn der Auseinandersetzungen.
Bei Cassius Dio ist aber explizit NICHT vom Holzfällen die Rede sondern von einem STURM.
Und wenn ich auch hier eine Frage wiederholen darf, warum sollen die Römer ausgerechnet am Beginn der Varusschlacht, als sie also noch einigermaßen frisch waren, nicht in der Lage gewesen sein, max. 30 Meeter entfernte Holzfäller anzugreifen?
Dass die holzfällenden Germanen meiner Phantasie entspringen habe ich nie abgestritten. Schließlich werden Theorien auf diese Weise gebaut, man überlegt wie gewesen sein könnte und ob sich das mit den Quellen in Einklang bringen lässt.
Zunächst einmal handelt es sich um eine
Hypothese und keine
Theorie.
Dann habe ich dir bereits geschrieben, dass diese Hypothese lediglich dazu dient, einen unmöglichen Sachverhalt, nämlich den, dass für Römer und Germanen unterschiedliche Naturgesetze (Gravitation, Körpermechanik) gelten müssten, nähme man Cassius Dio ernst, auszuhebeln. Es gibt keinerlei sachliche Begründung für die Baumfällerhypothese.
Die brauchten deshalb keine Verteidiger weil vor dem Angriff (dem Fällen der Bäume) seitens der Römer kein Verdacht da war und nach dem Angriff (dem Fällen der Bäume) die Römer was anderes zu tun hatten, nämlich das ausgebrochene Chaos unter Kontrolle zu bringen und nach dem ersten Schock der Römer griffen die Germanen ja bereits selbst an.
Im Text wird ausführlich von einem Sturm berichtet, den du hier ignorierst bzw. wegdiskutierst, dabei willst du aber die dir in den Kram passenden Stellen des Textes bewahren. Das ist
methodische Willkür.
Dass die Römer keine Geschütze hatten habe ich nie behauptet, nur können sie diese in den von mir beschriebenen Szenario nicht zu Einsatz gebracht haben da die Geschütze nicht einsatzbereit waren und die Zeit (zwischen Baumumfallen und Germanenangriff) nicht reichte diese einsatzbereit zu machen. Dass die Römer zu irgendeinem späteren Zeitpunkt der mehrtägigen Schlacht die Geschütze eingesetzt haben ist möglich aber bisher auch durch nichts nachgewiesen.
Jetzt nimmst du den Text also wieder nicht ernst. Da steht nämlich:
Bruch und Sturz der Baumwipfel sorgten für weitere Verwirrung. Mit solchen Schwierigkeiten hatten damals die Römer zu ringen, als die Barbaren, wegekundig wie sie waren, geradewegs durch die ärgsten Dickichte drangen, und sie plötzlich von allen Seiten her umzingelten. Zuerst schossen sie nur aus der Ferne, als niemand sich wehrte und viele verwundet wurden, rückten sie näher an den Gegner heran.
Man kann an diesem Abschnitt bei Cassius noch eine ganze Menge Kritik üben, mir geht es jedoch nur darum, dass du auch hier wichtige Stellen ignorierst, um deine Hypothese auf Cassius Dio basierend,
gegen den eigentlichen Text, aufrecht erhalten zu können.
Es geht mir nicht darum Cassius Dio zu retten aber er hat nunmal die detailierteste Schlachtbeschreibung überliefert.
200 Jahre nach der Schlacht...
Weißt du, 1086 hat bei der spanischen Stadt Badajoz eine Schlacht stattgefunden, mit einem von den Almoraviden geführten, von andalusischen Kleinkönigen unterstützen Heer auf der einen, dem kastilisch-leonesischen Heer auf der anderen Seite. Die Schlacht endete in einer Niederlage für die Christen. Eine christliche Quelle erwähnt nur: In der Ebene von Sacralias hat eine Schlacht stattgefunden, König Alfonso wurde am Bein verletzt.
