Standort Irminsul

Zitat von El Quijote:
"Lass mal Varus und Arminius daraus, wir sind hier bei 760 Jahren Zeitunterschied und man muss nicht jedes Thema mit allen anderen kontaminieren".

Die Römerkriege haben nachweislich die Bildung größeren Stammeseinheiten in Germanien gefördert bzw. ausgelöst. Die Varusschlacht war Wendepunkt und Schlüsselereignis zugleich und wirkte lange nach. Das in Ostwestfalen das Wissen um die Varusschlacht verblasste bedeutet nicht, dass die Menschen sie vergessen hatten. Und eine an exponiertem Platze existierende Irminsul die 772 zerstört wurde und der ein weitaus älterer Kultplatz voraus gegangen sein dürfte kann nicht ausgeschlossen werden und könnte sogar auf Traditionen beruhen, die bis in die Keltenzeit zurück reichten, zumal die Region gespickt ist mit prähistorischen Grabstätten. M.E. müssen wir beginnen uns vom betoniertem nur vermeintlichen Wissen zu distanzieren und die bestimmende Form von Wissenschaftshörigkeit ablegen.

Blätter als Einstreu siehe Kalkriese zu nutzen ist bekannt. Erscheint aber der Name Esche in Form von "Eskerke", macht dies in einer weiten unbebauten Feldflur liegend nachdenklich.


Wenn ein Flurname Esch-/-esch heißt, sollte man in der Region damit rechnen, dass das nichts mit dem Baum Esche zu tun hat, sondern mit einer Form der Flurbewirtschaftung, bei der Gestrüpp als Einstreu in die Ställe gegeben wird und als Mist dann als Düngern auf den Feldern landet.
 
Zuletzt bearbeitet:
sondern sicherlich auch die Weltesche.
die macht optisch was her in Hundings Hütte - auf der Opernbühne, und das auch nur, wenn die Szene erträglich inszeniert ist (und sängerisch müssen da schon Kollo, Hofmann, Domingo, Botha das "Wälse-Gebrüll" bringen)

Irminsul, Donarseiche: ohne Standort im 8. Jh. lakonisch als heidnisches Heiligtum/Idol erwähnt, mehr weiß man nicht.
Yggrasil/"Weltesche" im 11. Jh. für Uppsala bei Adam von Bremen erwähnt, ansonsten im 13./14. Jh. Edda etc.

...von der Irminsul wissen wir ungefähr so viel wie vom "sächsischen Gott" Saxnot, nämlich nahezu nichts ausser dem Namen. Ich empfehle immer gern den RGA Sonderband germanische Religionsgeschichte (1992), weil er so wohltuend ernüchternd bzgl. der Religion der "Festlandgermanen" ist. Alles, was darüber (nahezu nichts ausser dem Namen!) hinausgeht, ist einfach nur bestenfalls fantasievolle Spekulation, schlimmstenfalls neuheidnisch/völkisches Blabla aus der rechten Ecke.
 
dass er die Weser bei Herstelle schon 772 erreicht hat.
Die Weser ist lang, die hat nicht nur einen Punkt, den Karl erreicht haben kann. Es gibt nur eine Quelle, die explizit besagt, dass die Irminsûl außerhalb der Eresburg stand. Eine andere ist so zu verstehen, dass sie innerhalb der Eresburg stand, die meisten anderen kann man so oder so interpretieren.

Vielen Dank für Euer Interesse, aber Worte wie "Volltrottel" gehören für mein Verständnis nicht in einen historischen Meinungsaustausch, gehe daher auch nicht darauf ein und würde mich selbst auch nicht als Troll bezeichnen wollen.
Damit insinuierst du, du seist beleidigt worden. Aber das ist nicht Fall. Wenn du allerdings Verschwörungserzählungen aufmachst, musst du damit rechnen, dass jemand deine Verschwörungserzählung mit einer immerhin deduktiv herleitbaren Verschwörungserzählung konntert. Sepiola bezeichnete die Karolinger eben als "keine Volltrottel". Sie haben belegbar Menschen umgesiedelt. Wenn du also mit Verschwörungseerzählungen vom geheimgehaltenden Platz der Irminsûl ankommst, das können andere offenbar besser erzählen. Also bitte nichts ad populum insinuieren, was niemand geschrieben hat.
 
Die Römerkriege haben nachweislich die Bildung größeren Stammeseinheiten in Germanien gefördert bzw. ausgelöst. Die Varusschlacht war Wendepunkt und Schlüsselereignis zugleich und wirkte lange nach. Das in Ostwestfalen das Wissen um die Varusschlacht verblasste bedeutet nicht, dass die Menschen sie vergessen hatten.

