Und nochmal: Auch für mich, lautet die einzig genaue, und ideologisch am wenigsten verfängliche Zuordnung Heinrichs I. - "Sachse".
Aber auch die Sachsen als Volk(sstamm) lassen sich in einer Übergeordneten Einheit zusammenfassen. Nur in welche? (ohne daß eben falsche Assoziationen oder Rückschlüsse erleichtert werden!)
Ich verstehe diese immer wieder auftauchende Problematik nicht. Wir befinden uns während der Zeit des ausgehenden 9. und 10. Jahrhunderts in einer staatlichen und ethnischen Übergangsphase. An die Stelle der zahlreichen germanischen Stämme sind einige wenige Großstämme getreten, die Althochdeutsch in verschiedenen Dialekten sprechen. Ob man diese "Stämme" besser als "Völker" bezeichnen sollte, wie das einige fordern, ist umstritten.
Staatlich überdacht werden die Stämme vom Ostfränkischen Reich unter den letzten ostfränkischen Karolingern. Anscheinend muss es ein Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben haben, denn sonst hätten sich die vier Großstämme der Sachsen, Baiern, (Ost)Franken und Alemannen/Schwaben nicht unter einem König sächsischer Herkunft zusammengeschlossen (die Bevölkerung des Herzogtums Lothringen ist nur sehr bedingt als Stamm zu bezeichnen). Das ist ja das eigentlich Neue, dass erstmals kein Angehöriger der fränkisch-karolingischen Königsdynastie im Ostfrankenreich zum König gewählt wird, sondern einer aus den Stämmen jenseits des Rheins.
Staatlich gehörten die Stämme auch unter dem Sachsen Heinrich I. nicht zu einem imaginären "Deutschland", sondern zum Ostfränkischen Reich; und so wurde auch geurkundet:
regnum francorum orientalium. Als "Deutscher" hat sich noch niemand verstanden, denn dieser Begriff existierte nicht. Also war Heinrich I. ein Sachse, der das das Ostfränkische Reich regierte. Man muss aber im Auge behalten, dass unter ihm und mehr noch unter seinem Sohn Otto I. die Fundamente dessen gelegt wurden, was einmal "Deutschland" werden sollte. Insofern gibt es auch Historiker, die Heinrich I. als "ersten deutschen König" bezeichnen (so z.B.
W. Schlesinger, Die Königserhebung Heinrichs I., der Beginn der deutschen Geschichte, Historische Zeitschrift 221, 1975). Wiki sagt dazu: "Lange Zeit galt Heinrich als erster „deutscher“ König im „deutschen Reich“. Erst in der modernen Forschung setzte sich die Auffassung durch, dass das Deutsche Reich nicht durch einen Akt, sondern in einem lange währenden Prozess entstanden ist. Gleichwohl wird Heinrich darin weiterhin eine entscheidende Rolle zugemessen."
Man muss bedenken, dass wir uns in einem staatlichen und ethnischen Transformationsprozess befinden und daher ist es nicht möglich, irgendwelche fixen Zeitpunkte anzugeben, die den Beginn einer "deutschen Identität" postulieren. Wir sind in einem breiten Zeitkorridor und können nur mutmaßen, wie der ethnische Prozess chronologisch verlaufen ist. Die Frage ist also, wann der ostfränkische Staat unter den ottonisch-salischen Herrschern den Namen "Deuschland" erhielt, bzw. wann die in ihm lebenden Völker/Stämme Franken, Sachsen, Baiern, Alamannen zusätzlich zu ihrem bisherigen Volksnamen umfassend "Deutsche" genannt wurden - und ein eigenes Staatsbewusstsein entwickelten. Vielfach ist man sich heute einig, dass ein solches Bewusstsein kaum vor 1000, voll erst im 11. und 12. Jh. einsetzte.