Hi, es gab eine Rehe von Problemen, die in diesem Thread beleuchtet worden sind. Im #32 wird auf die zentrale Dimension der Kriegsführung im Jahr 1914 eingegangen. Der dezentralen Mobilisierung in den Tiefen Russlands und dem schnellen !!!!! Transport an die Front. So die Erwartung Frankreichs.
Dieses kann man auch sehr gut an der Planung der eisenbahngestützten Mobilisierung auf französischer Seite sehen (vgl. Bourachot: Marshall Joffre...)
Zunächst einmal danke ich recht herzlich, denn das klärt die Problematik des Eisenbahnwesens in Russland im Bezug auf die Mobilisation von meinen Standpunkt her hinreichend. Da ich in dem anderen Threat auf Grund mangelnder Schreibrechte nicht positiv werten kann, tue ich das an dieser Stelle.
Es ist also folglich auf Grund der dezentraleren Mobilisierung und der Rückverlegung der Truppenstandorte von der Grenze weg auch bei einem stärker ausgebauten Eisenbahnsystem nicht unbedingt von einer görßeren Kapazität an Truppen auszugehen gewesen, weil auch mehr Truppen aus weiter entfernten Standorten in die Aufmarschräume verlegt werden mussten.
Was für mich aber nach wie vor von Interesse Bleibt ist die Frage nach der Fernaufklärung und den Kommunikationsmöglichkeiten der russischen Truppen.
Im Hinblick auf den modifizierten Schlieffenplan und die damit verbundene Dislozierung der 8. Armee nach Ostpreußen, wurde von Seiten des Generalstabs bei diesem Kräfteverhältnis offensichtlich mit Kommunikations- und Aufklärungsschwierigkeiten der Russen gerechnet, denn wenn man davon ausgegangen wäre, dass die Russen die deutsche Truppenpräsenz im Osten schnell richtig einschätzen hätten und ein gleichzeitiges Vorgehen von Njemen- und Narewarmee gegen Ostpreußen dauber hätten koordinieren können, hätte die 8. Armee an ihrem Standort süd-östlich selbst durch die masurischen Seen eingeengt wie auf dem Präsentierteller gelegen.
Hinhaltender Widerstand wäre dann ohne ziemlich hohes Risiko die Existenz der 8. Armee für sich genommen infrage zu stellen, bei der geringen Truppenstärke kaum noch möglich gewesen, jedenfalls nicht in Ostpreußen.
Das man im Generalstab den Fortbestand der 8. Armee als wichtig veranschlagte und die Möglichkeit von dessen realer Gefährdung durchaus wahrnahm, dürfte sich in Moltkes Instruktion gegenüber Prittwitz die Armee um jeden Preis zu erhalten, nötigenfalls auch Ostpreußen zu räumen, im allernötigsten Fall auch hinter die Weichsel zurück zu gehen, sich aber in keinem Fall auf Königsberg zurück zu ziehen, deutlich genug nierderschlagen.
Daher halte ich es für die Aufrechterhaltung der deutschen militärischen Planungen für eine nicht zu unterschätzende Größe, wie viel man der russischen Seite im Zuge der russischen Heeresreform im Bereich Aufklärung und Kommunikation zutraute.
Wenn man nun hier Tannenberg und die fatale Fehlbeurteilung Rennenkampfs hinsichtlich Pritwitzens Rückzug aus Gumbinnen und die mangelnde Fähigkeit der Russen, diesen Irrtum an zentaler Stelle rechtzeitig zu erkennen und Rennenkampf anzuweisen, weiter zu marschieren um der in Schwierigkeiten steckenden Narew-Armee sofort zur Hilfe zu kommen, anführte, wäre das sicherlich als Argumentationsgrundlage eine unzulässige ex-post-Dastellung.
Dennoch musste die Dislozierung der 8. Armee und deren nummerische Stärke von entscheidenden Problemen der Russen in diesen Bereichen ausgehen, sofern man nicht bereit war die gesammte Armee für einen Zeitgewinn nötigenfalls zu opfern. Bei sauber koordiniertem, gleichzeitigen Angriff von russischer Seite (und mit einem zweigeteilten Angriff auf die in Ostpreußen, die masurischen Seen umfassend rechnete man ja, bzw. man provozierte ihn durch diese Dislozierung geradezu), wäre die Verwicklung in eine Schlacht wohl ein übergroßes Risiko gewesen, zumal die Russen mit 1-2 vorgeschickten Kavalleriedivisionen, wenn sie gewusst hätten, dass dort kein weiterer ernsthafter Widerstand zu erwarten gewesen wäre sehr leicht die Bahnverbindungen nach Westpreußen und damit die Rückzugs- und Nachschubwegen hätten kappen können.
Mir ist klar, dass da jetzt gerade eine ganze Menge Konjunktiv drinn steckt, nur bin ich der Meinung, dass, wenn eine entscheidende Verbesserung der russischen Aufklärungs- und Koordinationsfähigkeit des russischen Heeres erwartet worden wäre, sich das in einem anderen Aufmarsch der nach dem Osten zu dislozierenden Kräfte hätte niederschlagen müssen und zwar der Gestalt, das:
a) Mehr Kräfte für den Osten benötigt worden wären, die dann naturgemäß auf dem ohnehin neuralgischen Punkt von Moltkes rechtem Flügel oder möglicherweise in der Scharnierstellung in Lothringen gefehlt hätten.
b) Man dabei hätte bleiben können die identische Anzahl von Truppen in Ostpreußen aufmarschieren zu lassen. In diesem Fall hätte man dem kommandierenden General der 8. Armee aber die unbedingte Weisung geben müssen, kein größeres Gefecht zu provozieren und sich, sobald man die russischen Truppen nach Ostpreußen hineingelockt hat dem Kampf zu entziehen und auf Graudenz oder direkt hinter die Weichsel zurückfallen zu lassen.
c) Man hätte dann noch die Option gehabt Ostpreußen von vorn herein aufzugeben und die Truppen hinter der Weichsel oder unmittelbar an die Weichsel angelehnt etwa bei Graudenz in Stellung zu bringen, was aber die Gefahr mit sich gebracht hätte, dass die Russen Ostpreußen relativ schnell links, oder in dem Fall rechts liegen lassen und schneller in der Lage sind in neuralgischere Regionen vorzustoßen.
So weit jedenfalls meine persönliche unqualifizierte Meinung.
Demnach halte ich die Frage, in wie weit man von deutscher Seite her über die russischen Armeereformen beunruhigt war und in wie weit dies geeignet gewesen wäre die Planungen des Generalstabs und dessen Haltung in Bezug auf die Erwägung eines "Präventivkrieg" zu beeinflussen, auch unter Prämisse der Negierung eines entscheidend vorteilhaften Impacts, des ausgebauten Eisenbahnsystems auf russischer Seite, für berechtigt.
Zumindest von meinem Standpunkt her, da ich über die deutsche Einschätzung zu etwaigen Fortschritten der Aufklärungs- und Kommunikationsfähigkeit des russischen Heeres absolut nicht im Bilde bin.