Es gibt keinen Beleg dafür. Und wenn du meinst, dass die Siegfriedssage ein Beleg dafür sei, dann solltest du mal recherchieren, was eine petitio principii ist und warum diese zu den Fehlschlüssen gezählt wird.
 
Hallo Zusammen.
Vielen Dank für Euer Interesse, aber Worte wie "Volltrottel" gehören für mein Verständnis nicht in einen historischen Meinungsaustausch, gehe daher auch nicht darauf ein

Gern ändere ich die Formulierung in "Menschen mit auffälliger Unfähigkeit zum logischen Denken". Oder vielleicht fällt Dir ein besseres Synonym ein.

Wenn die Unauffindbarkeit des "wichtigsten Orts" sichergestellt werden sollte, dann mussten sachdienliche Hinweise tunlichst unterbleiben und stattdessen falsche Fährten gelegt werden. Wenn die Karolinger keine Menschen mit auffälliger Unfähigkeit zum logischen Denken waren, haben sie auch verhindert, dass die Lokaltradition über Generationen weitergetragen würde, indem sie die ortsansässige Bevölkerung umgesiedelt haben.

Ich halte die Karolinger jedenfalls nicht für dumm. Du kannst mir gern begründet widersprechen.

könnte sogar auf Traditionen beruhen, die bis in die Keltenzeit zurück reichten
Du rechnest damit, dass Lokaltraditionen über viele Jahrhunderte weitergegeben werden. Meinst Du nicht, dass auch die Karolinger möglicherweise damit gerechnet haben, dass Lokaltraditionen von Generation zu Generation weitergereicht werden? Um eine Lokaltradition wirkungsvoll zu unterbinden, musste also die ortsansässige Bevölkerung umgesiedelt werden.
Mit Umsiedlungen von Sachsen waren die Karolinger nicht zimperlich:
Sachsenkriege Karls des Großen – Wikipedia
 
Die Römerkriege haben nachweislich die Bildung größeren Stammeseinheiten in Germanien gefördert bzw. ausgelöst.

Was genau ist mit "Stammeseinheiten" gemeint?

Mir geläufig sind kurzlebige stammesübergreifende Bündnisse, die bedeutendsten werden die von Marbod und Arminius gebildeten Bündnisse gewesen sein. Die waren aber höchst unstabil. Als es zum Showdown zwischen Marbod und Arminius kam, liefen mehrere Stämme ins gegnerische Lager über. Nicht lange nach diesem Krieg wurde Marbod gestürzt und fand bei den Römern Asyl; wenige Jahre später wurde Arminius von seinen eigenen Leuten ermordet.
Im 2. Jahrhundert zählt Ptolemaios über 70 germanische Stämme auf.
 
Wenn die Karolinger keine Menschen mit auffälliger Unfähigkeit zum logischen Denken waren, haben sie auch verhindert, dass die Lokaltradition über Generationen weitergetragen würde
falls es eine solche ihnen so unliebsame Lokaltradition gegeben hat, dass der ansonsten "klassische" Sieg der Heiligen über die Götzen der Heiden (a la Donareiche fällen) nicht genügt hätte. Ich habe Zweifel an dieser starken heidnischen Lokaltradition der Sachsen.
 
Die Römerkriege haben nachweislich die Bildung größeren Stammeseinheiten in Germanien gefördert bzw. ausgelöst.
Haben sie das? Welche größeren Stammeseinheiten?
In Tacitus' "Germania", fast ein Jahrhundert nach der Varusschlacht entstanden, ist noch keine Rede von größeren Stammeseinheiten. Größere Stammeseinheiten, die mutmaßlich aus kleineren Stämmen hervorgingen, werden erst im 3. Jhdt. fassbar.

M.E. müssen wir beginnen uns vom betoniertem nur vermeintlichen Wissen zu distanzieren und die bestimmende Form von Wissenschaftshörigkeit ablegen.
Wenn Wissen, das auf belegten und nachprüfbaren Fakten basiert, nur "vermeintlich" sein soll, was soll dann "Wissen" sein, das auf Spekulationen über unbelegte Zusammenhänge quer durch (Jahrhunderte umfassende) Zeiträume, Räume und Kulturen basiert?
 