Ein Wazīr aus Sevilla, Ibn al-Qa[FONT=TITUS Cyberbit Basic, serif]ṣ[/FONT]īra, schrieb an die dortige Bevölkerung, dass man gewonnen habe, Alfonso wahrscheinlich tot sei, Gott möge ihn im Höllenfeuer rösten, und wenn er doch noch lebe, solle Gott nicht zögern, ihm ein elendes Leben nicht vorzuenthalten. Zehn Jahre später schreibt 'Abdallāh ibn Buluggīn darüber, erwähnt aber hauptsächlich die Streitigkeiten im muslimischen Lager. Man muss dazu wissen, dass 'Abdallāh zum Zeitpunkt der Schlacht einer der andalusischen Kleinkönige war, zehn Jahre später aber Gefangener der Almoraviden in einer Villa nahe Marrakesh. Über die Schlacht selbst schreibt der Teilnehmer 'Abdallāh dies:
"Die beiden Souveräne vereinbarten [über Vermittlung des Königs von Badajoz, Ibn al-Af[FONT=TITUS Cyberbit Basic, serif]ṭ[/FONT]as, wie 'Abdallāh seinen Lesern wenige Sätze zuvor mitteilt] die Schlacht auf einen bestimmten Tag festzusetzen."
'Abd al-Walīd al-Marrakušī berichtet ca. 140 Jahre später, im Kitāb al-Mu'ğib:
"Alfonso sagte: Der Freitag ist Euer Tag, und der Samstag ist der Tag der Juden, unserer Wesire und Sekretäre und des größten Teils der Bediensteten unseres Heeres, wir können nicht auf sie verzichten. Der Sonntag ist unser Tag. Am Montag wollen wir unser Treffen haben."
Der anonyme Verfasser der Al-Hulal al-Mawšiyya (14. Jhdt), der einen Briefwechsel zwischen Alfonso und Yūsuf ibn Tāšufīn darlegt:
"Später schrieb er [Alfonso] durchtrieben an den Emir der Muslime und sagte ihm:
'Morgen ist Freitag und wir wollen uns nicht an diesem Tag bekämpfen, weil es Euer Feiertag ist. Danach kommt Samstag, welches der Festtag der Juden ist, die einen großen Teil unseres Heeres ausmachen und wir mussten uns an sie wenden. Danach der Sonntag ist unser Feiertag. Wir ehren diese Festtage und wollen, dass das Treffen am Montag sei.'
Der Emir der Muslime sagte: 'Lasst den Verfluchten machen, was ihm gefällt.'"
Und im Kitāb al-Iqtifā von Ibn al-Kardabūs (13. Jhdt.) wird berichtet, was Alfonso diesmal gegenüber al-Mu'tamid, dem König von Sevilla geäußert haben soll:
"Morgen, Freitag, ist Euer Feiertag und so wie unser Feiertag der Sonntag ist [schlage ich vor] dass unser Treffen am Samstag sei."
Die Zeitgenossen wissen noch nichts von einem christlichen Verrat, aber die Quellen 140 - 250 Jahre später berichten von diesem in verschiedenen, teils widersprüchlichen Varianten. Und im Grunde genommen werden sie dabei immer ausführlicher. Dasselbe erleben wir bei Cassius Dio: Er ist ausführlicher als alle anderen Autoren und wartet mit Informationen auf, die kein anderer Autor kennt. Klar, kann ihm ja kein Zeitgenosse widersprechen.
Die eigentliche Schlacht wird dann auch je nach Verfasser anders geschildert. In der einen Variante warten die Almoraviden ab, bis die Christen die Truppen von Sevilla beinahe vernichtet haben, bevor sie in die Schlacht eingreifen, in der anderen sind sie die einzigen die standhaft bleiben, während alle anderen fliehen und in einer dritten Version wird nicht das Lager Sevillas angegriffen sondern das der Almoraviden.
[QUOTE=Segimerus;709673]Das bedeutet: Er hat angekündingt, auf die Varusschlacht ausführicher in einem von ihm noch zu erstellenden Werk einzugehen. Ob er das gemacht hat wissen wir nicht da er dieses Werk entweder nicht geschrieben hat oder es und nicht überliefert ist.[/QUOTE]
Die Geschichtswissenschaft ist eigentlich ziemlich sicher, dass dieses Werk nie geschrieben wurde, weil es auch nirgends zitiert oder erwähnt wird.
[QUOTE=Segimerus;709673]Im gleichen Satz sagt er aber aus, dass andere auch bereits diese Schlacht näher beschrieben haben (diese Werke also schon exestierten), also muß es diesbezüglich andere Werke gegeben haben.[/QUOTE]
Vorsicht! Wörtlich steht da iustis voluminibus ut alii, ita nos conabimur exponere. Das ist nämlich weit weniger klar als in der von dir benutzen Übersetzung von Marion Giebel.
Er kann damit genauso gut meinen, dass er damit den Kriterien der literarischen Vorbilder z.B. seit Thukydides oder Fabius Pictor, gerecht werden will.
[QUOTE=Segimerus;709673] Da Velleius Zeitzeuge war fallen alle uns bekannten späteren Quellen weg um zu erklären wer diese anderen waren. Das bedeutet: Cassius Dio hatte bestimmt mehrere uns nicht bekannten Quellen die zeitnah erstellt wurden.[/QUOTE]
Nun, bekannt sind noch Ovid, Strabon und Manilius, deren Angaben aber mehr als wage sind. Aber keiner von diesen erhebt den Anspruch die Schlacht beschreiben zu wollen. Tacitus benutzte Plinius d.Ä. und Aufidius Bassus. Sollte Velleius sich wirklich auf ein anderes Werk zur Varusschlacht bezogen haben, war das am ehesten noch Aufidius. Sollte der aber vom Regen oder von herbastürzenden Baumkronen berichtet haben, dann hat Tacitus uns das verschwiegen.
[QUOTE=Segimerus;709673]aber wie gesagt damit massenhaft Baumwipfel abgerissen werden reicht ein kleiner Sturm nicht aus. [/QUOTE]
Da bin ich mit dir völlig einer Meinung.
[QUOTE=Segimerus;709673]
Für die Römer sah es aber danach aus da sie die (von mir angenommene wirkliche) Ursache nicht kannten.[/QUOTE]
Das wiederum ist eine weitere Hypothese, um die Haupthypothese zu stützen. Hypothesen dürfen aber nicht anderer Hypothesen bedürfen.
[QUOTE=Segimerus;709673]da waren sie am überraschtesten. Dass sie unfähig waren hast jetzt DU gesagt, nicht ich.[/QUOTE]Das hast du nicht gesagt, aber das ist die Konsequenz deiner Überlegungen. Wenn sie ganz zu Beginn der Schlacht schon nicht in der Lage waren, sich zur Wehr zu setzen, auf ein paar ungeschützte Holzfäller zuzustürmen, dann müssen sie unfähig gewesen sein.
[QUOTE=Segimerus;709673]Ich war bisher der Meinung du verstehst was von Quellenkritik aber wenn du diesen Satz jetzt als Hauptargument verwenden willst dann Frage ich mich schon ob dir nicht bewusst ist dass genau diese Aussage (die sich in ähnlicher Form auch in anderen Quellen findet)[/QUOTE]
Nein die Aussage, dass ein Sturm an der Niederlage der Römer mitverantwortlich sei, steht einzig und allein bei Cassius Dio, du findest dies in keiner anderen Quelle.
[QUOTE=Segimerus;709673]
Frage ich mich schon, ob dir nicht bewusst ist, dass genau diese Aussage
eine dieser Aussagen ist, die von allen Fachleuten so gewertet wird, dass das eine Rechtfertigung (Quasi Ausrede) ist, warum die Römer verloren haben.[/QUOTE]Genau damit tippe ich mir seit Jahren die Finger wund: Der Sturm ist eine Rechtfertigung für die Niederlage, er ist nicht historisch. Meine Frage, ob die Germanen elbengleiche Supermänner gewesen seien, die über den Dingen schwebend tollpatschige Slapstick-Römer aus Zucker bekämpften, wurde gestern erst als Polemik abgetan.