Yggrasil/"Weltesche" im 11. Jh. für Uppsala bei Adam von Bremen erwähnt,
Eine direkte Erwähnung finde ich nicht. In finde lediglich ein Scholion zum 4. Buch, Kap. 26, wo das Heiligtum in Uppsala beschrieben wird. Im Scholion heißt es, dass nahe beim Tempel ein sehr großer immergrüner Baum unbekannter Art stehe. (Prope illud templum est arbor maxima late ramos extendens, semper viridis in hieme et aestate; cuius illa generis sit, nemo scit.)
Dass dieser Baum (unbekannter Art!) die Weltenesche symbolisieren soll, ist anscheinend auch nur Spekulation.
 
Zumal die Intiative zum Fällen der (fränkischen) Donareiche von einem Sachsen ausging - von Wynfreth, geboren in Crediton/Devon (Westsachsen), der später Bonifatius genannt wurde.
Ein guter Einwand, auch wenn die Angelsachsen (Bonifatius) etwas früher christianisiert wurden als die Kontinentalsachsen. Die fränkische Donareiche war wohl - wenn die Legende überhaupt historisch ist - eher eine chattische oder thüringische Donareiche.
 
wobei allerdings zu Bonifatius' Zeiten sowohl die Chatten als auch Thüringer (eine Verortung im Thüringischen wäre mir zwar neu, aber egal) Teil des Frankenreiches waren.
Das Fällen der Donareiche bei Geismar fand gem. Vita während Bonifatius' Missionreise in Thüringen statt. Möglich auch dass das von den Merowingern gegründete Herzogtum Thüringen auch Teile des heutigen Hessen umfasste.
 
Das Fällen der Donareiche bei Geismar fand gem. Vita während Bonifatius' Missionreise in Thüringen statt
Die Reise fand in Thüringen und Hessen statt, so weit ich weiß. Üblicherweise lokalisiert man die Donareiche bei Geismar nahe Fritzlar in Nordhessen. Das würde auch in sofern Sinn ergeben, weil in direkter Nähe die Büraburg mit fränkischen Kriegern war, die den Missionar bei der Fällung der Eiche beschützen konnten. In direkter Folge wurde das Benediktiner Kloster Fritzlar 724 gergründet, dessen erster Abt St.Wigbert von Bonifatius eingesetzt wurde. Außerdem bestand von 742-755 das Bistum Büraburg, dessen erster Bischoff Witta ebenfalls von Bonifatius eingesetzt wurde.
Es gibt auch abweichende Hypothesen zum Standort der Donareiche. Geismar bei Fritzlar ist aber ein "heißer" Kandidat.
Im Hochmittelalter gehörten große Teile Hessens dem Landgrafen von Thüringen. Ob dies im 7. oder 8.Jahrhundert bereits der Fall war, ob chattische Gebiete zum Herzogtum Thüringen gehörten, wissen wir nicht.
 
Eventuell auch Fritzlar selbst, wo dann am Standort der Eiche zunächste eine Kapelle, später der Dom erbaut worden wäre.

Ich möchte mal anzweifeln, dass man sich im Zuge der Missionsarbeit für christliche Standorte ausgerechnet für einst heidnische Stätten entschieden hat. Das Gegenteil dürfte der Fall gewesen sein in dem man versucht hat die alten rituellen Kultplätze aus dem Bewusstsein der Menschen zu verbannen und das Aufsuchen der Orte verhindert oder unter Strafe gestellt hat. Vielleicht sollte man mehr nach exponiert liegenden verfallenen und heute nicht mehr als derartiges erkennbare Anhöhen Ausschau halten. Alte Katasterkarten etc. könnten noch Hinweise liefern.
 
Ich möchte mal anzweifeln, dass man sich im Zuge der Missionsarbeit für christliche Standorte ausgerechnet für einst heidnische Stätten entschieden hat.
Wir wissen aus der Bonifatius Vita, dass aus dem Holz der gefällten Eiche ein dem Heiligen Peter geweihtes Bethaus (oratorium) errichtet wurde. Ob dies an Ort und Stelle der gefällten Eiche geschieht oder aber man die Mühe eines Transports auf sich nahm, wissen wir nicht. Es würde aber Sinn ergeben, wenn ein christlicher Priester in einem Bethaus verweilt an dem vorher ein heidnischer Kult praktiziert wurde. So könnte der Priester sicherstellen, dass der Kult dort nicht weiterlebt.
Wir wissen ebenfalls nicht, ob dieses Bethaus identisch mit der bereits 732 erwähnten Peterskirche in Fritzlar ist. Diese Vermutung erscheint jedenfalls plausibel.
 
Ich möchte mal anzweifeln, dass man sich im Zuge der Missionsarbeit für christliche Standorte ausgerechnet für einst heidnische Stätten entschieden hat.
Gibt es nicht ein Papstschreiben, in welchem empfohlen wird, nur die Götzenbilder zu beseitigen, die Tempel/Kultstätten aber zu Kirchen umzufunktionieren?

Vielleicht sollte man mehr nach exponiert liegenden verfallenen und heute nicht mehr als derartiges erkennbare Anhöhen Ausschau halten. Alte Katasterkarten etc. könnten noch Hinweise liefern.
Diese Suche nach eventuellen heidnischen Kultstätten (heilige Haine, Pfahlgötzenensembles etc) stelle ich mir... fantasievoll vor... ;) ...da kann man gar zu leicht Uhlands Fehler wiederholen:
Der Name ist in verschiedenen Schreibweisen überliefert. Die Schreibweise Schwerzloch reicht bis in die älteste Zeit. 1120 wurde Swertissloch, um 1203 Schwerzeloch und schließlich 1323 und 1340 Schwertzloch überliefert. Die Schreibweise Schwärzloch hat sich im 19. Jahrhundert durchgesetzt. Die genaue Bedeutung des Namens wurde trotz mehrerer Deutungsversuche nicht geklärt. So versuchte z. B. Ludwig Uhland den Namen auf einen Hain des germanischen Schwertgottes Ziu zurückzuführen, was aber als romantische Schwärmerei gewertet werden muss.[3]
aus Schwärzloch – Wikipedia
Bzgl alten Katasterkarten, alten Flurnamen: da ist immer vorab zu klären, wann ein solcher Name erstmals aufgezeichnet ist (älteste Quelle!) und danach ist zu klären, ob es sich um einen theophoren Ortsnamen handelt. Letztere sind a) sehr selten und b) die wenigen sind bekannt - im RGA Sonderband germanische Religionsgeschichte gibt es ein ernüchterndes Kapitel zu solchen Namen.
 
Gibt es nicht ein Papstschreiben, in welchem empfohlen wird, nur die Götzenbilder zu beseitigen, die Tempel/Kultstätten aber zu Kirchen umzufunktionieren?
Das Schreiben würde mich interessieren. Aber zum Thema Kultplatzkontinuität habe ich diese Aussage gefunden:

"Ebenfalls fassbar sind alte Versammlungsorte wie Hügelgräber oder Thingplätze, an denen Feste stattgefunden haben. Ein Beispiel findet sich in der Siedlung Tissø (östliches Dänemark). Dort lässt sich eine Anlage mit einer Residenzhalle, einem Kulthaus und einem umzäunten Kultareal, wohl ein Versammlungsplatz, nachweisen. Am nahegelegenen See wurden Waffen und Schmuck geopfert, auch in einem Brunnen finden sich Keramik- und Tieropfer. Das Kulthaus und der umzäunte Platz wurden im Zuge der Christianisierung durch eine Kirche ersetzt. Ein weiteres Beispiel gibt es in Alt-Uppsala (Schweden). Dort gibt es drei Hügelgräber, 70m im Durchmesser, 11m hoch, in denen drei Könige oder – der Sage nach – drei Gottheiten bestattet wurden. Laut Schriftquellen stand hier auch ein prächtiger Tempel, der zwar archäologisch nicht nachzuweisen ist, jedoch an einen solchen Kultplatz passen würde. Später wurde hier ein Erzbischofssitz errichtet.

Beide Beispiele zeigen: Auch wenn sich durch die Christianisierung die religiösen Inhalte weitestgehend gewandelt haben, blieb man den kultischen Orten als solche treu. Man gab sie nicht auf, sondern knüpfte an und nutzte um („Kultplatzkontinuität“)."
Christianisierung in der Frühgeschichte
 
Das Schreiben würde mich interessieren.
(nur auf die Schnelle gehandygoogelt im Zug)
Umsetzbar waren dagegen die Aufträge des Papstes bezüglich der heidnischen Tempel und Bräuche: Die ersteren sollten christliche Kirchen werden, die letzteren, so weit wie möglich, umgewidmet werden in Märtyrerfeste, da „derjenige, der in luftige Höhen klettern will, schrittweise steigen muss, nicht springen“ (Brief von Gregor an Mellitus, in Beda, i, 30).
aus Augustinus von Canterbury – Wikipedia
(Anweisungen Gregors des Großen an Augustinus von Canterbury in Sachen Mission etc der Angelsachsen)
 
Zurück
Oben